Die Nationale Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft fand erstmals seit Beginn der Sars-CoV-2-Pandemie wieder als große Publikumsveranstaltung statt. Mehr als 600 Expertinnen und Experten kamen nach Rostock, um über aktuelle Herausforderungen und Trends in der Gesundheitsbranche, sowie potenzialreiche Lösungsansätze zu diskutieren. Neben der Pandemie-Bewältigung standen auch die Themen regionale Versorgungssicherheit, personalisierte Versorgungsangebote und digitale Innovationen im Fokus. 

Konferenzauftakt mit politischem Schwerpunkt

Der erste Publikumstag der Branchenkonferenz gehörte traditionell den bundespolitischen Entscheidungsträgern. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach widmete seinen Impulsbeitrag der Digitalisierungsstrategie. Anschließend diskutierte er gemeinsam mit Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK, Prof. Lars Kaderali, Mitglied COVID-19-ExpertInnenrat im Bundeskanzleramt und Prof. Thomas Lenarz, Direktor des Deutschen Hörzentrums Hannover, über aktuelle Herausforderungen in unserem Gesundheitssystem. 

Die zentralen Planungen des Bundesgesundheitsministers sind demnach:

  • bessere Verfügbarkeit von Versorgungsdaten gewährleisten
  • Nutzbarmachung von Daten im Gesundheitswesen datenschutzkonform erleichtern
  • Informationsbarrieren zwischen den Versorgungssektoren abbauen
  • Anwendungsumfang der elektronischen Patientenakte steigern

Laut Karl Lauterbach werden die zukünftigen digitalen Innovationen im deutschen Gesundheitswesen von einer Zukunftsagentur realisiert. Als Nationale Agentur für Digitale Medizin sieht Bundesgesundheitsminister Lauterbach vor allem die gematik als Zukunftslabor und Ideenschmiede für ein digitales Gesundheitswesen. Diese Position ist nicht unstrittig. Kritikerinnen und Kritiker werfen dem Bundesgesundheitsminister vor, so einer Staatsmedizin ohne wettbewerbliche Elemente Vorschub zu leisten. Auch aus Perspektive der Techniker Krankenkasse sollte die Zukunft des Gesundheitswesens von wettbewerblichen und somit kundenzentrierten Mechanismen forciert werden. Staatlich geplante Optimierungen haben sich in der Vergangenheit, gerade im digitalen Bereich, als zu langsam und wenig bedarfsgerecht erwiesen. 

In den weiteren Konferenzformaten sind auch landespolitische Entscheidungsträger:innen zu Wort gekommen. So nahm Ministerpräsidentin Manuela Schwesig am ersten Konferenztag den "Masterplan Gesundheitswirtschaft 2030" entgegen. In diesem Strategiedokument skizzieren die wichtigsten Institutionen der Branche ihre Pläne für das gegenwärtige Jahrzehnt. Als wegweisendes Dokument ist der "Masterplan" auch eine wirtschaftspolitische Richtschnur für Fördermaßnahmen der Landesregierung in der Dekade. TK-Landeschefin Manon Austenat-Wied verantwortet als Leiterin der Strategiegruppe 4 des Kuratoriumsgesundheitswirtschaft die Pläne des Bereichs "Gesundheitstourismus". Gerade die bislang spärliche Verzahnung von gesundheitsförderlichen Vorsorgeangeboten mit akuten Versorgungsstrukturen und nachbetreuenden Dienstleistungen bietet noch Potenzial. Mit Verbesserungen in diesem Bereich, könnte Mecklenburg-Vorpommern eine Vorreiterregion in Deutschland werden. 

In Sachen zukunftsfähiger Versorgungsstrukturen wurde es erstmals im TK-Format "Versorgungssicherheit in Mecklenburg-Vorpommern" fachlicher. Unter Moderation von Jürgen Zurheide diskutierten Expertinnen und Experten aus dem Versorgungsbereich die aktuellen Versorgungshemmnisse im ländlichen Raum. Neben Gesundheitsministerin Stefanie Drese haben auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der TK, Thomas Ballast, inav-Gründer und Geschäftsführer Prof. Volker Amelung sowie der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft M-V, Uwe Borchmann, und der Vorstandsvorsitzende des Hausärzteverbandes M-V, Stefan Zutz, ihre Expertise eingebracht.

Die Diskutanten konnten bei folgenden Aspekten Einigkeit erzielen:

  • Krankenhausstrukturen müssen an den tatsächlichen Versorgungsbedarfen ausgerichtet sein
  • digitale Innovationen müssen der Patientenversorgung dienen und in die ärztliche Praxis integrierbar sein
  • gegenwärtige Restriktionen bei der Datenauswertung verhindern den medizinischen Fortschritt
  • flächendeckende Versorgung und Zugang zu Spitzenmedizin müssen erhalten bleiben

Bereits mit der "Enquete-Kommission zur Zukunft der medizinischen Versorgung" haben sich die entscheidungstragenden Personen in Mecklenburg-Vorpommern auf den Weg gemacht, um gemeinsam Reformpläne für das Gesundheitswesen zu schmieden. Die konstruktive Atmosphäre des Gremiums setzte sich auch auf der Branchenkonferenz fort. Mit der eingesetzten "Regierungskommission" befindet sich das Land Mecklenburg-Vorpommern nun auf dem Weg, die politisch erarbeiteten Reformvorschläge umzusetzen. Wir als Techniker Krankenkasse setzen hier auf einen partizipativen und zügigen Prozess, den wir gern unterstützen. 

