TK: Frau Austenat-Wied, sind Sie als Landeschefin einer großen Krankenkasse mit der Versorgungsqualität in Mecklenburg-Vorpommern zufrieden?

Manon Austenat-Wied:  Mecklenburg-Vorpommern verfügt über vier Maximalversorger, 33 weitere stationäre Einrichtungen, über 2.400 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeutinnen sowie rund 700 Angestellte  dieser beiden Berufsgruppen. Sowohl die Einrichtungen als auch die niedergelassenen Kollegen leisten gemeinsam mit den Pflegekräften und weiteren unterstützenden Berufsgruppen eine wichtige und i.d.R. qualitativ hochwertige Arbeit. Diesen Eindruck unterstreichen auch die Prüfberichte des Medizinische Dienst (MD) in Mecklenburg-Vorpommern. Die Prüferinnen und Prüfer des MD haben im ersten Pandemiejahr 221 Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern erstellt. Bei 63 davon sahen sie den vermuteten Fehler als erwiesen an. In den ambulanten und stationären Strukturen unseres Landes entstehen jährlich über eine Million Versorgungsfälle. Der niedrige Anteil von aktenkundigen Behandlungsfehlern ist ein Indiz für die Versorgungsqualität. Gleichzeitig ist es wichtig, die aufgetretenen Behandlungsfehler nicht als Einzelfälle abzutun. Hinter jedem fehlerhaften medizinischen Eingriff stecken Schicksale. Sowohl bei den Patientinnen und Patienten und ihren Familien, als auch bei den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie den beteiligten Pflegekräften. Hinzukommt, dass Behandlungsfehler nur einen Teilaspekt der Gesamtversorgungsqualität abbilden. 

Aus Sicht des einzelnen Patienten bzw. einer einzelnen Patientin ist eine zufriedenstellende Versorgungsqualität nur dann erreicht, wenn die Behandlung auch in einem optimalen Behandlungsergebnis mündet.

TK: Halten Sie diese Vorstellung von einem perfektem Gesundheitssystem für überhaupt erreichbar?

Austenat-Wied: Natürlich ist es ein sehr ambitioniertes Ziel, wenn wir an vollkommene Fehlerfreiheit denken. Allerdings meine ich mit einem optimalen Behandlungsergebnis nicht hundertprozentige Perfektion. Wichtig ist, dass Prozesse, Strukturen und Vorgänge in unserem Gesundheitssystem so ausgelegt sind, dass am Ende der Versorgung ein optimaler Behandlungsverlauf steht. Eine aktive Fehlervermeidungskultur ist ein wichtiger Baustein, damit etwaige Problemketten durchbrochen werden. Eingespielte Teams, gut ausgebildete und erholte Fachkräfte sowie moderne Behandlungsverfahren sind für qualitativ hochwertige Behandlungsergebnisse Grundvoraussetzung. 

Weiterhin verspreche ich mir durch den Einsatz digitaler Hilfsmittel einen echten Qualitätsschub für die Versorgung. Fehlmedikationen, übersehene Begleiterkrankungen oder fehlende Befunde sollten durch digitale Anwendungen und die elektronische Patientenakte der Vergangenheit angehören. Denn digitale Technologien können ein Hilfsmittel sein, um menschliche Fehler zu verhindern und gleichzeitig dazu dienen, das endliche menschliche Wissen sekundenschnell zu erweitern.

TK: Haben Sie konkrete Vorschläge, wie die Behandlungsqualität im Gesundheitswesen gesteigert werden kann?

Austenat-Wied:  Grundsätzlich gibt es bereits zahlreiche gute Ansätze in unserem System, um die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zu messen. Aus meiner Sicht nutzen wir diese Erkenntnisse allerdings noch nicht genug als Steuerungsinstrumente. Wir wissen beispielsweise, dass die Konzentration von bestimmten stationären Eingriffen in Versorgungszentren sich positiv auf die Behandlungsqualität auswirkt. Gleichzeitig sind bei wenigen spezialisierten Zentren die Arbeitskräfte routinierter in ihrer Tätigkeitsausführung und das ohnehin landesweit immer kleiner werdende Fachkräftereservoir wird geschont. Dennoch schrecken wir als öffentliche Institutionen gemeinsam mit den Politikerinnen und Politikern vor einem klaren Qualitätskurs in der Ausrichtung unserer Versorgungsstrukturen zurück. Hier wünsche ich mir eine - wie im Rahmen des Gutachtens zur Enquete-Kommission der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern oftmals angemahnt - stärkere Patienten- und Qualitätsorientierung. Denn nur wenn wir als Hauptziele im Gesundheitswesen eine hohe Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten, eine gute Erreichbarkeit bei  gleichzeitiger Finanzierbarkeit der Angebote im Fokus haben, können wir die qualitativ hochwertige Versorgung im Land langfristig gewährleisten.

Manon Auste­nat-Wied

Manon Austenat-Wied, Leiterin der TK-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiterin der TK-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern