Maßnahmen-Mix für Arzneimittelpreise
Artikel
Um Effizienzreserven im Gesundheitssystem zu heben, sollte die Politik die seit Jahren stark steigenden Ausgaben für Arzneimittel stärker in den Blick nehmen. Die TK schlägt einen Mix aus kurz- und langfristigen Maßnahmen vor.

Um die überdurchschnittlich stark steigenden Ausgaben für Arzneimittel kurzfristig zu begrenzen, sollte die Umsatzsteuer auf Arzneimittel gesenkt werden. Für Produkte und Dienstleistungen des Grundbedarfs wie Grundnahrungsmittel, Blumen oder kulturelle Leistungen gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz - für Arzneimittel bisher aber nicht. Außerdem sollten die sogenannten Herstellerabschläge für patentgeschützte Arzneimittel für eine begrenzte Zeit erhöht werden.
Rund 9 Milliarden Euro beträgt das jährliche Einsparpotenzial durch eine ermäßigte Umsatzsteuer auf Arzneimittel und höhere Herstellerabschläge für patentgeschützte Arzneimittel (25 Prozent).
Arzneimittelausgaben senken
56 Prozent der GKV-Ausgaben für Arzneimittel entfielen 2021 auf patentgeschützte Arzneimittel, obwohl sie nur etwa elf Prozent des Gesamtverbrauchs ausmachten.
Reformbedarf beim AMNOG
Der aktuelle Koalitionsvertrag sieht vor, dass der zwischen den gesetzlichen Krankenversicherungen und Herstellern verhandelte Erstattungsbetrag künftig rückwirkend ab dem siebten Monat statt wie bisher ab dem 13. Monat gelten soll. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Noch besser wäre es, wenn der Erstattungsbetrag - der anhand der konkreten Nutzenbewertung verhandelt wird - rückwirkend direkt ab Markteintritt gelten würde.
Die geplante Sieben‐Monats‐Lösung beim Erstattungsbetrag kann nach Schätzungen des GKV-SV jährlich 110 Millionen Euro einsparen.
Der Koalitionsvertrag sieht außerdem vor, das seit 2011 geltende Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) weiterzuentwickeln. Das ist wichtig, denn das AMNOG als Instrument nicht reicht nicht aus, um die Preise für neue, patentgeschützte Arzneimittel so zu begrenzen, dass sie auch zukünftig von der Versichertengemeinschaft finanziert werden können. Der aktuelle Innovationsreport der TK und der Universität Bremen zeigt auf, welche Veränderungen im AMNOG nötig sind - unter anderem:
- Keine freie Preisbildung im ersten Vermarktungsjahr: Die Industrie kann bislang Preise für patentgeschützte Arzneimittel im ersten Jahr frei und intransparent bestimmen, die dann die Benchmark für die Verhandlungen über den Erstattungsbetrag setzen. Das muss sich langfristig zugunsten einer kriterienbasierten Preisfindung ändern. Wie so ein Modell aussehen kann, beschreibt Tim Steimle, Leiter des Fachbereichs Arzneimittel im Interview .
- Keine Bevorzugung der Orphan Drugs: Bis zur Umsatzschwelle von 50 Millionen Euro pro Jahr wird für Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen ein Zusatznutzen als belegt angenommen - der sich häufig im Nachhinein nicht bestätigt. Das zeigt auch eine aktuelle Auswertung des IQWiG. Die Privilegien für Orphan Drugs sollten deshalb aufgehoben werden, die Einsparungen würden bei rund 260 Millionen Euro liegen.
- Abschlag bei Kombinationstherapien: Zum Beispiel in der Onkologie ist es üblich, mehrere Wirkstoffe gleichzeitig einzusetzen. Diese Kombinationsstrategien spielen in den AMNOG-Verfahren jedoch im Hinblick auf die Addition der Kosten keine erkennbare Rolle. Es fehlt eine Lösung für die Kosteneindämmung bei Kombinationstherapien. Deshalb sollte ein Kombinationsabschlag eingeführt werden, dieser brächte Entlastungen von rund 420 Millionen Euro für die GKV.
Im Rahmen des Innovationsreports 2021 schlägt die TK weitere Maßnahmen zur Kostenbegrenzung vor - dazu gehört die Einführung sogenannter Fokuslisten, über die die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, einzelne patentgeschützte Arzneimittel für die Versorgung ihrer Versicherten bevorzugt auszuwählen, wenn es vergleichbare Alternativen gibt. Dadurch wären Einsparungen von rund 1,4 Milliarden Euro für die GKV möglich.