Abschlusstag setzt auf Aufbruch und Innovationen

Am zweiten und finalen Tag der bedeutendsten Gesundheitswirtschaftskonferenz Norddeutschlands standen Zeichen auf Aufbruch. Mit Formaten zur neuen Arbeitswelt, der Start-up Arena und dem NBK-Ideensprint kamen vor allem jüngere Konferenzteilnehmerinnen und Konferenzteilnehmer zum Zug. Der geschäftsführende Direktor des Instituts für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald, Prof. Wolfgang Hoffmann, verantwortete gemeinsam mit Prof. Neetltje van den Berg, stellvertretende Leiterin der Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health an der Universitätsmedizin Greifswald, das Format "New Work - die Rolle von Lotsen in der Versorgung". Mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel in ländlichen Regionen, förderte das Format spannende Erkenntnisse für zukünftige operative Maßnahmen zur Fachkräftesicherung zu Tage. 

Einen Sonderstatus im Konferenzprogramm hat der NBK-Ideensprint. Dieses explizit auf junge Fachkräfte zugeschnittene "Workshop-Format" widmete sich der Zukunft der Gesundheitswirtschaft. Als renommierte Themenpaten konnten u. a. Daniel Cardinal, Geschäftsbereichsleiter Versorgungsinnovation und ambulante Versorgung bei der TK, sowie Toralf Schnell, Chief Digital Officer der Universitätsmedizin Greifswald und Daniel Moll, Mitglied des Vorstands beim Karrierenetzwerk Hashtag Gesundheit e.V., gewonnen werden. Diese drei "Professionals" widmeten sich den Themen: "Geschäftsmodellveränderung durch Digitalisierung" (Daniel Cardinal),  "Digital Health Hub Greifswald - mehr als ein Thinktank?" (Toralf Schnell) und "Bestellt und nicht angekommen? - Attraktive Präventionsangebote" (Daniel Moll). 

Gemeinsam mit mehr als zwanzig Nachwuchskräften diskutierten die Themenpaten über aussichtsreiche Innovationswege für die Gesundheitsbranche in M-V. Die Anregungen der "young Professionals" im Bereich Digitalisierung und Digital Health Hub umfassen dabei folgende Ansichten: 

  • medizinische Daten leichter für Versorgungs- und Forschungszwecke zugänglich machen
  • Innovationen im Gesundheitswesen stärker fördern und Weg in die Regelversorgung ermöglichen
  • Forschungserkenntnisse aus Mecklenburg-Vorpommern stärker in die Wirtschaft und Versorgung überführen
  • Gründungsmöglichkeiten ausbauen und kompetenzstarke Netzwerkpartner zur Seite stellen

Ähnliche Wünsche äußerten die jungen Diskutanten auch für die Weiterentwicklung von Präventionsangeboten:

  • gesundheitliche Prävention und Alltagswelten stärker (digital) miteinander verzahnen
  • Benefits von den Krankenkassen für gesundheitsförderliche Aktivitäten ermöglichen
  • individuelle und passgenaue Präventionsangebote ermöglichen
  • gesundheitsförderlichen Kompetenzaufbau stärker vorantreiben

Angesichts der fachlichen Hintergründe der Teilnehmenden ist klar, dass viele der geäußerten Vorstellungen und Ideen mit den bereits auf den Weg gebrachten Veränderungen im Gesundheitssystem übereinstimmen. Allerdings wünschen sich gerade jüngere Menschen mehr Geschwindigkeit in den Veränderungsprozessen. Dies betrifft neben der inhaltlichen Ausgestaltung der Innovationen auch die Möglichkeit die Karriereleiter aufzusteigen. 

Blog WirTechniker: #Gesundheit2022 - Herausforderungen werden immer größer

Forderung: Gesundheitsbranche quo vadis?

Bereits vor der Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft war klar, dass die zentralen Herausforderungen im Versorgungsbereich nicht kurzfristig gelöst werden können. Neben dem Engagement der an der Gesundheitsversorgung beteiligten Akteurinnen und Akteure, braucht es vor allem zielgenaue politische Reformen. Gerade in den Bereichen der ländlichen Versorgung, Telemedizin und Strukturplanung sind die Differenzen zwischen den Bedarfen der Patientinnen und Patienten auf der einen Seite und den bestehenden Angeboten und Planungsverfahren auf der anderen Seite, mittlerweile immens.

Als Techniker Krankenkasse setzen wir uns dafür ein, dass unsere Versicherten am Ende der Legislaturperiode besser versorgt werden als gegenwärtig.