Woran es bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen besonders hakt, ist die Nutzung der verfügbaren Gesundheitsdaten. Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg, spricht im Interview über die Chancen, wie Gesundheitsdaten die Versorgung verbessern könnten.

TK: Frau Puttfarcken, ab 2023 können Versicherte freiwillig ihre Daten über die elektronische Patientenakte für Forschungszwecke freigeben. Die TK fordert, dass auch Krankenkassen diese Daten nutzen dürfen - warum? 

Maren Puttfarcken: Bisher haben wir einen großen Datenschatz, der entweder gar nicht oder zumindest nur sehr unzureichend genutzt wird. Als Krankenkasse haben wir aber die Aufgabe, die Versorgung für unsere Versicherten zu verbessern und qualitativ weiterzuentwickeln. Dazu benötigen wir mehr Informationen und müssen in die Lage versetzt werden, verschiedene Daten, die wir als Krankenkasse haben, nutzen und miteinander verknüpfen zu dürfen. Und zwar nicht als Selbstzweck, sondern für unsere Versicherten. Die Daten gehören schließlich den Versicherten und sollten deshalb auch für ihre Gesundheit genutzt werden. Zum anderen wird Medizin immer komplexer und Therapien immer zielgerichteter. Deshalb ist es wichtig, große Datenmengen zu haben und analysieren zu können, um auf dieser Basis fundierte und präzise Entscheidungen treffen zu können. Hier spielt Künstliche Intelligenz eine große Rolle. Das sehen übrigens auch die Versicherten selbst: In einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr gaben 67 Prozent der Befragten an, dass sie ihre Daten auch der Krankenkasse zur Verfügung stellen würden. 

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Perspektivisch möchten wir für unsere Versicherten auch individualisierte digitale Angebote schaffen. Das aber ist bisher schwierig. Denn dafür müssten uns zum einen die Daten frühzeitig zur Verfügung stehen, und zum anderen müssen wir sie dazu auch nutzen dürfen. Ich denke da zum Beispiel an Angebote für bestimmte Krankheitsbilder oder auch Empfehlungen bei einer Schwangerschaft. Damit diese Angebote auch angenommen werden, müssen sie bedienerfreundlich sein und einen konkreten Nutzen versprechen. Das ist das Geschäftsmodell vieler kommerzieller Apps: Wenn sie einen Nutzen bieten und komfortabel im Handling sind, stellen viele Menschen dafür bereitwillig ihre eigenen Daten zur Verfügung, ohne sich lange mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB's) zu beschäftigen. So erhalten dann große, global agierende Tech-Unternehmen die Daten - häufig auch Gesundheitsdaten - und nutzen diese Informationen, um daraus Algorithmen zu entwickeln, mit denen sie die Menschen im Sinne ihrer kommerziellen Zwecke leiten. Unser Ziel als TK ist es, digitale Lösungen in der sicheren GKV-Umgebung anbieten zu können. 

TK: Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, damit die Daten zum einen zur Verfügung stehen und zum anderen auch nutzbar sind?

Puttfarcken: Wir brauchen eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wer unter welchen Bedingungen Daten wie nutzen darf. Dabei sollten wir die Europäische Datenschutzgrundverordnung als Chance sehen. Das heißt aber auch, dass wir beim Datenschutz eine Balance finden müssen zwischen dem Schutz vor Missbrauch einerseits und der Nutzung der Chancen für die Gesundheitsversorgung und Forschung andererseits. Klar ist für uns auch, dass die Datenhoheit immer bei den Patientinnen und Patienten liegen muss.

Wir brauchen eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wer unter welchen Bedingungen Daten wie nutzen darf. Die Datenhoheit muss immer bei den Patientinnen und Patienten liegen. Maren Puttfarcken

Maren Puttfarcken

Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

Weiterhin sind aus unserer Sicht drei Aspekte wichtig: Erstens benötigen wir eine schnellere Verfügbarkeit der Daten - vor allem im ambulanten Bereich. Ambulante Abrechnungsdaten erreichen uns Krankenkassen aktuell erst nach sechs bis neun Monaten. Das ist "historisch gewachsen" und auch im Vergütungssystem so verankert, hindert uns aber daran, diese Daten sinnvoll und zeitnah für Versorgungszwecke zu nutzen.  Wenn sich zum Beispiel Versicherte nach einem Arztbesuch bei uns erkundigen oder beraten lassen wollen, liegen uns die Informationen zu dem besagten Besuch noch gar nicht vor. Zweitens braucht es einen Rahmen, der für alle Seiten Rechtssicherheit schafft. Ob das angekündigte Gesundheitsdatennutzungsgesetz dafür ausreicht, wissen wir erst, wenn der Gesetzentwurf vorliegt. Und drittens fehlte es bisher vielleicht auch ein Stück weit am Willen der Politik, dieses Thema anzupacken. 

TK: Und auf Hamburg geblickt, wie gut ist das Gesundheitswesen in der Hansestadt bei diesem Thema aufgestellt?

Puttfarcken: Ich denke, wir sind in Hamburg gut gerüstet. Mit dem Projekt " H3 - Health Harbour Hamburg " vernetzen wir die unterschiedlichen Akteure im Gesundheitswesen über die Sektorengrenzen hinweg miteinander. Hier gibt es in Unterprojekten auch den Aspekt des Datenaustauschs. Weiterhin liegt das auch an unseren starken Partnern vor Ort. So konnten wir in einem ersten Modellprojekt das e-Rezept in der Hansestadt erproben, und wir arbeiten eng mit unterschiedlichen Akteuren im Health Innovation Port (HIP) zusammen. 

Bei dem konkreten Thema der Datenverfügbarkeit und Datennutzung, um die Versorgung zu verbessern, kommt es aber vor allem auf die Rahmenbedingungen an, und die werden auf Bundesebene beschlossen.
 

TK-Neujahrs­emp­fang 2022

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Unter dem Titel "(Gesundheits-)Daten endlich nutzen!" hat die Landesvertretung Hamburg der Techniker Krankenkasse (TK) am 26. Januar 2022 aufgrund der Corona-Pandemie erstmalig zu einem digitalen Neujahrsempfang eingeladen.