Warum sich die Krankenhausplanung und -finanzierung künftig stärker am Bedarf und an der Qualität der Behandlung orientieren muss, erklärt Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg, im Interview "Zur Sache".

TK: Die Stadt Hamburg schreibt den bestehenden Krankenhausplanung seit 2015 fort. Wie bewertet die TK das?

Maren Puttfarcken: Die für 2020 geplante Neuaufstellung des Krankenhausplans in Hamburg hat sich durch die Corona-Pandemie leider verzögert. Das ist verständlich, doch mit einer Fortschreibung wird auch immer die aktuelle Versorgungsstruktur festgeschrieben. Und das ist ein Problem, weil sich diese bisher nur wenig an den tatsächlichen Bedarfen orientiert. In der Diskussion um die Weiterentwicklung der stationären Versorgungsstrukturen in der Stadt spielt dieser Aspekt bisher aber leider keine ausreichend große Rolle. Auch das Kriterium der Qualität von Leistungen wird bei der Planung kaum berücksichtigt. Gleichzeitig zahlt auch Hamburg, wie die anderen Bundesländer auch, nicht genügend Geld für Investitionen in die Infrastruktur der Kliniken. Ein Effekt davon ist, dass Kliniken immer mehr Leistungen erbringen müssen, um zumindest ihre Kosten zu decken und Gewinne zu erwirtschaften. Das ist widersinnig.  

Im Gegensatz zum ländlichen Raum haben wir in Hamburg auch keinen Versorgungsmangel. Eher ist es so, dass die fehlende Abstimmung der Angebote aufeinander und der Wettbewerb um möglichst hohe Erlöse dazu führen, dass die medizinische Versorgung nicht immer konsequent am Interesse und Bedarf der Patientinnen und Patienten ausgerichtet ist. Hier muss die Krankenhausplanung gegensteuern.

Maren Puttfarcken

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Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

Die TK schlägt vor, dass die Krankenhausvergütung künftig aus drei Bestandteilen besteht: Vorhaltekosten, Qualitätszuschlägen und Fallpauschalen. Maren Puttfarcken

TK: Was schlägt die TK konkret vor?

Puttfarcken: Verkürzt würde ich sagen: Wir müssen weg von den "Gemischtwarenläden". Nicht jedes Krankenhaus in Hamburg muss jede Leistung anbieten. Unbestritten ist, dass Erfahrung und Routine die Behandlungsergebnisse verbessern. Wir brauchen also eine stärkere Spezialisierung und Konzentration auf einzelne Leistungen, um die Qualität der Versorgung insgesamt zu verbessern. Das gilt besonders bei Behandlungen von komplexen Krankheitsbildern und Leistungen, die einen hohen Spezialisierungsgrad erfordern. Die Patientinnen und Patienten profitieren davon, wenn besondere Leistungen, wie zum Beispiel Tumorkonferenzen, an einem Krankenhaus gebündelt werden.

Auch vor dem Hintergrund der nicht ausreichenden Investitionsförderung der Bundesländer und des Personalmangels ist eine stärkere Konzentration auf einzelne Krankenhäuser sinnvoll. In Hamburg sehen wir das am Beispiel der Level 1-Perinatalzentren (PNZ): Aktuell gibt es in Hamburg in fünf Kliniken Level 1-PNZ. Alle fünf PNZ haben Schwierigkeiten, ausreichend Pflegekräfte dauerhaft bereitzustellen; sie erfüllen dadurch nicht den durch die GBA-Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene vorgeschriebenen Personalschlüssel und melden entsprechende Ausnahmetatbestände. Gleichzeitig haben einige der Level 1-PNZ-Häuser nur sehr geringe Fallzahlen. Eine stärkere Konzentration auf weniger Standorte könnte hier Abhilfe schaffen.

Das bedeutet dann ebenfalls, überflüssige Kapazitäten in der Krankenhauslandschaft abzubauen oder umzuwandeln. Hierfür liegen viele interessante Konzepte auf dem Tisch. Klar ist auch, dass es am Ende für die Krankenhäuser noch wirtschaftlich sein muss. Wenn Kliniken nachweisen können, dass sie Patientinnen und Patienten mit einer kurzen Verweildauer und mit deutlich überdurchschnittlichen Ergebnissen behandelt haben, sollte sich dies auch in der Finanzierung niederschlagen. Die Krankenhausplanung sollte darüber hinaus bundesweit einheitlicher gestaltet werden. Denkbar wäre eine strukturierte regionale Versorgungsplanung auf Basis bundesweit einheitlich vorgegebener Versorgungsstufen.

TK: Und wie könnten sich die angesprochenen Punkte in der Finanzierung widerspiegeln?

Puttfarcken: Die TK schlägt vor, dass die Krankenhausvergütung künftig aus drei Bestandteilen besteht: Vorhaltekosten, Qualitätszuschlägen und Fallpauschalen. Die drei Teile bilden das Gesamtbudget für das jeweilige Krankenhaus und werden entsprechend der Inanspruchnahme leistungsbezogen finanziert. Unter Vorhaltekosten verstehen wir fixe Kosten für bedarfsnotwendige Strukturen, die durch das Bereithalten erforderlicher Betriebskapazitäten verursacht werden. Das könnten beispielsweise Fachabteilungen mit wenig planbaren Fällen wie etwa die Geburtshilfe sein oder aber Spezialdisziplinen, etwa für die Behandlung von seltenen Erkrankungen - beides wird aktuell im Vergütungssystem nicht ausreichend abgebildet. Wichtig ist, dass genau geschaut wird: Was ist bedarfsnotwendig? Sonst besteht das Risiko, dass durch die Finanzierung von Vorhaltekosten bestehende unwirtschaftliche und nicht bedarfsnotwendige Strukturen für die Zukunft zementiert werden.

Die reinen Behandlungskosten sollten auch weiterhin über die DRG erfolgen. Ihre Einführung hat zu einer Leistungstransparenz zwischen den Kliniken geführt, die erhalten bleiben sollte. Doch wichtig ist, dass auch die Behandlungsqualität in der Vergütung berücksichtigt wird. Für Qualitätszuschläge wird dazu in den USA das "Hospital Value-Based Purchasing Program" genutzt. Hierfür wird das gesamte Krankenhaus und dessen Versorgung betrachtet. Für jedes Krankenhaus wird ein Gesamtindex aus vier Bereichen - Prozess- und Ergebnisqualität, Patientenzufriedenheit und Kosteneffizienz - gebildet. Dieser Ansatz ist wesentlich weiter gefasst als bisher diskutierte Ansätze.

Ich bin gespannt, zu welchem Zeitpunkt die Weiterentwicklung der stationären Versorgungsstrukturen in Hamburg auf den Tisch kommt - nicht zuletzt, weil wir alle wissen, dass die finanziellen Mittel im Gesundheitswesen endlich sind. Andere Bundesländer, zum Beispiel, Nordrhein-Westfalen, sind hier schon weiter. Wir beteiligen uns gern an diesem Prozess!