Mich beschäftigen in dieser bewegten Zeit viele Themen die direkt und indirekt mit dem Gesundheitswesen zusammenhängen. Die derzeitige Infektionslage ermöglicht es, dass Veranstaltungen wie die TK-Jahresfachtgung, wieder als Präsenzformat stattfinden. Das verdanken wir auch unseren Anstrengungen der letzten Jahre. Die meisten von uns sind gegen SARS-CoV-2 geimpft, viele genesen, sodass unser Immunsystem ganz gut vorbereitet sein sollte. Trotzdem müssen wir wachsam und sorgsam sein, denn das Virus bleibt gefährlich. Es ist gut möglich, dass uns im Herbst eine Infektionswelle erwartet, die den vorherigen in nichts nachsteht. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Wir müssen die vulnerablen Gruppen schützen und die kritische Infrastruktur funktionsfähig halten.

Die Pandemie hat uns alle in eine Extremsituation gebracht. Und sie hat uns Folgendes klargemacht:

  • Gesundheit ist unser höchstes Gut.
  • Wir brauchen das soziale Miteinander wie die Luft zum Atmen. Auch dies ist ein wichtiger Aspekt der Gesundheit.
  • Einige von uns sind besonders verwundbar und benötigen daher ganz besonderen Schutz.

Das sind gewiss alles keine neuen Erkenntnisse. Aber sie wurden uns in der Pandemie so deutlich wie nie zuvor vor Augen geführt.

Erfahrungen aus der Pandemie nutzen

Die Pandemie hat schonungslos offengelegt, dass wir bei der Digitalisierung, gerade im Gesundheitswesen, einiges aufzuholen haben. Der Klassiker schlechthin ist natürlich das Fax - nicht nur für die Übermittlung von Daten im öffentlichen Gesundheitsdienst. Sondern inzwischen anscheinend fast wie ein Running Gag auch als Sinnbild umständlicher und altmodisch agierender Behörden. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir auch hier schon auf dem Weg sind, Prozesse einfacher, digitaler und effizienter zu gestalten. Ich sehe aber nicht nur Defizite, sondern auch etwas Positives: Die Bereitschaft der Menschen, digitale Lösungen zu nutzen, ist hoch. Wer von uns hätte vor zwei Jahren beispielsweise gedacht, dass wir so routiniert online über Videokonferenzsysteme zusammenarbeiten würden? Gewiss ist das nicht dasselbe wie die digitale Transformation des Gesundheitswesens, aber hierauf kann man aufbauen.

Digitalisierung in allen Gesellschaftsbereichen spürbar

Die Bereitschaft, im Alltag digitale Lösungen einzusetzen, ist da. Das heißt natürlich nicht, dass wir reibungslos in die digitale Zukunft durchstarten. Hier gibt es noch einige Hürden - das sehen wir gerade im Gesundheitsbereich. Digitale Lösungen müssen ihre Vorteile und ihren Mehrwert unter Beweis stellen. Und sie müssen gleichzeitig sicherstellen, dass sie den Anwendern nicht mehr Arbeit machen, sondern weniger. Deshalb ist es so wichtig, dass wir ausprobieren. Einfach machen. Modellprojekte initiieren und diese bei positivem Verlauf verstetigen.

Das ist der Weg, den wir gemeinsam gehen müssen. Denn eigentlich haben wir gar keine andere Chance. Zumindest aus meiner Sicht. Weil wir innovativ sein müssen, um unsere Gesundheitsversorgung in der Breite, in der Fläche und auf hohem Niveau für die Zukunft zu sichern. Die Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern wird im Schnitt älter. Damit werden chronische Erkrankungen und insgesamt die Zahl der behandlungsbedürftigen Patientinnen und Patienten zunehmen. Das ist ein großes Dilemma, denn der gestiegenen Nachfrage nach Gesundheitsleistungen steht ein gleichzeitig immer knapperes Versorgungsangebot gegenüber. Dies muss auch noch über zunehmend größere Distanzen zugänglich gemacht werden. Und das Ganze vor dem Hintergrund eines Personalmangels in allen Bereichen des Gesundheitswesens und den bekannten wirtschaftlichen Zwängen. Hier sind gemeinsame weitere Anstrengungen notwendig. 

