Kommende Regierung mit vielen Aufgaben in der Gesundheitspolitik
Position aus Saarland
Neun von zehn Befragten einer repräsentativen TK-Umfrage vor der Landtagswahl 2022 sind mit der Gesundheitsversorgung an der Saar mindestens zufrieden. Damit das auch in Zukunft so bleibt, müssen in der kommenden Legislaturperiode viele Probleme angegangen werden. Welche das sind und wie diese gelöst werden können, erläutert Landesvertretungsleiter Stefan Groh in seinem Standpunkt.

Am 27. März stand im Saarland die Landtagswahl 2022 an. Die Aufgabenliste für die neue Regierung ist dabei lang - auch im Bereich Gesundheitspolitik. In meinem Standpunkt erläutere ich, welche Probleme es aus TK-Sicht gibt und beschreibe Lösungsansätze dazu. Wie die beiden großen Parteien im Land diese Themen einschätzen, erfahren Sie in unseren Interviews mit der SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger sowie dem CDU-Spitzenkandidaten und amtierenden Ministerpräsidenten Tobias Hans .
Klinikstruktur im Wandel
Wirft man im Saarland einen Blick zurück auf die ablaufende Legislaturperiode, so war in der Gesundheitspolitik neben der Pandemiebewältigung die Klinikstruktur mit das wichtigste Thema im Saarland. Mehrere kleine Häuser, die seit längerer Zeit Belegungsprobleme hatten, mussten ihren Betrieb einstellen. Trotzdem bestand und besteht weiterhin eine qualitativ hochwertige stationäre Versorgung für alle Saarländerinnen und Saarländer. Meiner Meinung nach wird an einem weiteren Strukturwandel in der saarländischen Kliniklandschaft auch in der nächsten Legislaturperiode kein Weg vorbeiführen. Dabei müssen eine stärkere Spezialisierung und Zentralisierung sowie eine bedarfsnotwendige Grundversorgung Hand in Hand gehen. Auch wenn die Fortschreibung des aktuellen Krankhausplans im Saarland grundsätzlich in dieselbe Richtung zeigt, ist es in meinen Augen wichtig, ihn in der kommenden Legislaturperiode noch einmal neu aufzusetzen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Ergebnis einer aktuellen Forsa-Umfrage der TK im Saarland. Sie zeigt, dass 92 Prozent der befragten Saarländerinnen und Saarländer im Falle eines notwendigen operativen Eingriffs eher eine entsprechend spezialisierte Klinik aufsuchen, die weiter entfernt ist, als ein nichtspezialisiertes Krankenhaus in Wohnortnähe. Das unterstreicht, was wir schon seit Jahren beobachten: Im Krankheitsfall nutzen Patientinnen und Patienten eher spezialisierte Kliniken und nicht das kleine Krankenhaus vor Ort. Diese nicht ganz neue Erkenntnis sollte ebenfalls in einem überarbeiteten Krankenhausplan berücksichtigt werden.
Neuer Mix bei der Finanzierung
Eine am Bedarf orientierte Krankenhausstruktur kann nur dann funktionieren, wenn auch die Finanzierung entsprechend angepasst und die notwendigen Investitionsmittel vom Land zur Verfügung gestellt werden. Daher muss die Bundesregierung in diesem Bereich aktiv werden. Die TK schlägt dazu vor, das DRG-System mit einem neuen Mix aus Fallpauschalen, Vorhaltekosten und Qualitätszuschlägen anzupassen, beziehungsweise zu ergänzen. Dafür sollte die jeweilige Versorgungsstufe eines Krankenhauses bei der Vergütung stärker berücksichtigt werden. Die Vorhaltekosten würden den bedarfsnotwendige Versorgungsstrukturen, insbesondere im ländlichen Raum und in Spezialdisziplinen, eine solide finanzielle Basis bieten - ohne Mengenausweitungen. Doch darüber hinaus sollte die Vergütung unbedingt um qualitätsorientierte Bestandteile ergänzt werden.
