TK: In dieser Legislaturperiode wurde die Reform der Krankenhausplanung in NRW auf den Weg gebracht. Wie sollte die Struktur- und Finanzplanung für die Krankenhäuser in NRW in den nächsten Jahren gestaltet werden?

Mehrdad Mostofizadeh: Nur eine verlässliche und leistungsstarke Krankenhausstruktur kann ihrer Rolle als eine der drei Säulen des Gesundheitssystems - neben der ambulanten Versorgung und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst - gerecht werden. Wir wollen,  dass Krankenhäuser weiterhin gut erreichbar sind und überall in NRW über eine hohe Qualität und ausreichend Personal verfügen.  Die Finanzierung der Krankenhäuser muss sich in Zukunft an diesem gesellschaftlichen Auftrag orientieren, nicht mehr vorrangig an der Fallzahl.

Die Corona-Krise hat bestehende Defizite in der Gesundheitsversorgung im Allgemeinen und der Krankenhausversorgung im Speziellen aufgezeigt. In einigen Regionen gibt es echte Versorgungslücken in bestimmten Disziplinen, in anderen eine Über -und Fehlversorgung mit einer nicht bedarfsgerechten Anzahl und Verteilung von Krankenhausstandorten und -betten sowie im internationalen Vergleich sehr vielen medizinisch nicht notwendigen stationären Behandlungsfällen.

Nicht jedes Krankenhaus kann und muss alle Leistungen anbieten. Aber jedes bedarfsnotwendige Krankenhaus muss seinen jeweiligen Versorgungsauftrag qualitativ gut und angemessen finanziert erfüllen können. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn versorgungsrelevante Bereiche auch tatsächlich angeboten werden können. Viele Krankenhäuser in ländlichen Räumen haben daher nur dann eine Zukunft, wenn sie Bestandteil einer sektorübergreifenden und stärker regional verankerten Versorgung werden und sowohl mit ambulanten Einrichtungen, als auch mit Krankenhäusern anderer Versorgungsstufen sowie mit der Reha und der Pflege eng zusammenarbeiten.

Kennzeichen solcher Versorgungsverbünde muss die verbindliche Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe auf Augenhöhe und in abgestimmten Behandlungspfaden sein. Aber auch die Anbindung an das komplexe Wissen und die Erfahrung von Universitätskliniken und hoch spezialisierten Maximalversorgern oder Fachkliniken durch telemedizinische Unterstützungsangebote (Stichwort "Virtuelles Krankenhaus") muss auf- und ausgebaut werden. So können kleine Häuser im ländlichen Raum das geballte Fachwissen in ihre Behandlungen integrieren und somit auf qualitativ höherem Niveau Menschen versorgen.

Mehrdad Mosto­fi­z­adeh

Mehrdad Mostofizadeh, gesundheitspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im NRW-Landtag Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Gesundheitspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im NRW-Landtag

Eine Reform des Krankenhausentgeltsystems und der Investitionsfinanzierung für Krankenhäuser ist zwingend notwendig. Der Bund sollte dauerhaft die Hälfte der Krankenhausinvestitionen finanzieren. Nur so verhindern wir, dass Krankenhäuser wegen fehlender Investitionsförderung weiter Defizite machen und Kommunen zur Privatisierung ihrer Krankenhäuser  gezwungen werden.  

Es braucht eine starke Komponente einer fallzahlunabhängigen Absicherung der notwendigen Vorhaltekosten für kleine Häuser der Grundversorgung. Dies dient gerade der Sicherstellung der Grundversorgung ländlicher Räume, der Notfallversorgung und der pädiatrischen Versorgung in besonderer Weise.

TK: Eine große Herausforderung ist die wohnortnahe medizinische Versorgung in den ländlichen Räumen in NRW. Mit welchen Maßnahmen möchten Sie die sektorenübergreifende medizinische Versorgung in ländlichen Räumen sicherstellen? 

Mostofizadeh: Unsere Ziele sind eine hohe Qualität, Verlässlichkeit und eine gute Erreichbarkeit der Gesundheitseinrichtungen für alle Patientinnen und Patienten. Gerade in ländlichen, unterversorgten Regionen sichern wir die medizinische Versorgung durch "Gesundheitsregionen" mit enger Anbindung an die Kommunen. Hier werden ambulante und stationäre Angebote gemeinsam geplant. Kooperation und gute Versorgung wollen wir belohnen.