Patientenbedarfe langfristig befriedigen

Wie sind wir gut versorgt, jetzt, in der Zukunft, 2025 und darüber hinaus? Da hilft es zu fragen: Was möchten wir selbst, insbesondere, wenn wir älter werden? Wir wollen dort wohnen bleiben, wo wir zu Hause sind und uns wohl fühlen. Wir wollen hausärztlich und fachärztlich gut versorgt sein, wenn wir dies brauchen. Wir wollen im Alter selbstständig unseren Alltag gestalten und mobil bleiben. So lange wie möglich. Das sind relativ schlichte Wünsche, aber große Herausforderungen für das Gesundheitssystem.

Die Digitalisierung kann helfen. Sie kann durch die Nutzung von Effizienz- und Synergiepotenzialen in den Behandlungsprozessen Abhilfe schaffen und eine Antwort auf diese Entwicklungen sein. Die Anwendungsbeispiele sind zahlreich: Spitzenmedizin kann ortsunabhängig telemedizinisch angeboten werden. Der Notarzt kann als "Telenotarzt" aus der Ferne hinzugezogen werden. Mit der elektronischen Patientenakte stehen zum Beispiel weiterbehandelnden Ärzten sämtliche Arztberichte und Befunde zur Verfügung, ohne dass diese erst in Papierform übersandt werden müssen. Mit digitalen Gesundheitsanwendungen - DiGA - und Digitalen Pflegeanwendungen - DiPA - stehen Patientinnen und Patienten zur Unterstützung ihrer Behandlung nützliche Tools zur Verfügung. Sie können analog zu Medikamenten verschrieben werden. 

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Ideen, wie Prozesse in den Krankenhäusern, den Arztpraxen und zum Beispiel auch Pflegeeinrichtungen dank digitaler Lösungen effizienter gestaltet werden können. Dahinter steckt ein eigentlich simpler Gedanke: wenn Digitalisierung die Menschen unterstützt, bleibt den Menschen mehr Zeit für die wesentlichen, menschlichen Aufgaben - Zuwendung und Pflege etwa. Somit kann Digitalisierung sogar Menschen zusammenbringen. Digitalisierung kann helfen, Patienten zu überwachen und damit zu mehr Versorgungssicherheit und effizienterem Ressourceneinsatz führen.

Auf mehreren Ebenen hilft uns Digitalisierung dann dabei, das vorhin genannte Dilemma der Gesundheitsversorgung zu lösen. Aber sie ist auch nur ein Instrument, das wir in die Hand nehmen müssen. Allein mit digitalisierten Prozessen werden wir dem sich verstärkenden Mangel an medizinischen Fachkräften nicht Herr werden. Hier müssen die Ausbildungsmöglichkeiten und die Attraktivität der Berufe gesteigert werden. Das greift natürlich alles ineinander. Wenn die medizinischen Fachkräfte in ihrem Arbeitsalltag entlastet werden, zum Beispiel von Bürokratieaufgaben mit Hilfe digitalisierter Prozesse, dann erhöht das auch die Attraktivität des Berufsfeldes. 

Modernisierung des Gesundheitswesens ganzheitlich angehen

Die Modernisierung des Gesundheitswesens müssen wir als großes Ganzes denken. Die Landesregierung setzte daher nach Beschluss des Landtages eine Kommission zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens in Mecklenburg-Vorpommern ein. Hier werden Vertreterinnen und Vertreter der Leistungserbringer, sowie der Patientinnen und Patienten, der Kassen und der Gebietskörperschaften neue Konzepte diskutieren und in die Umsetzung bringen. Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Landtagsabgeordneten und Vertretern der Landesregierung. Dort werden wir uns über die ersten Arbeitsaufträge abstimmen. Dazu sei zum einem die Entwicklung eines Zielbildes für die pädiatrische und geburtshilfliche Versorgung in unserem Land genannt. Gerade hier stehen wir vor großen strukturellen Herausforderungen. Besonders in den so wichtigen Bereichen wie Geburtshilfe und Pädiatrie macht sich die unheilvolle Allianz aus demografischem Wandel, Fachkräftemangel und wirtschaftlichen Faktoren besonders bemerkbar. Hier sehen wir als Landesregierung besonders dringenden Handlungsbedarf, um eine zuverlässige Versorgung auf hohem Niveau flächendeckend zu sichern. Zum anderen widmet sich ein weiterer Arbeitsauftrag der Umsetzung der Gesundheitsziele in MV im Rahmen der Arbeit des Aktionsbündnisses Gesundheit. Dies unterstreicht die besondere Bedeutung der Prävention für die Gesundheit.

Alle Maßnahmen zusammen sind ein Kraftakt. Aber einer, der notwendig ist, die Gesundheitsversorgung für die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern zu sichern. Und einer, der nur gemeinsam gelingen kann. Ich freue mich, dass wir all dies zusammen angehen!