Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung, berichtet von den Erfahrungen mit DiGA aus den ersten beiden Jahren. 

TK: Seit zwei Jahren können Ärztinnen und Ärzte Digitale Gesundheitsanwendungen, so genannte DiGA oder auch "Apps auf Rezept", verschreiben. Wie beurteilen Sie die Entwicklung seitdem?

Maren Puttfarcken: Aus meiner Sicht ist die DiGA-Versorgung erfolgreich gestartet, und die Zahlen sowohl der Hersteller als auch der Verordnungen steigen. Zugleich sieht man aber auch, dass Angebote nach dem ersten Jahr bereits wieder vom Markt genommen wurden. Um es in Zahlen auszudrücken: Insgesamt gab seit Start des DiGA-Antragsportals beim BfArM zum Stichtag 26. Oktober 2022 153 Anträge - 118 davon zur vorläufigen Aufnahme zur Erprobung, 35 zur dauerhaften. Aktuell sind im Verzeichnis 34 Anwendungen gelistet. 14 Anträge wurden negativ beschieden, 84 zurückgezogen. Vier DiGA wurden nach dem Erprobungsjahr gestrichen, zwei davon konnten keinen Nutzennachweis erbringen, zwei wurden auf Antrag des Herstellers gestrichen. In Bearbeitung sind aktuell 17 Anträge. Man sieht: Da ist schon ganz schön Bewegung drin!

Maren Puttfarcken

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Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

Wie intensiv die DiGA genutzt wird, wissen nur die DiGA-Hersteller. Die Antragszahlen sind noch gering. Seit Start im Oktober 2020 sind bei der TK 55.000 Anträge auf eine DiGA eingegangen. Zwölf Prozent der ausgegebenen Codes sind dabei nicht eingelöst worden. Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

TK: Wie erklären Sie sich diese Zahlen?

Puttfarcken: Diese Entwicklung liegt daran, dass der allergrößte Teil der Hersteller zum Start noch keinen Nutzennachweis erbringen konnte. Das ist zulässig, wenn die Anbieter nur einen Antrag auf vorläufige Aufnahme zur Erprobung stellen. Dann müssen sie den Nachweis erst nach einem Jahr erbringen. Vielen gelingt dies aber nicht, einige verlängern die Erprobungsphase deshalb auch. Zudem können die Anbieter für das erste Jahr die Preise frei bestimmen. Erst danach finden Verhandlungen statt - bzw. werden die Preise bei Nichteinigung zwischen Kassen und Herstellerverbänden geschiedst. Die neuen Preise liegen dann meist sehr deutlich unter dem Preis im ersten Jahr. Es gibt Anbieter, die ihre DiGA dann freiwillig vom Markt nehmen, weil sich das Geschäft aus ihrer Sicht nicht mehr lohnt.

TK: Weiß man denn, wie die Versicherten die ihnen verordneten oder bewilligten DiGA nutzen?

Puttfarcken: Genau sagen lässt sich das nicht. Wenn TK-Versicherte eine DiGA verordnet oder bewilligt bekommen, erhalten sie einen Registrierungscode, den sie in der DiGA eingeben. Wie intensiv die DiGA genutzt wird, wissen nur die DiGA-Hersteller. Die Antragszahlen sind noch gering. Seit Start im Oktober 2020 sind bei der TK 55.000 Anträge auf eine DiGA eingegangen. Ein weiteres Indiz zum Nutzungsverhalten könnte sein, dass wir bisher nur sehr wenige Anträge auf Weiterverordnung nach dem ersten Quartal erhalten. 

TK: Das Digitale Versorgungsgesetz (DVG) vom Dezember 2019 sieht vor, dass DiGA fester Bestandteil der Regelversorgung werden sollen. Wie schaffen wir es, das Thema zu beflügeln? 

Puttfarcken: Da gibt es aus meiner Sicht vor allem zwei Aspekte, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Zum einen sind die Kosten insbesondere im ersten Jahr viel zu hoch, zumal gleichzeitig bei 80 Prozent der DiGA zum Start kein Nutzennachweis vorliegt. Dass dann bisher wiederum keine der vorläufig aufgenommenen DiGA innerhalb der ersten zwölf Monate ihren Nutzen nachweisen konnte, ist ernüchternd. Allein für die TK bedeutet das, dass bisher 70 Prozent aller Bewilligungen für Apps ohne belegte Wirksamkeit erfolgten. 
Zum anderen müssen wir bei den Themen Evidenz und Nutzungsverhalten nachbessern. In den bisherigen Studien besteht ein erhöhtes Verzerrungspotential, unter anderem durch fehlende Verblindung, hohe Dropout-Raten und letztlich nur kleine Teilnehmergruppen. Hier ist noch viel Luft nach oben.

DiGA-Report 2022

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Hintergrund

Bei den DiGA - häufig auch als "Apps auf Rezept" - bezeichneten Anwendungen handelt es sich um zertifizierte Medizinprodukte niedriger Risikoklasse (Risikoklassen I und IIa gemäß europäischer Medizinprodukterichtlinie), die im Wesentlichen auf digitalen Technologien, den Smartphone-Apps oder Browseranwendungen beruhen.

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