In einer Gesundheitsregion schließen gesetzliche Krankenkassen regionale, bevölkerungsbezogene Versorgungsverträge mit regionalen Ärztenetzen und weiteren regionalen Akteuren ab. Bestehende Präventions- und Gesundheitsangebote vor Ort müssen einbezogen werden.

Die Kommunen können gemeinwohlorientierte, interprofessionelle Gesundheits- und Pflegezentren errichten. Diese Initiativen wollen wir als Modellprojekte fördern und damit die Zusammenarbeit der verschiedenen Gesundheitsberufe stärken.

TK: Welche Vorstellungen haben Sie zu dem zukünftigen Coronamanagement? Mit welchem Konzept wollen Sie nach Ihren Erfahrungen der vergangenen 2 Jahre auf eine mögliche 5. Coronawelle im Herbst reagieren?

Mostofizadeh: Die Pandemie hat Politik, Wissenschaft und Gesellschaft in den letzten zwei Jahren oftmals überrascht aber auch gezeigt, dass wir eine vorausschauende und verantwortungsvolle Politik und langfristige Planung benötigen, um ein sicheres und verlässliches Leben mit der Pandemie ermöglichen zu können. Hierbei müssen die Landesregierung und ihre Behörden eine wichtige koordinierende und ordnende Funktion übernehmen. Künftigen Infektionswellen soll schon frühzeitig begegnet werden, um einerseits einen besseren Schutz der Bevölkerung und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sicherzustellen und anderseits schwerwiegende Grundrechtseingriffe, soweit es geht, vermeiden zu können. Die Impfung war und bleibt eine der wichtigsten Maßnahmen um diese Ziele zu erreichen.

Die vorhandene Impfquote in NRW, insbesondere der notwendigen Auffrischimpfung, reicht allerdings nicht aus, um eine Überlastung des Gesundheitssystems bei künftigen Wellen zu verhindern. Neben der Gewährleistung niederschwelliger Impfangebote besteht daher jetzt der Bedarf, eine offensive, mehrsprachige, professionelle, gut geplante und zielgruppenorientierte Impfaufklärungskampagne zu starten, um die Impfbereitschaft in der Bevölkerung signifikant zu erhöhen.

Hierfür müssen die Menschen in ihren Lebenswelten erreicht und dort angesprochen werden. In dem Zusammenhang soll nicht nur die Kommunikation mit der Bevölkerung sondern auch die innerbehördliche Kommunikation im Gesundheitssystem und mitunter die bislang nicht ausreichenden Digitalisierung der Gesundheitsämter und verwaltungsinternen Prozesse deutlich verbessert werden. 

Neben der Impfung haben sich in den letzten zwei Jahren Maßnahmen wie Abstandsregeln, Maskentragen und Testungen als besonders effektive Mittel bei der Pandemiebekämpfung erwiesen, die zugleich nur geringfügig in die Grundrechte eingreifen. Insbesondere bietet das Tragen von Masken in Innenräumen einen sehr hohen Schutz vor Ansteckungen. Diese Maßnahmen müssen zielgenau und rechtzeitig genutzt werden können. Es müssen ferner alle Vorkehrungen getroffen werden, einschließlich Vorhalten von Impfstoff und Tests, um bei Bedarf die Impf- und Testzentren schnell wieder hochfahren zu können. 

Gerade auch die jüngste Omikron-Welle hat gezeigt (so in Berlin), wie gut das Abwassermonitoring als Frühwarnsystem von Krankheitsausbrüchen und bei der Entdeckung von Virusvarianten funktioniert. Eine weitere Maßnahme für die frühzeitige Entdeckung von Krankheitsausbrüchen, die sich während der Pandemie in England als sehr effektiv erwiesen hat, ist die s.g. "public health Surveillance Testing", große Studien, bei denen massenhafte anlasslose Testung vieler Menschen an einem Wohngebiet durchgeführt und analysiert werden.

Wir plädieren seit langer Zeit dafür, diese Testsysteme in NRW einzuführen und auszubauen um künftige Infektionswellen frühzeitig zu entdecken und diesen im Vorfeld gezielt zu begegnen. Zu einem guten Pandemiemanagement gehört schließlich ein aus unterschiedlichen Disziplinen bestehender Expertinnen- und Expertenrat, der die Landesregierung und die Politik bei der Bekämpfung der Pandemie und ihrer sozialen und wirtschaftlichen Folgen beraten soll. Expertinnen- und Expertenrat soll in NRW wieder aktiviert werden.