Wie bewertet die TK die Pläne der Ampel-Koalition? Und was wird 2022 wichtig werden? Fragen dazu an Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg.  

TK: Frau Puttfarcken, wie sehen Sie den Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Koalition?

Maren Puttfarcken: Aus unserer Sicht enthält der Vertrag wichtige Punkte, bleibt an vielen Stellen allerdings unkonkret. Es ist wichtig, dass drängende Reformaufgaben wie eine zukunftsfähige Finanzierung des Gesundheitssystems, Strukturreformen in der Versorgung und die konsequente Fortsetzung der Digitalisierung vorangetrieben werden. Das Thema Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist zwar im Koalitionsvertrag berücksichtigt, greift aber zu kurz. So finden sich etwa keine wirksamen Maßnahmen zur Ausgabenkontrolle. Die Dynamisierung des Bundeszuschusses allein wird nicht ausreichen. Hier bräuchten wir dringend eine nachhaltige Strukturreform.

Im Bereich Versorgung enthält der Koalitionsvertrag vor allem Ideen und Ansätze. Allerdings bleibt noch vieles vage. Aus unserer Sicht ist es entscheidend, immer die Versorgungslandschaft als Ganze und die tatsächlichen Bedarfe vor Ort im Blick zu haben. Es ist gut, dass besonders der Bereich Krankenhaus in den Fokus gerückt wird. Nicht nur in der Fläche, sondern auch in den Metropolen wissen wir um das Thema Ressourcenmangel. Um die vorhandenen Ressourcen effizient zu nutzen und damit die Qualität in der Versorgung zu steigern, ist es wichtig, komplexe medizinische Leistungen an bestimmten spezialisierten Standorten zu konzentrieren. Das wurde in Hamburg zwar immer wieder versucht, dennoch haben wir weiterhin viele Zentren in Hamburg. Eine bessere Arbeitsteilung in der Metropole wäre wünschenswert. Im Bereich der Krankenhausfinanzierung fehlen uns im Koalitionsvertrag zudem klare Qualitätsanreize.

Maren Puttfarcken

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Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

Es ist wichtig, dass drängende Reformaufgaben wie eine zukunftsfähige Finanzierung des Gesundheitssystems, Strukturreformen in der Versorgung und die konsequente Fortsetzung der Digitalisierung vorangetrieben werden. Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

TK: Was ist Ihnen positiv aufgefallen?

Puttfarcken: Positiv aufgefallen ist mir, dass dem Thema Pflege große Bedeutung beigemessen wird. Hier gibt es viele dicke Bretter zu bohren, etwa bei der Finanzierung der Pflegeversicherung insgesamt. Wichtig ist es aber eben auch, die Situation der Krankenpflege in den Kliniken oder in der professionellen Altenpflege und der Pflege durch Angehörige zu verbessern und hier Perspektiven und Unterstützungsmöglichkeiten zu schaffen. Hierzu zähle ich zum Beispiel auch das Vorhaben, neue innovative und quartiersnahe Wohnformen zu etablieren. Dies haben wir in Hamburg bereits in vielen Projekten erprobt. Hier sieht man deutlichen Gestaltungswillen der neuen Bundesregierung. Darüber hinaus brauchen wir ein ganzes Maßnahmenbündel, um dem Personalmangel in der Pflege zu begegnen. Vor allem in der Altenpflege sehen wir in Hamburg bei einigen Anbietern gute Ansätze.  

Positiv wird es besonders beim Thema Digitalisierung. Hier gibt es auch viele konkrete Pläne. Wir sehen den Koalitionsvertrag als eindeutiges Signal, die Digitalisierung im Gesundheitswesen weiter voranzutreiben. Die geplante Stärkung der elektronischen Patientenakte (ePA) durch die Opt-Out-Regelung ist besonders positiv hervorzuheben. Wenn die ePA leistungsfähig ist und breit eingesetzt wird, ist sie das Schlüsselelement der Digitalisierung. Eine weitere wichtige Grundlage ist die kluge Nutzung von Gesundheitsdaten. Daher ist das geplante Gesundheitsdatennutzungsgesetz ein Schritt in die richtige Richtung. 

TK: Zum Abschluss: Wie blicken Sie auf das Jahr 2022 und welche Erwartungen haben Sie?

Puttfarcken: Das Thema Corona wird uns sicherlich auch in diesem noch neuen Jahr beschäftigen. Trotzdem blicke ich positiv auf das Jahr und hoffe, dass wir die Pandemie bald hinter uns lassen können. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal ausdrücklich insbesondere bei den Pflegekräften sowie Ärztinnen und Ärzten bedanken, die seit zwei Jahren Übermenschliches leisten. 

Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig gut ausgebildete Pflegekräfte sind. Daher hoffe ich, dass der Pflegeberuf in diesem Jahr weiterentwickelt und so attraktiv ausgestaltet wird, dass ihn ausreichend viele Personen erlernen und dann auch über viele Jahre hinweg gern ausüben möchten. Hierzu sind im Koalitionsvertrag der Ampel einige Ansätze enthalten.

Wie in jedem Jahr bringt auch das Jahr 2022 einige Neuerungen im Gesundheitswesen mit sich. Die elektronische Patientenakte (ePA) geht in die nächste Ausbaustufe und erhält neue Funktionen wie das Zahn-Bonusheft und den Impfpass. Außerdem startet die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Weiterhin sollen neue Pflegepersonaluntergrenzen in der Orthopädie, der Geburtshilfe und der Gynäkologie die Pflegekräfte in den Kliniken entlasten. Für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen kommt eine "Kostenbremse" bei den von ihnen zu zahlenden Eigenanteilen. Und spätestens ab Herbst müssen Pflegeeinrichtungen ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Dies wird voraussichtlich dazu führen, dass die finanziellen Belastungen für Pflegebedürftige weiter steigen. Es wird sicherlich wieder ein spannendes Jahr.