Ambulantisierung im Krankenhaus: Bislang noch keine großen Schritte
Interview aus Bremen
Die Krankenhauslandschaft im Land steht vor einigen Herausforderungen. Um Kliniken und Personal zu entlasten sowie Einsparungen zu erreichen, sieht das Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vor, Behandlungen wie bisher stationär durchzuführen, um danach die Patientinnen und Patienten wieder nach Hause zu schicken.

Warum die Tagesbehandlung aber keine Lösung für die notwendige Ambulantisierung bisher stationär erbrachter Leistungen ist und warum die heute weitgehend ungesteuerte Krankenhausstruktur mit ihrem Überangebot an Betten zu einer Reihe von Problemen führt, erklärt Sabrina Jacob, Leiterin der TK-Landesvertretung Bremen, im Interview.
TK: Der Gesetzgeber plant, im Krankenhaus sogenannte Tagesbehandlungen einzuführen. Welches Ziel verfolgt der Gesetzgeber damit?
Sabrina Jacob: Die Regierungskommission Krankenhaus hat Ende September vorgeschlagen eine neuen Behandlungsform "Tagesbehandlung" einzuführen. Vorgesehen ist, dass Krankenhäuser Leistungen, die bisher vollstationär erfolgt sind, als Tagesbehandlungen zu erbringen. Die Patienten sollen also nach der Behandlung die Nacht zu Hause verbringen, müssen dem aber zustimmen. Das soll die Pflegekräfte entlasten und zugleich Geld für das Gesundheitssystem einsparen.
TK: Halten Sie es für wahrscheinlich, dass das Ziel, dadurch Einsparungen zu generieren, erreicht wird?
Jacob: Tagesbehandlung im Krankenhaus sind keine Lösung für die notwendige Ambulantisierung bisher stationär erbrachter Leistungen. Was wir benötigen, ist eine echte Strukturreform der stationären Versorgung. Wir haben weiterhin zu viele Krankenhausbetten, zu viele unnötige Operationen, zu wenig Spezialisierung und zu wenig ambulante Operationen. Für alle diese dringenden Probleme unseres Gesundheitswesens bietet der aktuelle Vorschlag keine Lösung. Eine stationäre Behandlung ohne Übernachtung ist noch lange keine Ambulantisierung. Behandlungen, die ambulant möglich sind, werden damit weiterhin stationär bezahlt.
TK: Kann die Tagesbehandlung eine Antwort auf den Fachkräftemangel in der Pflege bieten?
Jacob: Die Tagesbehandlungen sind Teil des Krankenhauspflegeentlastungsgesetztes. In diesem wird auch die Pflegepersonalbemessung neu geregelt. Auch sie löst kein einziges Problem in der Pflege - im Gegenteil: Statt neuer Kolleginnen und Kollegen wird die geplante Pflegepersonalbemessung den Pflegekräften jede Menge zusätzlichen Bürokratieaufwand bescheren. Bei den Krankenhäusern gibt es definitiv viele drängende Aufgaben für die Politik - PPR 2.0 einzuführen, gehört nicht dazu. Zur Personalbemessung gibt es längst eine gesetzliche, von allen Seiten akzeptierte Lösung. Die gemeinsame Selbstverwaltung hatte bereits begonnen, diese umzusetzen. Das wird nun durch Aktionismus ausgebremst, während andere, sinnvolle Reformen weiter warten müssen.
TK: Welchen Reformschritt schlägt die TK zur Lösung der aktuellen Probleme vor?
Jacob: Wir brauchen einen kausalen Ansatz: Eine Krankenhaus-Strukturreform! Diese müsste mehrere Aspekte abdecken: Erstens eine übergreifende Krankenhausplanung: Wir müssen weg von "organisch gewachsen" hin zu "sinnvoll geplant". Dabei braucht es bundesweit eine klare Trennung der Versorgungsebenen. Die Basis muss die Grundversorgung überall in der Fläche sein. Hier brauchen wir Krankenhäuser, die Notfälle versorgen und eine ambulant-stationäre Basisversorgung sicherstellen. Für schwere und komplexe Erkrankungen benötigen wir zweitens spezialisierte Zentren, die entsprechende Eingriffe routiniert und mit hoher Qualität durchführen können. Nicht jedes Krankenhaus muss alle Behandlungen anbieten! Drittens brauchen wir überregional Universitätskliniken für die forschende Spitzenmedizin und Lehre.
Viertens brauchen wir mehr Vernetzung: Ambulante und stationäre Versorgung sollte nach dem Grundsatz "ambulant vor stationär" ausgerichtet sein. Wo möglich, sollte gelten: "Digital vor ambulant vor stationär."
Eine zeitgemäße Krankenhausfinanzierung ist fünftens ein Schlüsselfaktor für die Versorgung. Das DRG-System hat für Transparenz und Vergleichbarkeit gesorgt, hat aber auch zu Fehlentwicklungen wie eines "Wettrüsten" zwischen "Kodier-Optimierung" der Kliniken und Krankenhausrechnungsprüfung der Krankenkassen geführt, um möglichst hohe Erträge zu erlösen beziehungsweise zu vermeiden. Das kostet zu viel Geld, Ressourcen und guten Willen. Daher bedarf es gewisser Anpassungen. Deshalb schlägt die TK vor, zusätzlich das Finanzierungssystem mit einem neuen Mix aus Fallpauschalen, Vorhaltekosten und Qualitätszuschlägen anzupassen.
Um die Ambulantisierung wirklich voranzubringen, brauchen wir Hybrid-DRGs, um perspektivisch die Wahl "stationär oder ambulant" unabhängig von finanziellen Fehlanreizen zu machen.