"Digitale Lösungen erleichtern den Zugang zu Gesundheitsleistungen"
Interview aus Niedersachsen
Jens Beeck ist seit 2017 im Deutschen Bundestag und dort unter anderem im Ausschuss für Arbeit und Soziales.

Entscheidende Weichenstellungen müssen vorgenommen werden, damit das deutsche Gesundheitswesen mit der weltweiten Entwicklung Schritt halten kann. Und wir brauchen einen zeitgemäßen Umgang mit Daten, der Patientinnen und Patienten Chancen auf bessere Versorgung eröffnet.
Die Nachfrage nach digitalen Versorgungsangeboten wächst enorm und hat durch die Pandemie gerade auch in Niedersachsen noch einmal erheblich zugenommen. Es ist Zeit, diese durchdacht in der Versorgung zu verankern.
TK: Die FDP spricht sich in ihrem Wahlprogramm für eine stärkere Digitalisierung und mehr Innovationen im Gesundheitswesen aus. Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für eine bessere medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten?
Jens Beeck: Derzeit sind Verfahren im Gesundheitsbereich vielerorts noch analog. Aufwendige Dokumentationspflichten kosten beispielsweise in der Pflege wertvolle Zeit, die nicht für die so wichtige Arbeit mit Patientinnen und Patienten zur Verfügung steht. Die Digitalisierung bietet die Chance, Ärztinnen und Ärzte wie auch Pflegekräfte zu entlasten. Dadurch steigt zudem die Attraktivität des Berufsfeldes. Das ist vor dem Hintergrund des massiven Fachkräftemangels in der Pflege auch dringend notwendig.
Die Schaffung von sicheren, interoperablen Systemen ist dabei zwar eine Herausforderung. Doch diese muss angegangen werden. Denn Patientinnen und Patienten dürfen im 21. Jahrhundert in meinen Augen zu Recht erwarten, dass ihre Daten schnell verfügbar sind und nicht bei jedem Krankenhaus-Aufenthalt erst einmal neue Röntgenbilder erstellt werden. Die elektronische Patientenakte muss deshalb so schnell wie möglich eingeführt werden.
Im Übrigen bietet die Vernetzung der Gesundheitsakteure auch Potential für Kosteneinsparungen bei zeitgleicher Verbesserung der Versorgung, zum Beispiel im Rahmen digitaler Sprechstunden mit Experten. Dieses Geld kann dann beispielsweise für Innovationen an anderer Stelle eingesetzt werden. Das Innovationspotential, das in deutschen Unternehmen steckt, wurde ja durch die Entwicklung des Corona-Impfstoffes auf mRNA-Basis erst kürzlich sehr deutlich.
Jens Beeck
TK: Auf den deutschen Gesundheitsmarkt drängen zunehmend große, internationale Technologiekonzerne, um ihre digitalen Gesundheits-Lösungen anzubieten. Ist es aus Sicht der FDP notwendig, dass der GKV in Deutschland ein Wettbewerb auf Augenhöhe in dieser globalen Konkurrenz ermöglicht wird?
Beeck: Eindeutig Ja! Die Digitalisierung und der technische Fortschritt ermöglichen heute den Kampf gegen Krankheiten, für die vor einigen Jahren noch keine Therapie denkbar war, jedenfalls nicht in der Fläche verfügbar. Digitale Lösungen erleichtern den Zugang zu Gesundheitsleistungen und machen diese teils um ein Vielfaches günstiger.
So stellt beispielsweise ein niedersächsisches Unternehmen passgenaue Orthesen im 3D-Druck-Verfahren her, wovon vor allem Kinder - weltweit - profitieren. Dieses Beispiel zeigt, das auch in deutschen Unternehmen enorme Innovationskraft steckt. Als Freier Demokrat bin ich dabei der Auffassung, dass wir sowohl aufstrebenden Start-Ups als auch bereits etablierten Unternehmen bestmögliche Rahmenbedingungen bieten müssen, damit sie im globalen Wettbewerb bestehen bleiben.
Wir setzen uns zudem für eine innovative Vernetzung von Start-Ups im Gesundheitswesen über alle Phasen der klinischen Entwicklung hinweg ein und wollen Kooperationen zwischen Krankenkassen, Wissenschaft und Industrie unterstützen. Um innovative Versorgungsmethoden weiter zu stärken wollen wir außerdem den gesetzlichen Spielraum für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern ausweiten.
TK: Wie will die FDP die gesetzliche Krankenversicherung bei steigenden Ausgabenlasten nachhaltig finanzieren?
Beeck: Die finanzielle Situation in der gesetzlichen Krankenversicherung war schon vor der Corona-Krise immer wieder ein Thema. Dabei sieht die Situation bei den verschiedenen Versicherern ganz unterschiedlich aus. Denn während einige große finanzielle Polster hatten, stehen andere schon seit Jahren vor großen Problemen.
In meinen Augen ist entscheidend, mit den vorhandenen Mitteln bestmöglich umzugehen. Wir wollen deshalb mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen ermöglichen. Denn dieser steigert Qualität und Effizienz der Leistungen und sorgt für einen Bürokratieabbau. Die Bürokratiekosten pro versicherter Person variieren stark.
Klar ist für uns aber auch: Wir brauchen ein starkes Gesundheitswesen mit starken Krankenhäusern. Im Rahmen der dualen Krankenhausfinanzierung müssen die Länder daher ihren Verpflichtungen nachkommen, damit der Investitionsstau endlich abgebaut werden kann und die Abhängigkeit von Fallpauschalen reduziert wird. Zudem muss auch das DRG-Abrechnungssystem entbürokratisiert werden.
Zur Person Jens Beeck (FDP), MdB
TK-Position zur Digitalisierung
TK-Position zur Krankenhausstruktur und ihrer Finanzierung