Zum 1. Januar ist das neue Landesamt für Gesundheit und Pflege (HLfGP) an den Start gegangen. Im Interview erläutert Hessens Sozialminister Kai Klose, warum Hessen die neue Behörde braucht und wie sie sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln soll.

TK: Das neue Landesamt für Gesundheit und Pflege soll ein Bindeglied zwischen den Gesundheitsämtern vor Ort und dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) als oberste Gesundheitsbehörde sein. Sie sagen, die Pandemie habe gezeigt, dass Hessen ein solches Bindeglied brauche. Wo genau lagen die Defizite?

Kai Klose: Die Coronapandemie hat besonders sichtbar gemacht, wo die bisherige Struktur der Gesundheitsverwaltung mit ihren komplexen Abstimmungsprozessen in Krisensituationen an ihre Grenzen stieß. Zuvor sah dies so aus: Zentraler Akteur sind die kommunalen Gesundheitsämter, deren Fachaufsicht vom Regierungspräsidium (RP) Darmstadt wahrgenommen wurde. Das bisherige Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen war beim RP Gießen angesiedelt und leistete wissenschaftliche Unterstützung. Fach- und Dienstaufsichten waren getrennt. Dies alles hat schnelles Abstimmen, Entscheiden und Handeln erschwert. 

Kai Klose

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Minister für Soziales und Integration, Hessen

Unser neues Hessisches Landesamt für Gesundheit und Pflege nimmt künftig eine zentrale Rolle bei der Bewältigung gesundheitlicher Krisensituationen ein. Kai Klose

TK: Wie wird das neue Amt diese festgestellten Defizite lösen?

Klose: Unser neues Hessisches Landesamt für Gesundheit und Pflege nimmt künftig eine zentrale Rolle bei der Bewältigung gesundheitlicher Krisensituationen ein, vermittelt zwischen der obersten und den unteren Gesundheitsbehörden und unterstützt als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis die Gesundheitsämter zusätzlich beratend.

Im HLfGP sind die bisher fragmentierten Zuständigkeiten der Gesundheitsverwaltung an einem einzigen Ort gebündelt. Es unterstützt außerdem den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) in Hessen, indem es eine Koordinierungsfunktion für ein möglichst gemeinsames Handeln der Gesundheitsämter übernimmt. Wichtige Aufgaben der staatlichen Gesundheitsverwaltung werden so noch effizienter und wirksamer wahrgenommen und Arbeitsabläufe optimiert.

TK: Was sind die genauen Aufgaben des neuen Landesamts? 

Klose: Für die einzelnen Aufgabenbereiche werden in enger Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern als den Akteuren in der Praxis Standards erarbeitet, die - vor allem im Krisenfall - als gemeinsame Handlungsleitlinien dienen. Dabei wird das HLfGP eng mit unserem neuen Lehrstuhl für Öffentliches Gesundheitswesen an der Uniklinik Frankfurt zusammenarbeiten, den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis unterstützen und wissenschaftliches Arbeiten in den Ämtern fördern. Gemeinsam mit der Akademie für Öffentliches Gesundwesen in Düsseldorf, zu deren Trägerländern auch Hessen gehört, wird das HLfGP die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Berufsgruppen des Öffentlichen Gesundheitsdiensts in Hessen weiter ausbauen. Eine seiner wichtigsten Aufgaben ist auch, Gesundheitsdaten zu erfassen, zu verarbeiten und zur wissenschaftlichen Auswertung bereitzustellen.

Der öffentliche Gesundheitsdienst ist nicht das alleinige Aufgabenfeld des neuen Amts. Kai Klose

Der ÖGD ist ein wichtiges, aber nicht das alleinige Aufgabenfeld des HLfGP. Das HLfGP ist ebenso verantwortlich für zum Beispiel die Pflegeaufsicht, die Arzneimittelsicherheit und die Sicherstellung der Qualifikation akademischer und nicht-akademischer Gesundheitsberufe.

TK: Welche Kompetenzen müssen die Gesundheitsämter künftig abgeben? Wie reagieren die Ämter auf diese Einschränkung ihres Handlungsspielraums?

Klose: Sowohl von den Gesundheitsämtern selbst als auch von den kommunalen Spitzenverbänden wurde der Wunsch nach einer solchen Institution auf Landesebene geäußert und aufgrund der Erfahrungen während der Pandemie noch einmal bekräftigt. Im Landesamt für Gesundheit und Pflege konzentrieren wir die Kompetenzen, die bisher auf die Regierungspräsidien Darmstadt und Gießen sowie das Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen verteilt waren, sodass zentrale Expertise entsteht, um die Gesundheitsämter zu unterstützen und zu entlasten. 

Es wird zentrale Expertise entstehen. Kai Klose

Die immer komplexeren Strukturen und Prozesse des öffentlichen Gesundheitswesens auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene erfordern eine strategische Ausrichtung und Bündelung der notwendigen Ressourcen, die wir mit der hohen fachlichen Expertise der neuen Behörde herbeiführen.

TK: Das neue Amt soll künftig anonymisiert und zentral Gesundheitsdaten erfassen und analysieren. Welche Daten werden dies sein und welche Erwartungen haben Sie an die Datenerfassung und -auswertung?

