TK: Frau Frackmann, Sie sind seit rund einem Jahr Mitglied im Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes Sachsen-Anhalt. Warum haben Sie sich gerade für dieses Ehrenamt entschieden und auf welchem Weg sind Sie dazu gekommen? 

Ulrike Frackmann: Meine bisherigen beruflichen Tätigkeiten weisen eine enge Verknüpfung zum Sozialbereich auf. Daher ist für mich soziales Engagement nichts Neues. Allerdings erlebe ich dabei hautnah mit, welche negativen Auswirkungen politische Fehlentscheidungen hervorbringen. Nach meiner Überzeugung liegen die Ursachen unter anderem in einer zunehmenden Distanz der politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger zur Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Als Mitglied im Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes Sachsen-Anhalt kann ich einen Beitrag leisten, die Interessen der Solidargemeinschaft der Versicherten zu vertreten.

Ulrike Frack­mann

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Mitglied des Verwaltungsrates des Medizinischen Dienstes Sachsen-Anhalt

TK: Wie sieht Ihre Arbeit als Selbstverwalterin aus und auf welche Art und Weise profitieren die Versicherten ganz konkret davon?

Frackmann: Die Aufgaben des Medizinischen Dienstes bestehen im Wesentlichen darin, die Leistungserbringenden zu kontrollieren. Schließlich finanziert sich das System aus den Beiträgen der Versicherten und der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber.

Aus Gründen der gesellschaftlichen Solidarität und Gerechtigkeit verbietet es sich, die Gesundheits- und Pflegeleistungen der marktwirtschaftlichen Regulierung aus Angebot und Nachfrage zu überlassen. Letztendlich sollen sich die Medizin- und Pflegeleistungen an den Erfordernissen und nicht den finanziellen Möglichkeiten der Leistungsempfänger orientieren.

Aus diesem Grund kontrolliert der Medizinische Dienst die Leistungserbringenden, um den Anspruch aller Versicherten auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche medizinische Versorgung nach dem Maß des Notwendigen zu sichern. Im Verwaltungsrat entscheiden gewählte, ehrenamtlich tätige Mitglieder über die Rahmenbedingungen für diese Kontrolltätigkeiten. Der Mehrwert für die Versicherten besteht dabei darin, die Kosten und somit die Höhe der zu zahlenden Sozialbeiträge nicht ausufern zu lassen.

Nachvollziehbar und selbstverständlich kommt es bei den Akteurinnen und Akteuren im Sozialsystem der deutschen Kranken- und Pflegeversicherung, welche aus Leistungserbringenden, Leistungsbeziehenden, Beitragszahlenden und Gesetzgebenden bestehen, zu Interessenkonflikten. Nur eine Ausgewogenheit der Machtverhältnisse verhindert, dass dabei Entscheidungen getroffen werden, die zu einseitigen Belastungen führen.

TK: Die Politik lässt immer wieder das Bestreben erkennen, in die Handlungsautonomie der Selbstverwaltung einzugreifen. Inwieweit beeinflusst diese Entwicklung Ihre aktuelle Tätigkeit und würden Sie sich vor diesem Hintergrund wieder zur Wahl stellen? 

Frackmann: Die Bundespolitik versucht bereits seit geraumer Zeit die Entscheidungsbefugnisse der sozialen Selbstverwaltung zu beschneiden. Mit teilweise fragwürdigen Argumenten werden diese Beschneidungen begründet. So ist der derzeitige Bundesgesundheitsminister ein großer Verfechter einer Einheitskasse, möglichst unter staatlicher Aufsicht und Abschaffung der Umlagefinanzierung. Wohin das führt, darüber kann ich, die ich in der ehemaligen DDR aufgewachsen bin, leidvoll berichten. Eine große Anzahl an Leistungen, die der Staat nicht finanzieren konnte oder wollte, standen einfach nicht zur Verfügung. Das Resultat war eine deutlich niedrigere Lebenserwartung im Vergleich zur Bundesrepublik.

Im heutigen System der Marktwirtschaft würde dieses Modell in kurzer Zeit zu einer strukturellen Zweiklassenmedizin führen. Nur wer es sich leisten kann, wäre in der Lage, mit privat finanzierten Behandlungen, welche gegebenenfalls im Ausland erfolgten, seine Lebensqualität und Lebenserwartung deutlich zu erhöhen.

Um solche Entwicklungen zu verhindern bin ich gern bereit, mich weiterhin in der Sozialen Selbstverwaltung zu engagieren. Jeder einzelne Versicherte kann seinen Beitrag zur Stärkung der Selbstverwaltung leisten.

Mein Appell an Sie: Bitte nehmen Sie an dieser Wahl teil!

Im Mai 2023 finden wieder die Sozialwahlen zur Kranken- und Rentenversicherung statt. Eine hohe Wahlbeteiligung sendet das Signal an die Politik, dass Soziale Selbstverwaltung eine große Akzeptanz in der Bevölkerung genießt.

Zur Person

Ulrike Frackmann ist ehrenamtliches Mitglied im Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes Sachsen-Anhalt. Die gebürtige Leipzigerin ist ausgebildete Kinderkrankenschwester und übt aktuell die Tätigkeit einer Verwaltungsfachangestellten im Sozialbereich des öffentlichen Dienstes aus. Sie ist Mutter von zwei Kindern.