TK: Wie haben Sie persönlich und auch politisch die Corona-Situation empfunden? Welche Lehren/Konsequenzen müssen für die Zukunft gezogen werden?

Bärbel Bas: Wir alle mussten über viele Monate Kontakte vermeiden. Das ging an keinem von uns spurlos vorbei, auch an mir nicht. Natürlich war das belastend. Auch meine Arbeit hat sich stark verändert: Kurz vor Beginn der Pandemie bin ich stellvertretende Fraktionsvorsitzende für Gesundheit und Bildung geworden. Gerade durch die Pandemie waren die letzten eineinhalb Jahre daher sicher meine intensivste Zeit in der Politik. Und wie bei anderen, hat auch bei mir Corona dafür gesorgt, dass vieles, das meine Arbeit sonst ausmacht, gar nicht mehr möglich war. Videokonferenzen beispielsweise machen vieles möglich, das persönliche Gespräch am Rande einer Veranstaltung oder einfach auf der Straße können sie aber nicht ersetzen. Ich freue mich deshalb sehr, dass es jetzt wieder mehr direkten und persönlichen Kontakt mit den Menschen vor Ort gibt. 

Bärbel Bas

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Bundestagsabgeordnete der SPD, stellvertretende Fraktionsvorsitzende für den Bereich Gesundheit

Alle abschließenden Lehren lassen sich sicher erst nach dem Ende der Pandemie ziehen. Es wird aber kein einfaches Zurück zum Status Quo vor der Pandemie geben können. Einige notwendige Änderungen sind schon jetzt klar, teils haben wir Verbesserungen schon beschlossen: Wir müssen auf künftige Pandemien besser vorbereitet sein. In Zukunft müssen wir ausreichend Schutzausrüstung vorrätig haben, die aufgebaute Produktion in Deutschland müssen wir sichern. Der Notstand an Schutzmaterial und die damit verbundene Preisexplosion dürfen uns nie wieder passieren. Als weitere Lehre aus der Pandemie werden wir den Öffentlichen Gesundheitsdienst deutlich stärken. Er muss so ausgestattet sein, dass er seinen Aufgaben gerecht werden kann. Erste Schritte hierzu haben wir bereits im letzten Jahr beschlossen. 

Insgesamt ist die Bedeutung des Gesundheitswesens und der Pflege allen deutlich geworden. Dieses Bewusstsein müssen wir für nachhaltige Verbesserungen nutzen. Gerade in diesen systemrelevanten Bereichen brauchen wir dauerhaft bessere Arbeitsbedingungen und höhere Tariflöhne. Erste Schritte haben wir bereits gemacht, aber wir brauchen mehr, etwa eine stärkere Entlastung von Pflegebedürftigen und eine solidarischere Finanzierung in Form einer Bürgerversicherung.  

TK: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist mit Corona beschleunigt unterwegs. Was sind die großen Digitalen Herausforderungen für die zukünftige Gesundheitspolitik?

Bas: Die Digitalisierung spielt für die Zukunft von Gesundheit und Pflege eine große Rolle. Das merken wir gerade jetzt, wo deutlich wird an welchen Stellen wir Nachholbedarf haben, wie etwa im Öffentlichen Gesundheitsdienst. Die Digitalisierung bietet insgesamt große Chancen, die Versorgung zu verbessern: Hilfsmittel wie die elektronische Patientenakte oder das eRezept machen die Gesundheitsversorgung sicherer und einfacher für die Patientinnen und Patienten. Auch in der Pflege bieten sich zahlreiche Möglichkeiten. Technische Hilfsmittel können beispielsweise mehr Selbstständigkeit und einen längeren Verbleib in der eigenen Häuslichkeit ermöglichen.        
 
Wichtig ist dabei, dass wir die Menschen auch mitnehmen. Viele chronisch Kranke und Pflegebedürftige sind bereits älter. Von diesen müssen die Chancen auch genutzt werden können. Das kann auch eine Herausforderung sein, denn viele in der älteren Generation sind eher technikfern. Hier braucht es spezielle Lösungen und Herangehensweisen, um die Betroffenen mitzunehmen, zu überzeugen und zu unterstützen. 
 
Ein anderer Hemmschuh der Digitalisierung ist die Skepsis der Menschen, ob die Patientendaten in neuen Anwendungen wirklich sicher sind. Die Datensicherheit muss immer an erster Stelle stehen. Die Hoheit über die eigenen Daten muss dabei immer bei den Patientinnen und Patienten liegen. Sie müssen entscheiden, wer Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten bekommt und wer nicht. Nur so schaffen wir das nötige Vertrauen, um die Digitalisierung auch in den Bereichen Gesundheit und Pflege zu einem Erfolg zu machen.

TK: Im September treten Sie wieder bei der Wahl an. Was möchten Sie in den nächsten vier Jahren gesundheitspolitisch ändern?

Bas: Die Pflege bleibt für mich auch in den kommenden vier Jahren das zentrale Thema. Ich möchte, dass sich auch in Zukunft junge Menschen für den Pflegeberuf entscheiden. Dazu brauchen wir bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne in der Pflege. Und auch pflegende Angehörige verdienen eine deutliche Entlastung und eine Absicherung für die Rente. Häufig treten Pflegende beruflich kürzer. Die Folgen sind oftmals niedrige Renten und unverschuldete Altersarmut. Das will ich ändern. Zur gerechten Finanzierung brauchen wir eine Bürgerversicherung: eine Kranken- und Pflegeversicherung, in die alle einzahlen und durch die alle die notwendigen medizinischen und pflegerischen Leistungen erhalten. So können die Kosten fair verteilt und solidarisch finanziert werden.

Wichtig wird in den kommenden vier Jahren auch das Thema Digitalisierung sein. Wir wollen die Potenziale der Digitalisierung für die Verbesserung von Diagnostik und flächendeckender gesundheitlicher Versorgung entschlossener nutzen. Die Digitalisierung kann die Versorgungsqualität verbessern und zugleich Fachkräfte entlasten. Und auch die Versorgungsstrukturen werden noch stärker in den Fokus rücken. Eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung kann am besten durch eine Neuordnung der Rollenverteilung zwischen ambulantem und stationärem Sektor und durch eine Überwindung der Sektorengrenzen gelingen. Wir brauchen darum eine stärkere Öffnung von Krankenhäusern für die ambulante und für teambasierte Formen der Versorgung. Dienstleistungen können dann von niedergelassenen Teams und Krankenhäusern gemeinsam erbracht werden - zum Wohl der Patientinnen und Patienten.