Glosse: Der Rückschlag liegt im Feld der Adds
Artikel aus Berlin/Brandenburg
Wenn es in der Politik plastisch werden soll, werden meist Fußballmetaphern genutzt. Ein Plädoyer für mehr sprachlich-sportliche Diversität.

Die sprachliche Verödung der Politik ist ein gern beklagtes Thema im deutschen Feuilleton. Personifizierte Ausnahme der Regel: Robert Habeck, der Hölderlin zitierend den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreibt. Aber tatsächlich gibt es einige rhetorische Dauerbrenner der politischen Kommunikation.
Fußball-Floskeln besonders beliebt
Gern gesehen sind Metaphern aus dem Sport, insbesondere Fußball - das zeigt Fachwissen und Verbundenheit mit der Bevölkerung. Bestes Beispiel: "Der Ball liegt jetzt im Feld von…" - eine schöne Umschreibung für "Jetzt müssen die anderen mal machen."
Je länger man drüber nachdenkt, desto schiefer scheint das Bild zu sein. Denn kann man sich beim Fußball nicht in das Feld des anderen bewegen? Und ist Ballbesitz nicht gerade Ziel des Spieles? Oder liegt der Ursprung des Spruches vielleicht doch beim Tischkicker? Wenn ja, würden sich neue Möglichkeiten ergeben: "Der Ball liegt an einem Punkt, wo die Spieler ihn nicht erreichen und eine Lösung unmöglich erscheint." (Huhu, Bürgerversicherung)
Deshalb im Sinne der Würdigung kleinerer Sportarten und der sprachlichen Vielfalt: auf zu neuen Ufern. Karl Lauterbach spielt Tischtennis. Ein "Rückschlag" ist dort der Versuch, einen Aufschlag zurückzuspielen - das ermöglicht neue Deutungsmöglichkeiten politischen Handelns. "Schupfen" bedeutet, einen Ball mit Unterschnitt über das Netz zu spielen - das könnte ein neues Synonym für "trickreiches, elegantes Vorgehen" werden.
Sprachliche Vielfalt kann so einfach sein
Oder man wandert gut gelaunt ins Digitale. In den eSports spricht man manchmal von "Adds" - schwächeren Monstern, die ihren Boss begleiten. Auf ein Beispiel verzichten wir an dieser Stelle, da wir nicht wissen, ob das von der Kunstfreiheit gedeckt wäre.
Diese zwei Beispiele zeigen, wie einfach sprachliche Vielfalt sein kann. Zur Freude der mit weniger Aufmerksamkeit und Geld bedachten Sportarten sowie der Redakteurinnen und Redakteure deutscher Qualitätsfeuilletons. Und mehr Freude können wir in diesen Zeiten alle gebrauchen.