Die Pflegeversicherung hat sich seit Bestehen immer weiterentwickelt und an die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen und Pflegenden angepasst. Immer mehr Menschen benötigen Unterstützung, immer mehr Menschen werden als Pflegende benötigt. 

Es bedarf aus Sicht der TK einer Reform der Pflegeversicherung, die den vielfältigen und immer steigenden Erwartungen und Aufgaben auch langfristig gewachsen ist.

TK: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Schmerzpunkte in der Pflege?

Pia Zimmermann: Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind sogar noch viel schlimmer, als sie oft dargestellt werden. Die Pflege-Infrastruktur wird nur noch aufrechterhalten, weil Pflegende immer wieder über ihre Grenzen gehen und zu viel, zu lange und zu schwer arbeiten. Diese Pflege macht krank, und zwar alle Beteiligten.

Patientinnen und Patienten werden erwiesenermaßen schneller wieder gesund, wenn sich mehr Pflegekräfte um sie kümmern können, beziehungsweise wenn diese mehr Zeit für sie haben. Das Risiko für Menschen mit Pflegebedarf, weitere Krankheiten zu entwickeln oder vorzeitig zu versterben, sinkt. Pflegende werden seltener krank.

Die Hetze und der Arbeitsdruck in der Pflege sind einzig und alleine finanziell begründet. Alle pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse widersprechen dem herrschenden System. Eindrücklicher kann man gar nicht zeigen, dass hier Profite und Einsparungen höher bewertet werden als ein menschenwürdiges Leben.

Pia Zimmer­mann

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Bundestagsabgeordnete Die Linke

TK: Ein Großteil der Pflegebedürftigen wird nach wie vor zu Hause gepflegt. Überwiegend durch Angehörige - oft mit Unterstützung eines Pflegedienstes. Wo muss die Politik Schwerpunkte setzen, um pflegende Angehörige mehr zu entlasten?

Zimmermann: Die Leistungen für Menschen mit Pflegebedarf sowie für ihre pflegenden Angehörigen müssen dringend angehoben und ihre Nutzung muss unbürokratischer werden. Es ist vollkommen unverständlich, dass die Nutzung einer Leistung Einschnitte in anderen Bereichen nach sich zieht. Wir brauchen ein freiverfügbares Budget zur Finanzierung häuslicher Pflege. Der wichtigste Baustein ist die Übernahme aller pflegebedingten Kosten in unserem Konzept einer solidarischen Pflegevollversicherung. Damit ist sichergestellt, dass Menschen, die Pflege brauchen und wollen, diese auch bekommen. Und nicht nur die, die sich Pflege leisten können. 

Wenn die Einnahmenseite der Pflegeversicherung entsprechend verbessert wird, indem zum Beispiel nicht mehr nur auf Lohnarbeit Beiträge erhoben werden, sondern auch auf Einkommen aus Renditen oder Mieten, können alle pflegebedingten Kosten übernommen werden und das Pflegeangebot deutlich erweitert werden.

TK: Das e-Rezept und die elektronische Patientenakte werden von immer mehr Krankenkassen eingeführt, die ambulant tätigen Ärzte folgen sukzessive und die Versicherten fordern laut TK-Meinungspuls digitale Gesundheitslösungen. Welche Position hat die Linke zur Digitalisierung im Gesundheitssystem?

Zimmermann: Digitalisierung im Gesundheitswesen hat natürlich eine Berechtigung, wenn es darum geht, Prozesse zu vereinfachen, so dass Beschäftigte mehr Zeit für die Menschen mit Pflegebedarf sowie Patientinnen und Patienten haben. Im Klartext: Wenn durch Digitalisierung wirklich Zeit gespart wird, darf das nicht zu einer Einsparung von Personal führen. Die Hetze und der Arbeitsdruck, die momentan herrschen, sind nicht der Normalzustand und wir dürfen auch nicht so tun, als ob er das wäre und ihn hinnehmen. Jede Entlastung muss den Menschen zugutekommen, nicht den Kostenträgern.

Außerdem sind solche Prozesse besonders im sensiblen Bereich der Pflege und Gesundheit nur möglich, wenn strengste Datenschutzmaßnahmen angelegt werden. Im Mittelpunkt der Digitalisierung muss der Mensch stehen. Seine Daten, seine Persönlichkeit etc. müssen geschützt werden. Datenschutz ist ein Wert an sich und Datensparsamkeit muss die Prämisse des Handelns in der Digitalisierung sein. Das darf man nicht als lästigen oder teuren Nebenaspekt beiseite wischen.

Zur Person Pia Zimmermann (Die Linke), Mdb

TK-Posi­tion zur Pflege

TK-Posi­tion zur Digi­ta­li­sie­rung