Gesundheitsversorgung in Thüringen muss politische Chefsache werden
Position aus Thüringen
Es reicht ein kurzer Blick in die bestehende gesundheitliche Daseinsvorsorge, besonders die Thüringer Krankenhausstruktur, um zu sehen, dass es viele offene Baustellen gibt. Sie müssen zeitnah angegangen werden, meint Guido Dressel, Leiter der TK-Landesvertretung Thüringen.

Politische Entscheidungsträger haben es selten einfach. Und in Thüringen ist spätestens seit März 2020 besonders gut zu sehen, wie schwer politische Entscheidungen in Minderheitsregierungen durchzusetzen sind. Wirkliche strukturelle Veränderungen für die Gesundheitsversorgung werden dadurch erschwert, dass die die Regierung duldende Oppositionspartei in vielen Landkreisen stark verankert ist. Sachgeleitete Diskussionen um die Zukunft von Krankenhausstandorten sind so kaum möglich.
Guido Dressel
Zu dieser politisch ohnehin schwierigen Gemengelage kam die Corona-Pandemie, die alle verfügbaren Kräfte gebunden hat.
Ja, dass in den vergangenen zwei Jahren in Thüringen gesundheitspolitisch kaum eines der seit Jahren drängenden Probleme angegangen wurde, ist nachvollziehbar.
Gemeinsamer Antrag zeigt Dringlichkeit
Doch leider verbessern sich vor diesem Hintergrund weder die nicht zeitgemäße, in kleinen Inseln gedachte Thüringer Krankenhausstruktur noch die immer schwieriger werdende Fachkräfterealität. Im Gegenteil: Die Probleme wurden in den vergangenen Monaten und Jahren immer deutlicher sichtbar. Die langwierigen Verhandlungen um mehr Medizinstudienplätze inklusive Haus- und Facharztquote im Thüringer Landtag, das Gerangel um die Zukunft des Schleizer Krankenhauses oder die sich immer weiter verschärfenden finanziellen Schwierigkeiten einzelner Krankenhäuser sind nur ein Auszug zahlreicher Beispiele.
In dieser für alle sichtbar angespannten Situation haben die Landtagsfraktionen von CDU und Rot-Rot-Grün die Landesregierung gemeinsam dazu aufgefordert, ein Zukunftsbild für die Landeskrankenhausplanung vorzulegen - und zwar bis zum zweiten Quartal 2022.
Visionäre, zielgenaue Versorgungsplanung nötig
Thüringen muss in die sektorenübergreifende Planung einsteigen. Diese muss sich am medizinischen Versorgungsbedarf der Zukunft orientieren und die mittelfristig vorhandenen Fachkräftereserven vor Ort berücksichtigen. Ausschließlich auf dieser Basis sollten künftig größere Investitionsentscheidungen und Anträge im Rahmen der Krankenhausstrukturförderung erfolgen.
In diese Planung gehört auch eine echte E-Health-Strategie für den Freistaat, der die durchaus vorhandenen Ideen zu digitalen Unterstützungsmöglichkeiten der Gesundheitsversorgung bündelt und Synergien ermöglicht.
Von den Erkenntnissen zur Umsetzung kommen
Thüringen muss in diesem Jahr ins strukturierte Handeln kommen. Wir müssen uns auf den Weg machen, von der Erkenntnis über Schieflagen zur Umsetzung von Lösungen zu kommen. Genau wie bei den Thüringerinnen und Thüringern müssen Strukturen für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung auch in der Landesregierung ganz oben auf die Tagesordnung. Sie müssen politische Chefsache werden.
Die nötigen Erkenntnisse und Fachexpertise haben wir im Freistaat. Es gibt zahlreiche Vorschläge von Versorgungsforscherinnen und -forschern, Ärztegremien und Überlegungen von Krankenhausträgern.
Dass im Entschließungsantrag eine "Zukunftswerkstatt" gefordert wird und damit die Bezeichnung der "Zukunftswerkstatt Krankenhaus" in Sachsen übernommen wird, ist sicher kein Zufall. Und es ist pragmatisch. Denn wir müssen nichts neues erfinden, wo es bereits kluge Blaupausen gibt.
Dabei ist die Form zweitrangig. Eine Enquete-Kommission im Landtag, die Stärkung des Gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a SGB V oder alternative Vernetzungsformate auf Landes- und Regionalebene sind hier denkbar.