Klose: Im öffentlichen Gesundheitswesen wird eine Vielzahl von Daten erfasst, verarbeitet und ausgewertet. Das geschieht bislang durch unterschiedliche Akteure an unterschiedlichen Stellen des Gesundheitswesens. Durch eine Zentralisierung der Datenhaltung am HLfGP soll - vor allem im Krisenfall - ein schneller und direkter Zugriff auf anonymisierte Daten des öffentlichen Gesundheitswesens gewährleistet werden. Ein einheitliches Datenmanagement trägt auch zu einer Verbesserung der Datenqualität bei. Auch soll künftig eine Verknüpfung von Daten möglich werden. Ziel ist, eine hessenweite Vergleichbarkeit von Ergebnissen der einzelnen Gebietskörperschaften zu erreichen. Auf dieser Basis lassen sich gezielte Maßnahmen zum Beispiel des Infektions- und Gesundheitsschutzes, der Prävention oder der Kindergesundheit deutlich besser ableiten. Im HLfGP wird dazu eine eigene Abteilung aufgebaut. Expertinnen und Experten erarbeiten derzeit in einer Arbeitsgruppe die strukturellen und technischen Voraussetzungen.

TK: In einer Pressemitteilung Ihres Hauses werden Sie mit der Aussage zitiert, das neue Landesamt werde einen Beitrag dazu leisten, Hessen "gesünder und gerechter" zu machen. Was meinen Sie mit Gerechtigkeit in diesem Zusammenhang?

Wir stärken das Recht auf eine bestmögliche Gesundheitsversorgung. Kai Klose

Klose: Jede Hessin und jeder Hesse hat ein Recht auf eine bestmögliche Gesundheitsversorgung. Durch Bündelung unterschiedlicher Zuständigkeiten aus den Bereichen Gesundheit und Pflege im HLfGP stärken wir die hessische Gesundheitsverwaltung und damit auch das Recht auf eine bestmögliche Gesundheitsversorgung. In diesem Sinne macht das HLfGP unser Land gesünder und gerechter.

TK: Bislang wurde in den Aufgabenbeschreibungen des neuen Amtes noch nicht explizit das Thema Prävention genannt. Doch gerade in diesem Bereich könnten die Städte und Kommunen durchaus Unterstützung gebrauchen. Welche Aufgaben könnte das neue Amt im Bereich der kommunalen Gesundheitsförderung übernehmen?

Klose: Sinnvoll ist die Entwicklung einer Landesgesundheitsstrategie durch das HLfGP in Kooperation mit dem Ministerium und anderen Akteuren im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung. Das HLfGP kann vorhandene Ressourcen zusammentragen und bündeln, um Doppelstrukturen zu vermeiden.

TK: "Landesamt für Gesundheit UND Pflege" - die Tatsache, dass es die Pflege sogar in den Namen der neuen Behörde geschafft hat, zeigt, dass diesem Bereich ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt wird. Welche Impulse erhoffen Sie sich die Pflege?

Das Thema Pflege ist ein zentraler Handlungsschwerpunkt der Landesregierung. Kai Klose

Klose: Das Thema Pflege ist ein zentraler Handlungsschwerpunkt der Landesregierung. Dazu gehört nicht nur die Stärkung der verschiedenen Facetten der Pflege als solcher, sondern auch die Stärkung der mit dem Bereich Pflege betrauten Landesverwaltung. 

Pflege im neuen Landesamt umfasst zunächst zwei Bereiche: Zum einen ist das der Bereich der Betreuungs- und Pflegeaufsicht. Hier bauen wir gemeinsam mit den Hessischen Ämtern für Versorgung und Soziales die Zusammenarbeit mit den Pflege- und Betreuungseinrichtungen weiter aus und stärken sie. Zum anderen ist das der Bereich der Ausbildung zu den Pflegeberufen, in dem wir Prüfungen, Finanzierung der Pflegeausbildung und die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in der Pflege zusammenführen, um ihn vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels besser und effizienter aufzustellen.

TK: Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: Wo wird das neue Amt in fünf Jahren stehen? Wie wird es sich weiterentwickelt haben?

Klose: Das HLfGP hat sich in den Strukturen des Öffentlichen Gesundheitsdiensts in Hessen als verlässlicher Partner der Gesundheitsämter wie auch des Ministeriums etabliert und die Grundlagen für die politischen Entscheiderinnen und Entscheidern verbessert. Durch die geschaffene Schnittstelle zur Forschung über unsere Stiftungsprofessur können wir Gesundheitsdaten besser verwerten und so Schutz der Bevölkerung verbessern. Für den Fall einer erneuten gesundheitlichen Krise ist Hessen - auch durch das HLfGP - noch besser gewappnet.

Zur Person

Kai Klose ist seit 18. Januar 2019 Hessischer Minister für Soziales und Integration. Von Oktober 2017 bis Januar 2019 war er Staatssekretär und Bevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration. Der Idsteiner ist von Beruf Lehrer und war von 2009 bis 2017 Mitglied des Hessischen Landtages, was er nun wieder ist.