Seit Oktober 2020 können digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auch in Bremer Arztpraxen verordnet und von Krankenkassen erstattet werden. Zeit, um eine Zwischenbilanz zu ziehen und zu untersuchen wie gut die "Apps auf Rezept" deutschlandweit angekommen sind. Dazu hat die TK zusammen mit der Universität Bielefeld den DiGA-Report 2022 erstellt. Dabei wird klar: Es muss dringend nachgeschärft werden, denn DiGA sollen einen wirklichen Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer erbringen.

Apps spielen in der Praxis kaum eine Rolle

Der Report zeigt unter anderem, dass die Apps in den Arztpraxen keine besonders große Rolle spielen. Lediglich vier Prozent aller Ärztinnen und Ärzte haben bislang Rezepte für DiGA ausgestellt (7.000 von 180.000). Auffällig ist, dass in Berlin - wo auch die meisten DiGA-Hersteller sitzen - die Verordnungsquote am höchsten ist. 

Seit Start der Digitalen Gesundheitsanwendungen im Oktober 2020 bis Ende Dezember 2021 hat die TK 19.025 Codes für DiGA ausgestellt. Am häufigsten erhielten TK-Versicherte Verordnungen für Apps gegen Rückenschmerzen (3.947), Tinnitus (3.450) und Migräne (2.524). 

Hauptnutzer sind nicht die Jüngeren

Interessant ist auch, wer die meisten Apps verschrieben bekommt: Es sind nicht - wie man annehmen könnte - die vermeintlich digital-affinen Jüngeren, sondern die Altersgruppe der 50- bis 59-jährigen TK-Versicherten. Im Schnitt ist die DiGA-Nutzerin bzw. der -Nutzer 45,5 Jahre alt.

Sabrina Jacob

Sabrina Jacob, Leiterin der TK-Landesvertretung Bremen Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiterin der TK-Landesvertretung Bremen

Zusätzlich haben wir Nutzerinnen und Nutzer von DiGA befragt. Deren Beurteilung fällt eher gemischt aus: 19 Prozent der Befragten geben an, dass die App ihre Beschwerden gelindert hat. 43 Prozent stimmen eher zu, dass die App ihnen geholfen hat. 34 Prozent geben jedoch an, dass die DiGA ihnen nicht oder eher nicht geholfen hat.

Die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) bieten durchaus die Chance, Krankheiten patientenorientiert und modern zu behandeln oder besser zu managen. Im Vordergrund muss aber der medizinische Nutzen für die Patientinnen und Patienten stehen! Hier haben wir bisher nur wenig positive Beispiele - gleichzeitig aber sehr hohe Kosten. Das liegt an dem bisherigen Zulassungsverfahren. 

DiGA werden nach einem sogenannten Fast-Track-Verfahren bei dem einige grundlegenden Anforderungen wie Sicherheit, Funktionstauglichkeit, und Datenschutz sichergestellt sein müssen, im DiGA-Verzeichnis gelistet und dürfen damit verordnet werden. Zudem müssen sie "positive Versorgungseffekte" nachweisen, dafür haben sie aber bei Bedarf noch ein weiteres Jahr - schon während der Verordnungsfähigkeit - Zeit. Meist wird nach einem Jahr sogar eine weitere Verlängerung beantragt.

Schnellere Nutzeneinschätzung

Hier muss im Sinne der Versicherten eine schnellere Nutzeneinschätzung her! Zudem muss die Verlängerung der Erprobungsphase zur Ausnahme werden und darf nicht die Regel sein.

Beispielsweise haben bis März 2022 vier DiGA ihre Erprobungsphase beendet. Davon konnte nur eine Anwendung die Wirksamkeit beweisen. Die drei anderen DiGA konnten keinen Nutzen oder nur einen Teilnutzen nachweisen. Für diese drei Apps erstattete die TK bis Ende 2021 insgesamt 1,6 Mio. Euro. Zwar gibt es nun eine Höchstpreisbremse, allerdings reicht diese nicht aus: Sie greift erst ab 2.001 Rezepten und reduziert den Preis um 6,6 Prozent, wie eine Modellrechnung im DiGA-Report zeigt. An der Stellschraube der angemessenen Preisfindung sollte daher gedreht werden. Insbesondere dann, wenn der Bekanntheitsgrad der DiGA in den Arztpraxen wächst. 

Fragliche Nutzungshäufigkeit

Ein weiterer Kritikpunkt steckt in der tatsächlichen Verwendung der App. Immerhin haben laut TK-DiGA-Report sechs Prozent der Patientinnen und Patienten die verschriebene App nie genutzt. Zehn Prozent gaben an, sie nur wenige Male zu verwenden. Warum also nicht einmal Testverordnungen für kürzere Zeiträume ausstellen, statt die App - wie es bislang gilt - direkt für 90 Tage zu verschreiben?

Therapieabbrüche und Nutzungshäufigkeit von DiGA müssen analysiert und die Ergebnisse mit Konsequenzen berücksichtigt werden!      

Medizinischer Nutzen muss sichergestellt sein       

Fazit ist: Die Vorteile der digitalen Gesundheitsversorgung - zeit- und ortsunabhängige Versorgung - liegen auf der Hand und sollten genutzt werden. Die DiGA-Einführung Ende 2020 war dafür ein wichtiger Schritt. Dennoch muss der Gesetzgeber dringend nachschärfen, damit der medizinische Nutzen für die Patientinnen und Patienten sichergestellt wird und die Kosten - angelehnt an die ambulante Versorgung - in einem angemessenen Rahmen bleiben.