Follow the Money: Optimale Gesundheitsversorgung dank intelligenter Datennutzung
Position aus Rheinland-Pfalz
Ein Statement von Jörn Simon, Leiter der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz, zu den Möglichkeiten der Datennutzung im Gesundheitswesen.

Sie lieben Filme? Ich persönlich habe eine Schwäche für Krimis. "Follow the Money - Die Spur des Geldes" etwa lautet der Titel einer Wirtschaftskrimi-Serie, die glaubhaft vermittelt, dass man die Täter stets über die Spur des Finanzflusses aufspüren kann. Helfen äquivalent Gesundheitsdaten Versorgungsbedarfe aufzuspüren? Als Krankenkassenvertreter ist das für mich absolut plausibel: Durch Krankenhausaufenthalte, den Kontakt mit Haus- und Fachärzten sowie mit Apothekern entsteht eine Vielzahl von Abrechnungsdaten der Versicherten.
Jörn Simon
Durch die intelligente Verknüpfung verschiedener Quellen und deren Analyse können diese zu Abrechnungszwecken erhobenen Daten jedoch auch Aufschluss über das aktuelle Versorgungsgeschehen geben und direkt zu dessen Verbesserung dienen.
Individualisierte Vorsorge dank Routinedaten
"Der Spur des Geldes (bzw. der Daten) folgen" könnte also im Kontext der Gesetzlichen Krankenversicherung bedeuten, Erkenntnisse für eine optimale, sichere und zeitgemäße Gesundheitsversorgung zu sammeln und Innovationen zu entwickeln. Wenn wir beispielsweise im Anschluss an eine Rückenoperation eine Rechnung erhalten, ist es zu spät, um effektive Vorsorge zu betreiben. Denn angesichts entsprechender Krankschreibungen, Termine beim Orthopäden oder Physiotherapeuten hätten wir schon früher auf hilfreiche Angebote aufmerksam machen und Spezialisten in einem Rückenzentrum unserer Partner empfehlen können.
Aktuell ist es Krankenkassen aber nicht erlaubt, auf Basis von individuellen Daten, Angebote zu machen, die direkt dem Versichertenwohl zugute kommen. Schon an diesem Beispiel wird deutlich, dass wir durch das Nicht-Nutzen von Gesundheitsdaten große Chancen, ja echte Hilfe, liegen lassen. Und es ist eine der maßgeblichen Forderungen der Techniker Krankenkasse (TK) diese Möglichkeit im Gesundheitsdatennutzungsgesetz zu öffnen.
Krankenkassen sollten Daten auch zur Forschung nutzen dürfen
Noch während der letzten Legislaturperiode hat der Gesetzgeber den dringenden Handlungsbedarf zur erfolgreichen Digitalisierung des Gesundheitswesens erkannt und die Grundlage geschaffen, Gesundheitsdaten künftig auch für Forschungszwecke nutzen zu können. Laut dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) sollen die Abrechnungsdaten der Krankenkassen künftig pseudonymisiert in einem Forschungsdatenzentrum gesammelt und Nutzungsberechtigten zur Verfügung gestellt werden. Es ist unverständlich, dass Krankenkassen keinen Zugang zu diesen Daten erhalten sollen - allein schon, weil Daten, die in einem solidarisch finanzierten System erhoben werden, auch zugunsten des Allgemeinwohls genutzt werden sollten.
Tagesgenaue Dokumentation von Diagnosen ist notwendig
Um die Versorgung auf Basis von Routinedatenauswertungen zu optimieren, bräuchten Krankenkassen zudem die Möglichkeit, sektorenübergreifend Behandlungspfade- und Sequenzen zu analysieren. Um die Möglichkeiten der Auswertung zu verbessern, ist es außerdem notwendig, die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen für Abrechnungsdaten aufzuheben und alle Diagnoseangaben sektorenunabhängig tagesgenau zu dokumentieren.
Datensparsamkeit und Zweckbindung blockieren die Digitalisierung
Nun ruhen auf der Ampelkoalition große Hoffnungen, da sie sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt hat, die Sozialversicherung zu entbürokratisieren und ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz zu verabschieden. Dieses Vorhaben wird von der TK ausdrücklich begrüßt. Es gilt dabei, einen sicheren, rechtlichen Rahmen für äußerst sensible Daten zu schaffen, der aber eine moderne, datengestützte Gesundheitsversorgung im Sinne der Versicherten zulässt. Das bedeutet aber auch, Maximen der "Datensparsamkeit" und "Zweckbindung" müssen diskutiert und gegebenenfalls weiterentwickelt werden, da sie nicht mehr im Einklang stehen mit der Zielsetzung, die Digitalisierung des Gesundheitswesens zu fördern. Darauf hatte bereits der Sachverständigenrat (SVR) im März des vergangenen Jahres aufmerksam gemacht.
Die DSGVO ermöglicht sehr viel mehr
Der Blick auf andere europäische Länder, wie Frankreich oder Estland zeigt zudem, dass auf Basis der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) viel mehr möglich ist. So wird in der DSGVO in Artikel 9 auf die besondere Bedeutung von Gesundheitsdaten hingewiesen. Allerdings unterliegt die Gesetzliche Krankenversicherung nicht nur den Vorgaben der DSGVO, sondern sie ist, neben bundesrechtlichen Vorgaben, zusätzlich an datenschutzrechtliche Regelungen auf Länderebene, gebunden. An dieser Stelle sind Reformen wichtig, die einen sicheren, einheitlichen Rahmen für die sensiblen Gesundheitsdaten schaffen, aber deren wissenschaftliche und versorgungsverbessernde Nutzung dennoch ermöglichen.
Sicheres Gesundheitsdatennutzungsgesetz ist maßgeblich
Fazit: In einer zunehmend digitalisierten Welt haben Daten eine immer größere Bedeutung, auch für die Gesundheitsversorgung. Gesundheitsdaten zeigen Chancen auf, Vorsorge und Therapie auf einem noch höheren Niveau gewährleisten zu können. Ziel muss sein, dass unserem gesamten Gesundheitssystem mehr Daten in Echtzeit vorliegen. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Daten auf Basis eines sicheren und modernen Gesundheitsdatennutzungsgesetzes wissenschaftlich analysiert und intelligent verknüpft werden dürfen, um Versorgung individueller und innovativer zu gestalten. Hierfür gilt es, rechtliche Anpassungen vorzunehmen.