In Sachsen-Anhalt fast zwei Millionen Wahlberechtigte
Interview aus Sachsen-Anhalt
Interview mit Harald Trieschmann, Landeswahlbeauftragter Sozialwahl 2023 in Sachsen-Anhalt.

TK: Herr Trieschmann, Sie sind erneut zum Landeswahlbeauftragten für die Sozialwahlen in Sachsen-Anhalt bestellt worden. Worin besteht Ihre Aufgabe und wie ist der aktuelle Stand der Vorbereitungen?
Harald Trieschmann: In Sachsen-Anhalt ist das Amt des Landeswahlbeauftragten für die Sozialversicherungswahlen beim für die Sozialversicherungsträger zuständigen Aufsichtsministerium, dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt, angesiedelt.
Als Referatsleiter des Referates 34 (Gesetzliche Renten- und Unfallversicherung, Soziales Entschädigungsrecht, Schwerbehindertenrecht und medizinische Rehabilitation) habe ich dieses Amt bereits bei den letzten Sozialversicherungswahlen 2017 wahrgenommen und wurde erneut in dieses bestellt. Aufgabe des Landeswahlbeauftragten ist die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der Sozialversicherungswahlen bei den landesunmittelbaren Sozialversicherungsträgern. Dies sind in Sachsen-Anhalt die AOK Sachsen-Anhalt, die Feuerwehr-Unfallkasse Mitte und die Unfallkasse Sachsen-Anhalt. Diese haben eigene Wahlausschüsse errichtet.
Darüber hinaus wurde zum 1. Februar 2022 ein Landeswahlausschuss bestellt, der über Beschwerden zu entscheiden hat, die sich gegen Entscheidungen der bei den Sozialversicherungsträgern gebildeten Wahlausschüsse richten.
Harald Trieschmann
TK: Wer ist bei der Sozialwahl wahlberechtigt und wie viele Menschen in Sachsen-Anhalt sind in diesem Jahr aufgerufen, ihre Stimme abzugeben?
Trieschmann: Wahlberechtigt bei den Sozialversicherungswahlen sind grundsätzlich alle Sozialversicherten ab 16 Jahren sowie alle Rentnerinnen und Rentner. Sie alle wählen die Vertreterinnen und Vertreter der Versicherten. Familienversicherte Studentinnen und Studenten sind hingegen nicht stimmberechtigt.
Von den rund 2,19 Millionen Menschen in Sachsen-Anhalt sind fast zwei Millionen auch wahlberechtigt.
TK: Welche Sozialversicherungsträger beteiligen sich in unserem Bundesland an der Wahl?
Trieschmann: Neben den erwähnten landesunmittelbaren Sozialversicherungsträgern haben aufgrund der freien Krankenkassenwahl auch viele der derzeit 62 bundesunmittelbaren Krankenkassen Versicherte in Sachsen-Anhalt, die zur Sozialwahl aufgerufen sind. Für den Bereich der Unfallversicherung sind die neun gewerblichen Berufsgenossenschaften in Sachsen-Anhalt auch mit Versicherten vertreten. Für den Bereich der Rentenversicherung sind die Versicherten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Mitteldeutschland und der DRV Bund betroffen.
Weiterhin wird die Sozialversicherungswahl auch bei bestimmten Arbeitsgemeinschaften und Institutionen durchgeführt, wie zum Beispiel der Künstlersozialversicherung, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. oder dem Klinik-Verbund der Berufsgenossenschaften, da diese entweder als Arbeitgebervertretung oder ihre Versicherten, zum Beispiel Künstlerinnen und Künstler, als Arbeitnehmervertretung wählbar sind.
Für Versicherte gilt die Wahlberechtigung für den Versicherungsträger, bei dem sie versichert sind. Damit können Versicherte theoretisch an drei Wahlen teilnehmen; bei der eigenen Rentenversicherung, bei der eigenen Krankenkasse und bei der zuständigen Unfallversicherung.
Für Arbeitgeber gilt, dass diese bei allen Versicherungsträgern, bei denen die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versichert sind, wahlberechtigt sind. Sind zum Beispiel die Mitarbeitenden in 20 verschiedenen Krankenkassen versichert, könnte der Arbeitgeber auch an den Wahlen von allen 20 Krankenkassen teilnehmen.
TK: Im Vergleich zur Bundestags- oder Landtagswahl ist die Sozialwahl weniger bekannt. Warum ist es aus Ihrer Sicht dennoch wichtig zu wählen und was können die Menschen mit ihrer Stimme konkret bewirken?
Trieschmann: Bei der Sozialwahl können die Versicherten ihre Vertreter in die Parlamente der Sozialversicherung wählen. Diese Sozialverwaltungsorgane haben einen großen Einfluss. Sie entscheiden über die Besetzung oder Wiederwahl von Vorständen und geben unternehmerische Leitlinien vor.
Neben der Aufstellung des Haushaltsplanes haben die Selbstverwaltungen vielfältige Aufgaben. In der Unfallversicherung werden beispielsweise Unfallverhütungsvorschriften erarbeitet und die Gefahrentarife und die Höhe der Beiträge festgestellt. Die Selbstverwaltungen in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der Rentenversicherung entscheiden unter anderem welche Präventions- oder Rehabilitationsmaßnahmen gefördert oder übernommen werden.
Auch bei der diesjährigen Sozialversicherungswahl führen die Sozialversicherungsträger in Sachsen-Anhalt ihre Sozialwahl als "Wahl ohne Wahlhandlung" durch (sogenannte Friedenswahlen). Das ist immer dann der Fall, wenn es genau so viele Kandidatinnen und Kandidaten wie zu vergebende Mandate oder nur eine Liste gibt. Dann fällt eine tatsächliche Wahl aus und alle sind automatisch gewählt. Die Wahl ohne Wahlhandlung findet immer dann statt, wenn sich alle Interessenten darüber einig sind, keine Urwahl zu wollen.
TK: Zur Sozialwahl 2023 gibt es auch ein paar Veränderungen. Unter anderem können die Krankenkassen ihren Versicherten erstmalig neben der traditionellen Briefwahl auch eine Online-Wahl ermöglichen. Wie bewerten Sie die Neuerungen und was bedeutet das für Ihre Aufgaben als Landeswahlbeauftragter?
Trieschmann: Die Online-Stimmabgabe ist sicherlich eine Maßnahme, um die Wahlbeteiligung an der Sozialwahl zu erhöhen. Diese kann jedoch nur parallel zu der derzeit durchgeführten Briefwahl stattfinden und diese nicht gänzlich ersetzen.
Im Anschluss an die diesjährigen Sozialversicherungswahlen erfolgt eine Evaluierung mit den für die Landeswahl beauftragten Personen aller Bundesländer.
Zur Person
Harald Trieschmann schloss 1991 seine juristische Ausbildung mit dem zweiten Staatsexamen ab und ist seit April 1991 in verschiedenen Funktionen im heutigen Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt tätig. Derzeit leitet er das Referat Gesetzliche Renten- und Unfallversicherung, Soziales Entschädigungsrecht, Schwerbehindertenrecht und medizinische Rehabilitation. Zugleich ist er Landesbeauftragter für die Wahlen zur Sozialversicherung 2023 in Sachsen-Anhalt.