"Die Fachkräftesicherung ist ein ganz großes Thema"
Interview aus Berlin/Brandenburg
Gesundheitssenatorin Ulrike Gote im Interview über die Herausforderungen der Gesundheitsregion Berlin.

TK: Frau Senatorin Gote, das erste Jahr im Amt liegt nun hinter Ihnen. Wo sehen Sie die größten Baustellen in der Berliner Gesundheitspolitik?
Ulrike Gote: Ein großes Thema ist die Fachkräftesicherung im Bereich Gesundheit und Pflege, denn gute Versorgung gelingt nur, wenn es ausreichend Fachkräfte gibt. Berlin unternimmt deshalb große Anstrengungen, insbesondere im Bereich der Ausbildung.
Eine weitere Herausforderung ist der Zusammenhang von sozialer Benachteiligung und Gesundheitsbelastungen. Ich setze mich mit meiner Gesundheitspolitik für gesundheitliche Chancengleichheit ein. Dazu gehört zum Beispiel die Förderung multiprofessioneller Gesundheitszentren, die ärztliche Versorgungsleistung mit niedrigschwelliger Sozialberatung verzahnen.
Ulrike Gote
Ich setze mich mit meiner Gesundheitspolitik für gesundheitliche Chancengleichheit ein.
TK: Die Forschung in den Bereichen Gesundheit und Pflege ist in Berlin gut aufgestellt - was muss in den nächsten Jahren dringend angegangen werden, um den Standort Berlin attraktiv zu halten?
Gote: Berlin ist einer der weltweit führenden Standorte für Gesundheitsforschung. Dafür stehen renommierte Einrichtungen wie die Charité, Europas größtes Universitätsklinikum, oder das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin. Was mir besonders wichtig ist: dass Erkenntnisse aus der Forschung noch schneller und effektiver in der Gesundheitsversorgung, bei den Patientinnen und Patienten, ankommen. Dieses Ziel verfolgen wir gemeinsam mit dem Bund unter dem Motto "Aus Forschung wird Gesundheit" mit dem Berlin Institute of Health, das 2021 als Translationsforschungsbereich in die Charité integriert wurde. Berlin ist außerdem Standort für drei - künftig für fünf - der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung.
Von der Einrichtung und dem Ausbau der Pflegestudiengänge in Berlin erwarte ich mir zudem weitere wichtige Impulse auch für die Forschung zu Pflegethemen.
TK: Die Coronapandemie hat gezeigt, dass es mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen noch gewaltig hapert. Wie wollen Sie das ändern?
Gote: Die Digitalisierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) ist eines der Hauptmerkmale des Paktes für den ÖGD, der von Bund und Ländern 2020 beschlossen wurde. Berlin hat daraus Fördermittel von rund 16 Millionen Euro beantragt.
Um diese Mittel zielgerichtet einzusetzen, haben wir auf Basis des digitalen Status Quo eine Strategie entwickelt, um erforderliche Digitalisierungsmaßnahmen zu identifizieren und zu priorisieren. Gemeinsam mit vielen Vertreterinnen und Vertretern des Berliner ÖGD wurden Vision, Mission und Handlungsfelder für die Digitalisierung entwickelt. Jetzt geht es an die Planung konkreter Maßnahmen und die Zeitplanung ihrer Umsetzung.
TK: Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Brandenburger Gesundheitsministerium? Welche gemeinsamen Projekte sind geplant?
Die sehr gute Zusammenarbeit zeigt sich etwa bei der Versorgung von Menschen, die vom Post-Covid-Syndrom betroffen sind. Hier verfügt Berlin über einen gut ausgebauten ambulanten Sektor und mehrere Krankenhäuser, die über Post-Covid-Ambulanzen verfügen. Dafür gibt es in Berlin nur wenige Angebote zur spezialisierten Rehabilitation, während sich in Brandenburg elf Reha-Kliniken mit entsprechenden Angeboten finden. Hier arbeiten wir zusammen an einer optimierten Versorgung von Patientinnen und Patienten, um Synergieeffekte zu nutzen und Doppelstrukturen zu vermeiden.
TK: Zu guter Letzt noch eine persönliche Frage: Sie sind Senatorin mit einem sehr großen Aufgabenbereich, zuletzt gab es viele Krisen. Wie schaffen Sie es, dennoch Zeit zum Entspannen zu finden?
Gote: Lange Arbeitstage und viel Zeit vor Bildschirmen gleiche ich mit Bewegung an der frischen Luft aus, zum Beispiel mit Fahrradfahren. Das tut mir gut und hält mich fit. Und abends entspanne ich mich am besten in meinem Sessel bei einer Tasse Tee und mit einem guten Buch.
Zur Person
Ulrike Gote ist seit 2021 Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung in Berlin. Bis zu ihrem Wechsel in die Hauptstadt arbeitete sie als Gesundheitsdezernentin im hessischen Kassel. Zuvor machte die Diplom-Geoökologin in Bayern Politik: Insgesamt zwanzig Jahre saß sie für Bündnis 90/Die Grünen im bayerischen Landtag, zuletzt als Vizepräsidentin. Sieben Jahre lang wirkte sie zudem als Stadträtin in Bayreuth