TK: Seit Januar sind Sie Juniorprofessorin für Versorgungsforschung und Qualitätsmanagement im ambulanten Sektor an der Technischen Universität Berlin. Welche Schwerpunkte wollen Sie in Forschung und Lehre setzen?

Jun.-Prof. Dr. Verena Vogt: In der Forschung widme ich mich unter anderem der Frage, wie Versorgungspfade und Versorgungsqualität anhand von GKV-Routinedaten dargestellt und analysiert werden können. Damit möchte ich das Methodenrepertoire der Versorgungsforschung in Deutschland erweitern, um die aktuelle Versorgungslage besser beschreiben und Verbesserungspotenzial der Versorgungsprozesse aufdecken zu können.

Verena Vogt

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Juniorprofessorin für Versorgungsforschung und Qualitätsmanagement im ambulanten Sektor der TU Berlin

Darüber hinaus befasse ich mich mit regionalen Variationen in der Gesundheitsversorgung sowie der Evaluation innovativer Versorgungsprogramme. Die Lehre ist für mich eng mit meinen Forschungsaktivitäten verknüpft. Thematisch lege ich dabei den Fokus auf "Evidence-Based Public Health" - also was macht gute Wissenschaft im Bereich Public Health aus und wie können Public Health-Entscheidungen wissenschaftlich fundiert werden. Außerdem werde ich ein Modul zum Thema Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen anbieten. 

TK: Was fasziniert Sie an gesundheitsökonomischen Fragestellungen im Gesundheitssystem?

Vogt: Mich fasziniert vor allem die Komplexität, die mit der Beantwortung gesundheitsökonomischer Fragestellungen verbunden ist. Das umfasst zum Beispiel die Messung der verschiedenen Dimensionen von Versorgungsqualität. Zum anderen faszinieren mich der Anwendungsbezug und die Relevanz gesundheitsökonomischer Fragestellungen für das Gesundheitssystem. Die Gesundheitsökonomie kann meines Erachtens einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Finanzierbarkeit des GKV-Systems zu erhalten. Dies wird im Ausblick auf die finanziellen Belastungen - kurzfristig durch die Corona-Pandemie und langfristig durch den demografischen Wandel - zunehmend relevant für die Solidargemeinschaft der GKV werden. 

TK: Wissenschaft steht seit der Corona-Pandemie stärker im Fokus der Öffentlichkeit. Welche Rolle sollte sie künftig einnehmen?

Vogt: In der Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig der direkte Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die politische Entscheidungsfindung ist. Es gibt einige Beispiele, wo dieser Transfer aus meiner Sicht in den letzten Monaten gut funktioniert hat. Ich hoffe, dass die enge Form der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik, die wir in der Pandemie gefunden haben, auch langfristig erhalten bleibt. 

Wissenschaft darf ihre Rolle aber nicht nur auf die Politikberatung reduzieren, sondern muss in einer offenen Gesellschaft auch die Bürgerinnen und Bürger adressieren. Dazu gehört auch, gegensätzliche Positionen im wissenschaftlichen Diskurs aufzuarbeiten und Unsicherheit bzw. fehlende Evidenz klar zu benennen. 

Ich hoffe, dass das Bewusstsein über die Bedeutung und den Nutzen der Wissenschaft in der Bevölkerung auch nach der Pandemie erhalten bleibt. Langfristig würde ich mir wünschen, dass wir die Grundlagen der wissenschaftlichen Denkweise bereits in der Schule vermitteln, um die Wissenschaftskompetenz und damit auch die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung schon früh zu fördern. 

TK: Welche Chancen sehen Sie in der Corona-Pandemie für unser Gesundheitswesen?

Vogt: Als eine wesentliche Chance sehe ich, dass wir den Mehrwert von digitalen Elementen im Gesundheitswesen, wie etwa der Video-Sprechstunde erkannt haben. Gefühlt ist die Akzeptanz digitaler Kommunikationsformen sowohl bei den Patienten als auch den Ärzten in den letzten Monaten gestiegen. Jetzt müssen wir evaluieren, wie sich die Versorgung durch diese Form der Sprechstunde verändert hat und was wir daraus für die Zeit nach der Pandemie lernen können. 

Als weitere Chance für das Gesundheitswesen sehe ich, dass die Relevanz von Public Health und des öffentlichen Gesundheitsdiensts deutlich geworden ist. Die Pandemie hat gezeigt, dass eine Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes notwendig ist, um zukünftig Prävention und Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene zu unterstützen. 

Aus meiner Perspektive als Forscherin sehe ich als Chance weiterhin, dass das, durch die Pandemie notwendig gewordene, gemeinsame Sammeln und Teilen von Forschungsdaten mehr und mehr zur Normalität im Wissenschaftsbetrieb wird.

Zur Person

Verena Vogt ist Juniorprofessorin für Versorgungsforschung und Qualitätsmanagement im ambulanten Sektor an der Fakultät Wirtschaft und Management der Technischen Universität Berlin. Sie studierte Public Health an der Universität Bielefeld und der University of Sheffield und promovierte zum Dr. PH an der TU Berlin im März 2017. Von Mai bis November 2017 war sie Visiting Scholar an dem Menzies Centre for Health Policy, der University of Sydney.

Vor Ihrer Berufung auf die Juniorprofessur war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Management im Gesundheitswesen der TU Berlin und im gesundheitsökonomischen Zentrum Berlin (BerlinHECOR).