Bürgerschaftswahl 2025: Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre
Interview aus Hamburg
Am 2. März wird in Hamburg eine neue Bürgerschaft gewählt. Ein guter Zeitpunkt, um mit der gesundheitspolitischen Brille einen Blick auf die vergangenen fünf Jahre zu werfen.

Welche gesundheitspolitischen Vorhaben der aktuellen Koalition wurden umgesetzt? Welche offenen Punkte gibt es noch? Und wie lief die Zusammenarbeit zwischen Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer und den Krankenkassen? Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg, mit einem Fazit.
TK: Frau Puttfarcken, in wenigen Wochen wählt Hamburg seine neue Bürgerschaft. Wie blicken Sie auf die vergangenen fünf Jahre rot-grüne Koalition in der Gesundheitspolitik?
Maren Puttfarcken: Die zu Ende gehende Legislaturperiode war eine in jeder Hinsicht sehr herausfordernde Zeit. Direkt nach der Wahl im Februar 2020 begann die Corona-Pandemie, stellte alles auf den Kopf und verzögerte die Bildung der rot-grünen Regierungskoalition. Der Fokus der neuen Regierung verschob sich auf das Thema Pandemiebekämpfung. Hier waren die Gesundheitssenatorin und das Amt für Gesundheit - damals noch unter der Leitung von Silke Heinemann - in ganz besonderer Weise gefordert.
Zugleich gab es eine wesentliche Veränderung beim Zuschnitt der Behörden: Die vormals eigenständige Gesundheitsbehörde wurde aufgelöst und große Teile davon in die neue Behörde für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Integration integriert. Neue Senatorin der "Super-Behörde" wurde Melanie Leonhard, ihre neue Staatsrätin für den Bereich Gesundheit Melanie Schlotzhauer. Durch einen Personalwechsel innerhalb des Senats übernahm Melanie Leonhard später die Führung der Wirtschaftsbehörde, und Melanie Schlotzhauer folgte ihr im Amt als Sozialsenatorin. Neuer Staatsrat für Gesundheit ist seitdem Tim Angerer.
Mit diesen Veränderungen hat sich aus unserer Sicht auch der Fokus der Politik verändert: Sozialpolitik und Gesundheitspolitik werden seitdem viel stärker zusammen gedacht.
Maren Puttfarcken
Persönlich habe ich mich besonders über die gute Unterstützung der Behörde bei unserem Innovationsfondsprojekt "DreiFürEins" gefreut: Dass für eine Verstetigung nun Haushaltsmittel unter anderem bei der Schul- und Sozialbehörde eingestellt worden sind, ist eine sehr gute Nachricht.
TK: Welche politischen Themen waren aus Ihrer Sicht besonders wichtig?
Puttfarcken: Trotz der langen Beschäftigung mit der Corona-Pandemie und den Aus- und Nachwirkungen hat Hamburg gesundheitspolitisch einige Themen vorangebracht. Zu nennen wären hier zum Beispiel die Einrichtung von Lokalen Gesundheitszentren in ausgewählten Stadtteilen Hamburgs und die intensive Beschäftigung mit dem Thema Psychiatrie, an dem wir alle gemeinsam arbeiten. Wichtig ist auch das Thema Fachkräftemangel in der Pflege: Hier hat Hamburg flexiblere Fachkräftequoten in der stationären Pflege eingeführt und gerade erst vor Kurzem den Pflegeheimbetreiber PFLEGEN & WOHNEN zurückgekauft, um das Pflegeangebot in Hamburg zu sichern. Viel diskutiert wurde auch über die Themen ambulante Bedarfsplanung und Notfallversorgung. Persönlich habe ich mich besonders über die gute Unterstützung der Behörde bei unserem Innovationsfondsprojekt " DreiFürEins " gefreut: Dass für eine Verstetigung nun Haushaltsmittel unter anderem bei der Schul- und Sozialbehörde eingestellt worden sind, ist eine sehr gute Nachricht.
Mit Blick auf die Gesetzgebung im Bund war und ist natürlich die Krankenhausreform das beherrschende Thema. Wie schon ihre Vorgängerin bündelt auch Senatorin Schlotzhauer die Stimmen der SPD-geführten sogenannten "A-Länder". Damit ist Hamburg auch im bundespolitischen Kontext ein wichtiger Player geblieben.
TK: Gibt es auch Themen, die aus TK-Sicht zu wenig im Fokus waren?
Puttfarcken: Ein Thema, das aus unserer Sicht schon im Koalitionsvertrag von 2020 zu kurz gekommen ist, ist das Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen. Natürlich kommen die gesetzlichen Regelungen dazu vom Bund. Trotzdem waren wir in Hamburg im Vergleich der Bundesländer lange Vorreiter auf diesem Gebiet. In den vergangenen fünf Jahren hingegen wurden kaum Akzente gesetzt. Und es gibt auch keinen wirklichen Treiber mehr, seit die Gesundheitswirtschaft Hamburg aufgelöst wurde. Hamburg ist zwar Modellregion für die Telematik-Infrastruktur der Gematik geworden. Doch dies lag vor allem an den Bemühungen einzelner Personen und Akteure, nicht an Impulsen aus der Hamburger Politik.
Ein zweiter Aspekt, den wir vermissen, ist der Blick auf die wirtschaftliche Bedeutung des Gesundheitssektors für Hamburg. Die Gesundheitswirtschaft in Hamburg ist seit Langem der größte Arbeitgeber der Hansestadt und hat den Hafen bei weitem überflügelt. Dennoch wird der Bereich in der Hamburger Politik eher stiefmütterlich behandelt. Zugleich wurde in der Handelskammer Hamburg der bis dato eigenständige Ausschuss für Gesundheitswirtschaft aufgelöst. Diese Entwicklungen sind aus unserer Sicht sehr schade, hier sollte die nächste Landesregierung aus unserer Sicht wieder einen anderen Weg einschlagen.
TK: Wie haben Sie die Zusammenarbeit in der auslaufenden Legislaturperiode erlebt?
Puttfarcken: Die Herausforderungen der vergangenen Jahre waren groß - und werden es auch weiterhin bleiben. Das hat vor allem etwas mit steigenden Kosten im Gesundheitssystem und den endlichen finanziellen Ressourcen, auch bei den Krankenkassen, zu tun. Da hilft es sehr, dass es eine gut funktionierende Gesprächskultur zwischen dem Hamburger Senat, Senatorin Schlotzhauer und den Hamburger Krankenkassen gibt. Viele Entscheidungen werden sehr transparent und offen in Form von regelmäßigen Austauschformaten, von Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen und auch als ad hoc-Zusammenkünfte kommuniziert. Es liegt in der Natur der Sache, dass man sich nicht bei allem einig sein kann. Unter dem Strich habe ich die Gesprächskultur dennoch als vertrauensvoll, wertschätzend und respektvoll empfunden. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir das auch nach den Wahlen so fortsetzen!