Lange erwartet und mehrfach verschoben, doch nun liegt er vor: der Gesetzentwurf zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinStG). Gerade noch rechtzeitig, um die Weichen für das kommende Jahr zu stellen. Doch leider reichen die Vorschläge weder aus, um die zu erwartende Finanzierungslücke zu schließen, noch beheben sie deren strukturelle Ursachen. Vielmehr verschiebt die Koalition die Lösung der bekannten Probleme der GKV-Finanzierung auf dem Rücken der Beitragszahler um ein weiteres Jahr nach hinten. 

Die Finanzsituation in der gesetzlichen Krankenversicherung ist weiterhin angespannt. Bereits im vergangenen Jahr musste der Bund die Krankenkassen mit einem Bundeszuschuss in Höhe von 28,5 Milliarden Euro stützen. Wer jetzt meint, dies sei der Pandemie geschuldet, der irrt. Die kostspieligen Gesetze der vergangenen Jahre zeigen nun ihre Wirkung. 

Sabrina Jacob

Sabrina Jacob, Leiterin der TK-Landesvertretung Bremen Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiterin der TK-Landesvertretung Bremen

Doch das, was der Bundesgesundheitsminister als Vorschlag vorgelegt hat, ist keine zukunftsfähige Lösung. So sind die geplanten Maßnahmen weder nachhaltig noch gerecht verteilt. Durch das Abschmelzen der Reserven und die Erhöhung der Beitragssätze werden insbesondere die Beitragszahlenden betroffen sein und mit 12 Milliarden Euro über 70 Prozent des Fehlbetrages tragen.  

Auch eine solide, wirtschaftliche und krisenresistente Haushaltführung wird zukünftig nicht mehr möglich sein. Den Krankenkassen soll so ein enges Korsett umgelegt werden, dass unterjährige Ausgabenschwankungen nicht mehr abgefedert werden können, da es an Toleranzen fehlt. Die Folge: vermehrte Beitragsschwankungen und ein zunehmender Preiswettbewerb zu Lasten der Qualität in der Versorgung. 

Nutznießer wird die private Krankenversicherung (PKV) sein, da bei steigenden Beiträgen ein Wechsel in die PKV attraktiver wird. Das wird einen Rattenschwanz nach sich ziehen: Je mehr Mitglieder die solidarisch finanzierte gesetzliche Krankenversicherung verlassen - und das sind vielfach gutverdienende freiwillig Versicherte - desto mehr wird auch für kommende Jahre die Beitragssituation in der GKV geschwächt.  

Die weiteren Maßnahmen gehen zwar in die richtige Richtung, werden aber voraussichtlich nicht die geplante Wirkung entfalten. Zum Teil sind sie auch nur befristet oder wirken sich nicht im kommenden Jahr positiv auf die Ausgaben aus. 

Wir brauchen wirkliche strukturelle Veränderungen, diese stehen zum Teil sogar bereits im Koalitionsvertrag, z.B. die regelhafte Dynamisierung des Bundeszuschusses und die Anhebung der Finanzierung der GKV-Beiträge von ALG-II-Beziehenden. 

Bleiben wir bei diesem Beispiel: Aktuell zahlt der Bund der GKV für die ALG II-Beziehenden pauschale monatliche Beiträge. Diese betrugen im Jahr 2021 insgesamt rund 5 Milliarden Euro. Diese Pauschale deckt die Leistungsausgaben der GKV für ALG-Beziehende jedoch bei weitem nicht ab. Basierend auf Zahlen von 2021 beläuft sich ein kostendeckender Beitrag auf rund 334 Euro im Monat. Damit wird ein beträchtlicher Teil der Finanzierung der medizinischen Fürsorge für diesen Personenkreis, die eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, auf die Solidargemeinschaft der GKV-Beitragszahler überwälzt. Würde die medizinische Versorgung der ALG-II-Beziehenden jedoch kostendeckend erfolgen und nicht danach welche Haushaltsmittel die jeweilige Regierung bereit ist zur Verfügung zu stellen, würden bereits 10 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen. 

Wenn die Koalition jetzt nicht mehr umschwenkt und sich auf nachhaltige Maßnahmen einigt, wird es im kommenden Jahr ein weiteres Kostendämpfungsgesetz geben müssen. Wir brauchen aber eine dauerhafte Lösung, die sowohl die langfristige Ausgabenentwicklung als auch eine gerechte Verteilung der Lasten im Blick hat.