TK: Ganze zwei Seiten des Ampel-Koalitionsvertrages widmen sich der Pflege. Wie wollen Sie die Situation von Pflegekräften verbessern?

Sönke Rix: Bei der Präsentation des Koalitionsvertrages im November hat Olaf Scholz die Lage der Pflegekräfte und die erneute Zahlung eines Pflegebonus ganz nach vorne gestellt. Dies ändert sicherlich nicht auf einen Schlag die Probleme der Branche, erkennt aber die Bedeutung der Arbeit der Pflegenden und ihre besondere Belastung in der Pandemie an. 

Der Koalitionsvertrag widmet dem Thema Pflege weit mehr als nur einen eigenen Abschnitt. Wirtschaft und Fachkräfte, moderne Arbeitswelt oder Familienpolitik sind nur drei weitere Stellen im Vertrag, die - dringend notwendige - Veränderungen aufführen, die nicht nur Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen betreffen, sondern unseren gesamtgesellschaftlichen Umgang mit dem Thema. 

Konkret im Koalitionsvertrag festgehalten ist zum Beispiel, insbesondere in der stationären Langzeitpflege die Gehaltslücke zwischen der Kranken- und der Altenpflege zu schließen und Pflegekräften, die sich in der Ausbildung oder im Studium befinden, eine Vergütung zu zahlen. Aber nicht nur am Verdienst der Pflegekräfte muss sich etwas ändern - wir wollen zum Beispiel, dass Pflegekräfte mit betreuungspflichtigen Kindern einen Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten erhalten, wollen geteilte Dienste abschaffen und dem Fachkräftemangel in der Pflege auch mit der Gewinnung von Personal aus dem Ausland begegnen.

Sönke Rix

Sönke Rix, Bundestagsabgeordneter der SPD  Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Bundestagsabgeordneter der SPD 

TK: Viele Pflegebedürftige werden von Angehörigen gepflegt. Wie wollen Sie den "größten Pflegedienst des Landes" entlasten?

Rix: In unserem SPD-Programm zur Bundestagswahl haben wir gefordert, dass Pflegende entlastet werden und Unterstützung dabei erhalten, Pflege und Beruf unter einen Hut zu bringen. Dies konnten wir erfolgreich im Koalitionsvertrag verankern: Durch Pflege bedingte berufliche Auszeiten wollen wir durch eine Lohnersatzleistung kompensieren. Diese sollen nicht nur Angehörige, sondern auch andere nahestehende Pflegende erhalten können. Alleinerziehende, Familien mit Kindern und zu pflegenden Angehörigen sollen außerdem bei der Wahrnehmung haushaltsnaher Dienstleistungen unterstützt werden. 

Wenn Pflege in der Familie organisiert wird, entlastet dies den Staat stark. Dies anzuerkennen und im Gegenzug zum Beispiel den Zugang zu alltagsunterstützenden Dienstleistungen zu erleichtern, halte ich für den richtigen Weg. Des Weiteren wollen wir zum Beispiel das Pflegegeld dynamisieren, Rentenbeiträge für pflegende Angehörige aus Steuermitteln finanzieren und die Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetze weiterentwickeln.

TK: Laut Koalitionsvertrag sollen in der Pflege lediglich die pandemiebedingten Zusatzkosten aus Steuermitteln finanziert werden. Wird sich der Staat dauerhaft finanziell an der Bewältigung der Herausforderungen in der Pflege stärker beteiligen oder, wie bereits im Koalitionsvertrag angekündigt, auf Beitragserhöhungen setzen?

Rix: Was im Koalitionsvertrag steht, gilt. Dazu gehört auch die Erhöhung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung, allerdings in einem moderaten Rahmen. Ebenfalls im Vertrag festgehalten sind einige der Lehren aus der Corona-Pandemie: Die Bedeutung einer sektorenübergreifenden Gesundheits- und Pflegepolitik, einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung sowie einer menschlichen und qualitativ hochwertigen Medizin und Pflege. Dazu braucht es eine stabile Finanzierung des Gesundheitswesens und der Pflege. 

Wir sehen es als unser Ziel an, dass alle Menschen in Deutschland gute Pflege erhalten und zum Beispiel durch die Begrenzung von Eigenanteilen in der stationären Pflege niemand mit den Kosten alleine gelassen wird. Das ist zutiefst sozialdemokratisch. Außerdem prüfen wir die Ergänzung der sozialen Pflegeversicherung um eine freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung. Eine Expertenkommission soll dazu generationengerechte Vorschläge vorlegen. 

Wenn wir uns alle mehr mit dem Thema Pflege auseinandersetzen, und das nicht erst bei eigener Pflegebedürftigkeit oder, wenn Angehörige zu pflegen sind, rücken das Thema und die Situation der Pflegenden genau wie bei Olaf Scholz ganz nach oben auf die Agenda. Und da gehören sie auch hin.

Zur Person Sönke Rix (SPD), MdB

TK-Position zur Pflege

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