In diesem Jahr steht in Deutschland die so genannte Sozialwahl an. Stichtag ist der 31. Mai 2023. Alle sechs Jahre haben rund 52 Millionen Menschen das Recht, ihre Stimme abzugeben. Somit handelt es sich bei der Sozialwahl um die drittgrößte Wahl in Deutschland, nach der Europawahl und den Wahlen zum Deutschen Bundestag.

Sozialwahlen gibt es bei allen Trägern der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Unfallversicherung. Bei der TK wird seit jeher eine Urwahl durchgeführt. Dabei können die Mitglieder entscheiden, wer ihre Interessen im höchsten Entscheidungsgremium der Krankenkasse, dem Verwaltungsrat, vertreten soll. Im nachfolgenden Interview mit Jörg Ide, dem Leiter des Geschäftsbereichs Verwaltungsrat und Vorstand der TK, wird beleuchtet, warum diese Wahl von maßgeblicher Bedeutung ist. 

TK:  In einer aktuellen Forsa-Umfrage gab mehr als jeder bzw. jede Sechste der Interviewten in Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland an, dass Bürger und Bürgerinnen stärker in Entscheidungen zur Gesundheitsversorgung eingebunden werden sollten. Welche Einflussmöglichkeiten haben Versicherte durch die Beteiligung an der Sozialwahl? 

Jörg Ide: In Deutschland sind die Träger der Sozialversicherungssysteme selbstverwaltete Körperschaften des öffentlichen Rechts. Das bedeutet, dass die Beitragszahlenden selbst wählen können, wer ihre Interessen vertritt. Im internationalen Vergleich gibt es kaum Versicherungssysteme, die dies ermöglichen. Bei der TK nimmt der Verwaltungsrat großen Einfluss auf grundlegende, strategische Entscheidungen der Krankenkasse. 

Bei der TK nimmt der Verwaltungsrat großen Einfluss auf grundlegende, strategische Entscheidungen der Krankenkasse. Jörg Ide

Vergleichbar mit der Funktion eines Aufsichtsrats im Unternehmen wählt er zum Beispiel den Vorstand. Darüber hinaus beschließt das Gremium den Haushalt, legt den Zusatzbeitragssatz fest und entscheidet darüber, welche Satzungsleistungen den Versicherten über die Regelversorgung hinaus zur Verfügung gestellt werden. Das können beispielsweise verschiedene Präventionsangebote oder auch Impfungen sein, deren Kosten dann von der Krankenkasse übernommen werden - ein Einfluss auf die Gesundheitsversorgung, der für die Versichertengemeinschaft direkt spürbar ist.

Jörg Ide

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Leiter des Geschäftsbereichs Verwaltungsrat und Vorstand bei der Techniker Krankenkasse

TK: Wer kann sich für die Sozialwahl aufstellen lassen?

Ide: Die Kandidierenden werden von den Wahlberechtigten nicht persönlich, sondern als Mitglied einer Vorschlagsliste gewählt. Es handelt sich also um eine so genannte Listenwahl. Für die Sozialwahl 2023 wurden beim Wahlausschuss der TK vier Vorschlagslisten für die Gruppe der Versicherten eingereicht. Diese werden sich und ihre Kandidierenden demnächst in den Mitgliedermagazinen der TK sowie auf tk.de vorstellen.

TK: Welche Möglichkeiten der Stimmabgabe gibt es?

Ide: Bislang erfolgte die Wahl ausschließlich durch eine briefliche Stimmabgabe. Auf Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit wurde am 18. Dezember 2019 ein Gesetz beschlossen, das es der Versichertengemeinschaft künftig ermöglichen soll, auch online zu wählen. Als TK begrüßen wir diesen Schritt sehr und hoffen, dass es gelingt, dieses Jahr den elektronischen Weg der Stimmabgabe anzubieten. Eine Mammutaufgabe für alle Beteiligten.

Die Stimme digital abgeben - wir betreten hier Neuland und leisten echte Pionierarbeit. Jörg Ide

Immerhin sollen - allein bei den Ersatzkassen - rund 22 Millionen Versicherte die Option erhalten, ihre Stimme digital abgeben zu können. Wir betreten hier Neuland und leistet echte Pionierarbeit. Ich selbst erhoffe mir von der Bereitstellung des Online-Wahlsystems eine weitere Steigerung der Wahlbeteiligung.

TK: Was gilt es über den Ablauf des Wahlverfahrens noch zu wissen?

Ide: Allein bei der TK sind rund 8,7 Millionen Versicherte wahlberechtigt und aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Der Verwaltungsrat hat zur Organisation und Durchführung der Wahl einen Wahlausschuss eingesetzt. Dieser entscheidet, welche Listen zur Wahl zugelassen werden können, überwacht die Stimmauszählung und stellt das Wahlergebnis fest.

TK: Die Politik scheint die Selbstverwaltung immer stärker einzuschränken. Wie beurteilen Sie diese staatsmedizinischen Tendenzen?

Ide: Diese Tendenzen gibt es leider, also dass die Politik bei wichtigen Entscheidungen die Selbstverwaltung außen vor lassen möchte, wie es aktuell bei der Krankenhausreform der Fall ist.

Das Prinzip der sozialen Selbstverwaltung ist eine klare Stärke unseres Gesundheitssystems. Jörg Ide

Das ist falsch, denn das Prinzip der sozialen Selbstverwaltung ist eine klare Stärke unseres Gesundheitssystems. Schon allein, weil an den Entscheidungen der Selbstverwaltung die Mitglieder und Beitragszahlenden gemeinsam beteiligt sind und diese Entscheidungen in der Folge auch mittragen. Damit vertreten sie schließlich diejenigen, die es auch angeht, nämlich die Mitglieder der TK. Und hier schließt sich der Kreis: Damit sich die Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter weiterhin aktiv für die Rechte und Interessen der TK-Mitglieder einsetzen können, brauchen sie deren Legitimation. Ihre Stimme bei der Sozialwahl 2023.

Zur Person

Jörg Ide leitet den TK-Geschäftsbereich Verwaltungsrat und Vorstand und koordiniert die alle sechs Jahre stattfindende Sozialwahl, bei der rund 8,7 Millionen TK-Mitglieder stimmberechtigt sind.