Nachhaltige Gesundheitsversorgung: Jetzt die richtigen Entscheidungen treffen
Position aus Rheinland-Pfalz
Ein Standpunkt von Jörn Simon, dem Leiter der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz.

Das deutsche Gesundheitssystem steht vor großen und komplexen Herausforderungen. Steigende Kosten, verbesserungswürdige Versorgungsstrukturen und ungenutzte Digitalisierungspotenziale gilt es anzugehen. Der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse, Dr. Jens Baas, warnt bereits, dass die Krankenkassenbeiträge in diesem Jahrzehnt auf bis zu 20 Prozent ansteigen könnten - wenn nicht gegengesteuert wird.
Jörn Simon
Nach dem Ampel-Aus im November 2024 und der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025 braucht es einen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik. Um die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) nachhaltig zu stärken, sind weitreichende Reformen unverzichtbar, insbesondere in den Bereichen Finanzen, Pflege und Digitalisierung. Wichtig sind zudem ein besserer Zugang zu Versorgung, eine Stärkung des Wettbewerbs sowie mehr Prävention und Nachhaltigkeit. Die kommende Bundesregierung muss die Weichen stellen, um die Gesundheitsversorgung effizient und zukunftssicher zu gestalten.
Sichere, nachhaltige Finanzplanung garantiert stabile Beiträge
Die finanzielle Situation der GKV ist besorgniserregend - und das ist spürbar. Steigende Ausgaben - bedingt durch teure Gesetzgebung, kostspielige Arzneimittelpreise und den demografischen Wandel - führen zu höheren Sozialversicherungsbeiträgen für Versicherte und Arbeitgeber. Ohne entschlossene Gegenmaßnahmen seitens der Politik droht ein weiterer Anstieg der Beitragssätze.
Was ist zu tun? Zunächst braucht es ein wirksames Sofortprogramm, um die Kosten zu stabilisieren. Dynamisierte Steuerzuschüsse sollten dabei ganz oben auf der Agenda stehen. Ein Grundsatz, den wir dabei nicht vergessen dürfen: staatliche Aufgaben müssen auch staatlich finanziert werden. So muss beispielsweise die Kostenübernahme für die Gesundheitsversorgung der Bürgergeldempfängerinnen- und -empfänger korrigiert werden. Der Staat erstattet der GKV 9,2 Milliarden Euro zu wenig für diese Leistungen, die Beitragszahlenden müssen für diese "Lücke" aufkommen. Eine vollständige Kostendeckung durch den Staat ist hier dringend nötig, um die GKV finanziell zu entlasten und die Beitragssätze stabil zu halten.
Eine weitere konkrete Maßnahmen könnte die Erhöhung des Herstellerabschlags bei Medikamenten (eine Steigerung von sieben auf 12 Prozent brächte eine Entlastung von zwei Mrd. Euro) sein. Auch die Einführung von sogenannten Fokuslisten bei patentgeschützten Arzneimitteln, die Auswahlmöglichkeiten bei vergleichbaren Alternativen ermöglichen würden, sind absolut sinnvoll, um die Preisexplosion zu stoppen. Ebenso wichtig sind die Ausschreibungen in der Hilfsmittelversorgung und die Rückkehr zur einnahmeorientierten Ausgabenpolitik durch die Bindung an die sogenannte Grundlohnsumme bei Heilmitteln.
Aber wir dürfen nicht nur auf kurzfristige Lösungen setzen. Unser Gesundheitssystem braucht langfristige Reformen, die Strukturen effizienter machen und sicherstellen, dass Ressourcen bedarfsgerecht eingesetzt werden. Nur so können wir die finanzielle Stabilität sichern.
Digitalisierung: Chancen nutzen, Versorgung verbessern
Die Digitalisierung bietet enorme Chancen, die Gesundheitsversorgung leistungsfähiger und patientenorientierter zu gestalten. In den vergangenen Jahren wurden bereits wichtige Schritte unternommen, wie etwa die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Doch es bleibt viel zu tun, um ihren Mehrwert für die Versicherten zu steigern.
Um den Zugang zu Versorgungsmöglichkeiten zu vereinfachen, ist die Vernetzung zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie anderen Leistungserbringenden entscheidend. Eine reibungslose Kommunikation und ein besserer Austausch von Informationen können dazu beitragen, dass Patientinnen und Patienten schneller die passende Behandlung erhalten. Telemedizinische Angebote sollten hierbei eine Schlüsselrolle spielen, indem sie den Zugang zu ärztlicher Versorgung erleichtern und Wartezeiten reduzieren.
Auch die Terminvermittlung muss stärker digitalisiert und zentralisiert werden, etwa durch den Ausbau von Terminservice- und Vermittlungsstellen. Diese sollten besser mit bestehenden Systemen wie der ePA vernetzt werden, damit die Patientenversorgung nahtloser abläuft.
Und dann ist da noch das Potenzial von Künstlicher Intelligenz (KI). Damit könnten Diagnosen präziser gestellt, Risiken früher erkannt oder Prozesse automatisierter werden. Das erhöht die Versorgungsqualität, entlastet das medizinische Personal und schafft mehr Zeit für Patientinnen und Patienten.
Darüber hinaus sollten vorhandene Gesundheitsdaten sinnvoll zusammengeführt werden, um die Prävention und die Versorgung weiter zu verbessern. Durch eine gezielte Datennutzung lassen sich individuelle Gesundheitsrisiken frühzeitig erkennen und passgenaue Präventionsangebote entwickeln. Selbstverständlich muss dabei der höchste Sicherheitsstandard beim Datenmanagement gewährleistet sein.
Entschlossen handeln für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem
Die kommenden Jahre sind entscheidend für unser Gesundheitssystem. Es braucht klare Entscheidungen und mutige Reformen, um die Gesundheitsversorgung auf einem hohen Standard zu gewährleisten. Die TK hat hierzu konkrete Vorschläge erarbeitet, die als Grundlage für die gesundheitspolitische Agenda der nächsten Legislaturperiode dienen soll. Gemeinsam können wir ein Gesundheitssystem etablieren, das nachhaltig, fair, solidarisch und zukunftssicher ist - für eine bessere Lebensqualität aller Versicherten.