In den Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) klafft ein großes Loch: Für das kommende Jahr fehlen laut Berechnungen des GKV-Spitzenverbandes und des Bundesgesundheitsministeriums rund 17 Milliarden Euro. Dazu stellen sich vor allem zwei Fragen: Wo kommt das Defizit her und wie will man es ausgleichen?

Teure Gesetze als Ursache

Die Antwort auf die erste Frage ist für einige sicher überraschend. Nicht die Corona-Pandemie ist der zentrale Kostentreiber, sondern insbesondere die teure Gesetzgebung der letzten Legislaturperioden. Leider muss man konstatieren, dass die meisten dieser Gesetze die Versorgung der Versicherten nicht entscheidend verbessert haben. Zusätzlich steigen die Ausgaben für medizinische Leistungen seit Jahren kräftig, unter anderem im Bereich der Arzneimittel. Hinzu kommt, dass sich die durch den Ukrainekrieg und die Corona-Pandemie schwächelnde Konjunktur auch negativ auf die Beitragseinnahmen auswirken wird.

Stefan Groh

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Leiter der TK-Landesvertretung Saarland

Nun zur zweiten Frage: Die Pläne der Bundesregierung rund um Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach, die sich aktuell in Form des GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV FinStG) im Gesetzgebungsverfahren befinden, sind aus meiner Sicht enttäuschend. Mit der nun diskutierten Erhöhung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags der GKV um 0,3 Prozentpunkte, der erneuten Abschmelzung der Krankenkassenreserven, die für eine solide und stabile Finanzplanung nötig sind, sowie dem geplanten Bundesdarlehen an die Krankenkassen und der Entnahme von Reserven aus dem Gesundheitsfonds werden die Beitragszahlenden wieder über Gebühr belastet. Mehr als zwölf der 17 Milliarden würden so zu Lasten der Beitragszahlenden gehen. Eine mehr als ungerechte Verteilung - zumal es hier um eine Lücke geht, die insbesondere aufgrund politischer Entscheidungen der letzten Jahre entstanden ist.

Erneuter Eingriff in die Finanzautonomie

Zusätzlich wird mit diesen Maßnahmen erneut massiv in die Finanzautonomie der Krankenkassen eingegriffen. Damit wird die von den Beitragszahlenden gewählte Selbstverwaltung, die für wichtige Finanzentscheidungen zuständig ist, weiter geschwächt. Das restliche Milliarden-Loch soll unter anderem mit einem erhöhten Steuerzuschuss von zwei Milliarden Euro und Maßnahmen bei Pharmaunternehmen und Leistungserbringern gestopft werden.

Auch wenn damit das Finanzierungsproblem für das kommende Jahr gelöst wäre, was alles andere als sicher ist, ist das keinesfalls eine nachhaltige Lösung. Denn die Maßnahmen beheben keines der ursächlichen Probleme für das Finanzloch. Die Politik muss mit den restlichen Akteuren des Gesundheitswesens dringend überlegen, wie 2024 und in den folgenden Jahren die fehlenden Milliarden ausgeglichen werden können.

Langfristige Lösungen nötig

Daher müssen zwingend längerfristige Lösungen her. Um die Finanzierungsprobleme dauerhaft zu lösen, brauchen wir beispielsweise dringend einen fairen Ausgleich für sogenannte versicherungsfremde Leistungen, also Aufgaben, die die GKV für den Staat übernimmt, sowie grundlegende Strukturveränderungen. Hierfür plädieren wir für einen dynamisierten Bundeszuschuss, der diese Aufwendungen ausgleicht. Ein wichtiger Punkt, der laut Koalitionsvertrag eigentlich vorgesehen war, ist dabei eine ausreichende Finanzierung der GKV-Beiträge für Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld-II. Die bisherigen Überweisungen der Regierung an den Gesundheitsfonds führen zu einem Defizit von mehr als zehn Milliarden Euro jährlich bei den Kassen. Daher hätte eine entsprechende Anpassung nachhaltig zur Stabilisierung der GKV-Finanzen geführt, doch leider fehlt diese wie vieles andere im Kabinettsentwurf.

Mehrwertsteuersenkung auf Arzneimittel sinnvoll

Obwohl im Kabinettsentwurf zum Thema Arzneimittelpreise Maßnahmen genannt werden, wäre auch hier mehr möglich gewesen. Die Pharmazeutische Industrie hat in den vergangenen Jahren kräftig im Bereich der patentgeschützten Arzneimittel verdient und extrem hohe Gewinne erzielt - zulasten des Solidarsystems. Daher müssen wir einen Weg zu faireren Arzneimittelpreisen finden. Zusätzlich sollte eine Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent erfolgen. Es ist unverständlich, wieso der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Grundnahrungsmittel gilt, nicht aber für Medikamente. Daher ist dieser Schritt längst überfällig.