Digitalisierung vorantreiben
Ein weiteres wichtiges Thema für die neue Landesregierung muss der verstärkte Einsatz der Digitalisierung auch und gerade in der Gesundheitsversorgung sein. Aus dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) stehen allein für das Saarland rund 50 Millionen Euro bereit, die vor allem in digitale Projekte der Kliniken fließen sollen. Mit dem virtuellen Krankenhaus unter Federführung des Universitätsklinikums des Saarlandes (UKS) in Homburg wird auch ein sehr spannendes und innovatives Projekt gefördert. Es soll einen optimalen Informationsaustausch zwischen Krankenhäusern, Reha- und Pflegeeinrichtungen sowie niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten ermöglichen. Zum Start des Projektes arbeitet das UKs mit den Kliniken in St. Ingbert und Lebach zusammen.
Doch nicht nur im stationären Bereich bietet die Digitalisierung Chancen. Wird diese im Gesundheitswesen konsequent umgesetzt, wird beispielsweise das Wissen von medizinischen Spezialisten ortsunabhängig nutzbar. Das bietet bislang kaum genutzte Möglichkeiten für die Versorgung von Menschen im ländlichen Raum. Genannt seien etwa die Stichpunkte Telemedizin, Videosprechstunde, eine qualifizierte Ersteinschätzung in der Notfallversorgung und das elektronische Rezept. Eine zentrale Funktion wird hier die elektronische Patientenakte als eine von der jeweiligen Krankenkasse zur Verfügung gestellte Informationsplattform zwischen Patienten und Leistungserbringern übernehmen.
Sektorenübergreifende Versorgung ausbauen
Trotz fortschreitender Digitalisierung wird diese nicht alle Probleme lösen können. Beispielsweise den drohenden Mangel an Allgemein- und Fachärztinnen und -ärzten, insbesondere im ländlichen Raum, oder die immer noch sehr rudimentäre Kooperation zwischen ambulanten und stationären Versorgern. Diese müssen anderweitig gelöst werden, unter anderem auch politisch. Aktuell werden Patientinnen und Patienten noch immer auch aus finanziellen Gründen stationär aufgenommen, obwohl eine Behandlung oder Operation auch problemlos ambulant hätte stattfinden können. Eine Lösung können dabei die sogenannten Hybrid-DRG für definierte Leistungen sein, die nach dem Grundsatz "gleiches Geld für gleiche Leistungen" diesen Fehlanreiz beseitigen.
Ein weiteres Instrument, um sektorenübergreifend Versorgungsdefizite in ländlichen Regionen anzugehen, sind meiner Meinung nach Regionale Gesundheitszentren (RGZ). Diese können in unterversorgten Regionen zum Beispiel die Akut- und Notfallversorgung, Leistungen der ambulanten und stationären Grundversorgung sowie den Rettungsdienst abdecken, aber auch Angebote zur Pflege vorhalten. So kann den Menschen in der Region eine wohnortnahe Versorgung ermöglicht werden - unter anderem auch mit Ferndiagnostik, -behandlung, und -überwachung.
Last but not least: Die Pflege
Ein weiterer Punkt, der uns in der nächsten Legislaturperiode mit Sicherheit beschäftigen wird, ist die Situation in der Pflege. Hier hat die aktuelle Landesregierung zwar schon wichtige Schritte unternommen - ich erinnere etwa an die Aktivitäten des Pflegepaktes oder das Pflegeassistenzgesetz im Saarland. Wir werden jedoch weiter daran arbeiten müssen, den Pflegeberuf attraktiv zu gestalten - etwa mit einer flexibleren Arbeitsorganisation, neuen Karrierepfaden, einer angemessenen Vergütung und dem verstärkten Einsatz von digitalen Möglichkeiten.
Das waren nur einige Punkte, die auch die nächste Landesregierung beschäftigen werden. Mein Team und ich freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Ziel einer zukunftssicheren medizinischen Versorgung der Menschen im Saarland.