"Wir brauchen eine digitale Infrastruktur, um das Gesundheitswesen besser zu vernetzen"
Interview aus Hessen
Im Interview spricht Kathrin Anders, gesundheitspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, über ihre Vorhaben in dieser Legislatur.

TK: Seit November 2021 sind Sie die gesundheitspolitische Sprecherin Ihrer Fraktion. Warum haben Sie sich für dieses politische (Minen-)Feld entschieden?
Kathrin Anders: Gesundes Aufwachsen und der Erhalt von Gesundheit sind maßgeblich für ein gesundes Leben und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Gesundheit ist also die Grundlage für alles und die Versorgung sollte deshalb allen Menschen gleichberechtigt zuteilwerden. Es ist also die beste Sozialpolitik, die mir als Sozialpädagogin schon immer sehr wichtig war.
Grüne Gesundheitspolitik zeichnet sich dadurch aus, dass sie nachhaltig gedacht wird.
Kathrin Anders
TK: Was ist in Ihren Augen der Kern grüner Gesundheitspolitik?
Anders: Grüne Gesundheitspolitik zeichnet sich dadurch aus, dass sie nachhaltig gedacht wird. Der Fokus liegt also von Anfang an auf der Vermeidung von Krankheiten und der Stärkung von Prävention, um Gesundheit fortlaufend zu erhalten. Um eine bestmögliche Versorgung aller Menschen in unserem Land sicherzustellen, halten wir einen ganzheitlichen Blick auf die Patientinnen und Patienten für unumgänglich. Deswegen ist uns ein vernetztes und kooperierendes Gesundheitssystem enorm wichtig. Alle Akteure sollten den Patienten oder die Patientin in den Mittelpunkt stellen und multidisziplinär behandeln. Dabei ist ein evidenzbasiertes Arbeiten der einzelnen Disziplinen entscheidend, um effektiv handeln zu können.
TK: Bisher waren Sie in Ihrer Fraktion schon für die Themen Geburtshilfe sowie Hebammen zuständig. Welchen Eindruck vom Gesundheitswesen und den handelnden Personen und Organisationen haben Sie dadurch bereits erhalten?
Anders: Das Gesundheitswesen ist ein äußerst komplexes System. Viele Akteurinnen und Aktueure haben unterschiedliche Interessen. Ich denke, es ist unter anderem meine Aufgabe, immer wieder an die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu denken und diese verbessern zu wollen. Dies geht nur gemeinsam mit allen Beteiligten und deswegen sind die Bedingungen, unter denen die einzelnen Akteurinnen und Akteure arbeiten, besonders in den Blick zu nehmen.
TK: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen im hessischen Gesundheitswesen?
Anders: Das hessische Gesundheitswesen kann nicht singulär gesehen werden. Es ist eingebunden in Gesetzesgrundlagen des Bundes und in andere äußere Infrastrukturbedingungen. Hier sehe ich drei große Herausforderungen für eine bessere Versorgung:
- Wir brauchen eine digitale Infrastruktur, um das Gesundheitswesen besser zu vernetzen und Patientenversorgung optimal zu gewährleisten.
- Wir müssen an allen Stellschrauben drehen, um dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen entgegentreten.
- Wir müssen in ganz Hessen gesundheitliche Versorgung sicherstellen - also auf dem Land genauso, wie in der Stadt.
Ein besonderes Anliegen ist mir ein gesundes Aufwachsen von allen Kindern und Jugendlichen.
TK: Auf welche Bereiche werden Sie als gesundheitspolitische Sprecherin Ihren Fokus setzen?
Anders: Ein besonderes Anliegen ist mir ein gesundes Aufwachsen von allen Kindern und Jugendlichen und beste Prävention, für ein gesundes körperliches und mentales Leben. Die mentale Gesundheit und die Prävention für deren Erhalt, sehe ich als eine dringende Aufgabe - gerade nach der Zeit der Pandemie. Hierfür werde ich mich besonders einsetzen.
TK: Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass viele im Koalitionsvertrag formulierte Vorhaben der Hessischen Landesregierung noch nicht oder verzögert in Angriff genommen werden konnten. Die Legislatur läuft noch knapp zwei Jahre. Welche Ziele des Koalitionsvertrags sollten aus Ihrer Sicht vorrangig angegangen werden?
Anders: Kürzlich haben wir die Landarztquote im hessischen Landtag verabschiedet und damit einen wichtigen Punkt des Koalitionsvertrag abgearbeitet. Auch das Gesetz für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), mit dem der ÖGD eine deutlich verbesserte Ausstattung erhalten wird, ist vor Kurzem beschlossen worden, ebenso das Psychisch-Kranken-Hilfegesetz. Hier sind überall wichtige Weichen gestellt worden, um die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger in Hessen zu verbessern. Als nächstes gilt es, die Gesundheitszentren in jedem Landkreis zu etablieren. Besonders freue ich mich auf die Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches Geburtshilfe, der mir von Beginn der Legislatur an besonders wichtig war.
TK: Was sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Hebel, um bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens voranzukommen?
Anders: Ich denke, die Infrastruktur, die vom Hessischen Digitalministerium mit Hochdruck verbessert wird, ist ein wichtiger Teil. Der andere Punkt ist, dass die gesetzlichen Grundlagen im Bund eindeutig geregelt werden und Barrieren abgebaut werden. Ein digitaler Mutterpass, der nur von Ärztinnen und Ärzten eingesehen werden, aber nicht von Hebammen genutzt werden kann, trägt sicher nicht zu mehr Patientensicherheit bei. Ähnliche Problematiken sehe ich auch bei der elektronischen Patientenakte, die ich für dringend erforderlich halte.
TK: Worauf freuen Sie sich persönlich am meisten, wenn die Pandemie vorbei ist?
Anders: Ich habe dieses Jahr einen runden Geburtstag vor mir und es würde mich sehr freuen, wenn ich diesen mit vielen Freundinnen und Freunden feiern könnte. Meine Kontakte waren in den letzten zwei Jahren sehr eingeschränkt und ich vermisse echte Begegnungen und den Kontakt zu engen Vertrauten.
Zur Person
Kathrin Anders wurde 1982 in Bad Vilbel geboren. 2004 schloss sie eine Ausbildung zur Erzieherin ab und 2010 ein Studium als Diplom-Sozialpädagogin. Seit 2009 ist Anders Mitglied bei Bündnis90/Die Grünen. Von 2017 bis 2019 war sie Beisitzerin im Landesvorstand ihrer Partei. Seit 18. Januar 2019 ist sie Abgeordnete des Hessischen Landtags. Anders ist Mitglied im Kulturpolitischen Ausschuss sowie im Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss. Seit November 2021 ist sie gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion.