Zur Sache: Projekt "Leichte" Gesundheits-Apps
Interview aus Hamburg
Wie kann ich eine Erkrankung besser verstehen? Wie schaffe ich es, mehr Bewegung in meinen Alltag zu integrieren oder: Wer erinnert mich daran, meine Medikamente regelmäßig einzunehmen? Für all das gibt es mittlerweile Gesundheits-Apps, und stetig kommen neue dazu. Doch häufig sind diese Apps nicht barrierefrei.

Für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sind sie schwer zu bedienen und zu verstehen. Meist fehlt es an Sensibilität für diese Zielgruppe, und es gibt wenig Erfahrungswerte, wie Apps gestaltet sein müssen, damit sie für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen barrierefrei zugänglich sind.
Im Projekt "'Leichte' Gesundheits-Apps" entwickelt und erprobt die Lebenshilfe Hamburg gemeinsam mit dem Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) eine "Leichte" Gesundheits-App mit verhaltenstherapeutischen Übungen für den Alltag. Gesa Müller, Projektleiterin bei der Lebenshilfe Hamburg, berichtet im Interview "Zur Sache", an wen sich die App richtet und welche Erfahrungen bisher gemacht wurden.
TK: Frau Müller, wie ist die Idee der Entwicklung einer "leichten" Gesundheits-App mit verhaltenstherapeutischen Übungen für den Alltag entstanden und wer ist die Zielgruppe?
Gesa Müller: Mit der Glücklich-App genannten "Leichten" Gesundheits-App fokussieren wir uns auf den spezifischen Bedarf von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Psychische Erkrankungen sind bei dieser Gruppe besonders häufig. Viele Erkrankungen werden allerdings nur unzureichend diagnostiziert, und es mangelt an zielgruppenspezifischen Therapieangeboten.
Mit unserer App wollen wir ein erstes Angebot schaffen, um die seelische Gesundheit dieser Personengruppe zu verbessern. Die verhaltenstherapeutischen Übungen unterstützen darin, den Selbstwert zu stärken und die eigenen Stärken kennenzulernen. Das Besondere an unserer App ist, dass sie in Leichter Sprache und leicht zu bedienen ist. Letztendlich ist es aber nicht nur ein Angebot für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, sondern für alle Menschen, die sagen: Mir hilft ein Angebot, das leicht bedienbar und leicht verständlich ist.
Gesa Müller
Mit unserer App wollen wir ein erstes Angebot schaffen, um die seelische Gesundheit von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zu verbessern.
TK: Wie werden diese Menschen und ihre Erfahrungen bei der Entwicklung der App mit einbezogen?
Müller: Uns ist die Beteiligung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen bei der Entwicklung der App sehr wichtig. Schon früh haben wir durch Befragungen und Gruppendiskussionen wichtige Erkenntnisse zum Nutzungsverhalten oder zu Gestaltungswünschen gewonnen. So können wir die App möglichst nah an den Bedürfnissen und Wünschen der Zielgruppe entwickeln. Im Projekt haben wir zudem verschiedene Testphasen eingebaut. Der Prototyp der App wird regelmäßig von der Zielgruppe auf Usability, also Bedienbarkeit und Verständlichkeit, geprüft. Sei es bei den Texten in Leichter Sprache, den Bildern oder der grundsätzlichen Bedienung der App. Unser Ziel ist, dass die App von möglichst vielen Menschen selbstständig benutzt werden kann.
TK: Wie ist der aktuelle Stand des Projekts, und wird es am Ende eine wissenschaftliche Evaluation geben?
Müller: Aktuell testen wir die Vollversion der App mit der Zielgruppe und werden anschließend letzte Änderungen vornehmen. Nach der Fertigstellung ist ein breiter Roll-out geplant, damit die kostenlose App möglichst vielen Menschen aus der Zielgruppe und Fachpersonen aus der Arbeit mit Menschen mit Behinderung und/oder Menschen mit psychischen Erkrankungen bekannt wird.
Im weiteren Projektverlauf werden wir auch die Wirksamkeit der App in einer Studie überprüfen. Denn wir wollen nicht nur eine App, die für die Zielgruppe gut nutzbar ist, sondern die auch nachweisbar dazu beitragen kann, die seelische Gesundheit zu verbessern. Dann wäre die Glücklich-App ein wirklich guter Beitrag zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe.
Hintergrund
Das Projekt "'Leichte' Gesundheits-Apps" wird durch die Landesvertretung Hamburg der Techniker Krankenkasse (TK) aus Mitteln der Selbsthilfeförderung sowie durch die Aktion Mensch gefördert.