TK: Was erwarten Sie von der neuen Landesregierung in der anstehenden Legislaturperiode und was muss zuerst in Angriff genommen werden, um die Krankenhausversorgung in Sachsen-Anhalt zukunftsfest zu machen? 

Dr. Gösta Heelemann: Die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger des Landes mit einer hochwertigen und flächendeckenden Krankenhausversorgung ist eine zentrale Aufgabe des Landes. Nicht zuletzt hat die Corona-Pandemie sowohl die Stärken als auch die Schwächen der stationären medizinischen Versorgung im Land aufgezeigt und uns damit die Chance gegeben, entsprechende Lehren daraus zu ziehen. Das bedeutet: 

Erstens: Das gestufte System aus Kliniken der Grundversorgung, Schwerpunkt- und Maximalversorgung in Sachsen-Anhalt hat sich bewährt und darf nicht aufgegeben werden. Auf kein Krankenhaus hätte verzichtet werden können. Der Erhalt aller 57 Standorte der 45 Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt darf deshalb nicht in Frage gestellt werden und muss durch eine auskömmliche Investitionsfinanzierung unterstützt werden. 

Zweitens: Für die Planung und Sicherstellung der Krankenhausversorgung muss das Land, unter angemessener Berücksichtigung der Trägervielfalt und Subsidiarität, weiterhin die Letztverantwortung übernehmen und mit einer aktiven Krankenhausplanung für die Bedürfnisse der Einwohnerinnen und Einwohner die passende Balance zwischen Zentralisierung und wohnortnaher Versorgung finden. Dabei müssen die Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie zu den erforderlichen Standorten und den Kapazitäten einbezogen werden. 

Drittens: Sachsen-Anhalt muss sich auf der Bundesebene dafür stark machen, den durch eine restriktive Gesetzgebung herbeigeführten kalten Strukturwandel durch verantwortlich handelnde Politik zu ersetzen. Die Finanzierung der Personal- und Sachkosten in den Krankenhäusern muss sowohl in Krisenzeiten einer Pandemie als auch im "Normalbetrieb" sichergestellt werden.

Dr. Gösta Heele­mann

Portrait Dr. Gösta Heelemann, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt

TK: Investitionskosten sollen künftig besser durch das Land finanziert werden, hierbei sind sich alle Parteien einig. Was wäre konkret durch die Landesregierung auf den Weg zu bringen, um Kliniken in Sachsen-Anhalt langfristig auskömmlich finanziell auszustatten? 

Heelemann: Die Krankenhäuser haben nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) einen Rechtsanspruch auf die staatliche Förderung ihrer Investitionen. Nach wie vor ist die ungenügende Krankenhausinvestitionsfinanzierung durch das Land Sachsen-Anhalt ein wunder Punkt und steht seit vielen Jahren auf der Prioritätenliste unserer Bemühungen um Abhilfe. Der aufgelaufene Investitionsstau ist riesig, der Nachholbedarf enorm.

Seit fünf Jahren fordern wir von der Landesregierung einen stufenweisen Abbau der Investitionsdefizite durch ein mehrjähriges Krankenhausinvestitionsprogramm. An diesem Vorschlag halten wir fest. Die Beteiligung des Landes an Bundesförderprogrammen, wie aktuell am Krankenhauszukunftsfonds, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Einmalige Finanzierungsprogramme sind jedoch nicht nachhaltig und deshalb keine befriedigende Lösung. Investitionen sind stabile Größen und müssen jährlich fließen, damit auch Wiederbeschaffungsmaßnahmen durch die Kliniken regelmäßig getätigt werden können.

Eine dauerhafte Aufstockung der Haushaltsansätze für Einzel- und Pauschalförderung ist deshalb zwingend notwendig. Die Krankenhausförderung im Rahmen des KHG muss in einem mehrjährigen Investitionsprogramm der Landesregierung kontinuierlich an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Von den zuständigen Ministerien ist ein Förderschwerpunkt auf den Ausbau der Digitalisierung zu setzen. Bei der Ausgestaltung der Investitionsfinanzierung sind die Erkenntnisse aus der Coronapandemie zu berücksichtigen. Auch bei zukünftigen Bundesprogrammen muss das Land die vollständige Kofinanzierung gewährleisten. 

TK: Bis zum 31. Dezember 2021 können Krankenhäuser beim Land Anträge stellen, um Mittel aus dem Krankenhauszukunftsgesetz abzurufen. Welche zwei Förderschwerpunkte standen bei den Kliniken ganz oben auf der Agenda? 

Heelemann: Für Sachsen-Anhalt bedeutet der Krankenhauszukunftsfonds einen Digitalisierungsschub in Höhe von insgesamt 118,25 Millionen Euro. Aufgrund der bisher vom Land zur Verfügung gestellten viel zu geringen Pauschalfördermittel haben die Kliniken bisher vorrangig in Medizintechnik investiert und Digitalisierungsmaßnahmen auf das notwendige Maß beschränken müssen. Den hierdurch entstandenen Nachholbedarf gilt es nun aufzuholen.

Bis zum 11. Juni 2021 waren die Orientierungsanträge bei der Investitionsbank Sachsen-Anhalt einzureichen. Alle Anträge werden nun in einer Arbeitsgruppe gesichtet und dem Landesplanungsausschuss vorgelegt. Das Recht der Krankenkassen zur Stellungnahme besteht. Die Orientierungsanträge werden dann gemeinsam mit der Investitionsbank zu Bedarfsanträgen bearbeitet. Diese können im dritten Quartal dieses Jahres beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) eingereicht werden, so dass alle Anträge dem BAS fristgerecht bis zum 31. Dezember 2021 vorliegen. 

Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt wird der KGSAN in den nächsten Tagen die detaillierte Übersicht zu den Förderschwerpunkten bei den Anträgen vorlegen. 
Der Bedarf seitens der Krankenhäuser ist hoch. Eingereicht wurde eine große Anzahl von Orientierungsanträgen mit einem Gesamtvolumen von zirka 208 Millionen Euro. Insbesondere der Fördertatbestand 3 "Digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation" steht dabei ganz oben auf der Agenda der Kliniken. Gestellt wurden auch Gemeinschaftsanträge zur Umsetzung telemedizinischer und krankenhausübergreifender Projekte, mit denen die Vernetzung zwischen den Kliniken gefördert werden soll. 

TK: Worauf setzt die Krankenhausgesellschaft ihren strategischen Fokus in den kommenden fünf Jahren? 

Heelemann: Ein strategischer Schwerpunkt wird ganz sicher die sektorenübergreifende Gestaltung der medizinischen Versorgung sein. Die Versorgung in einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt lässt sich nur sicherstellen, wenn Krankenhäuser im ländlichen Raum mehr ambulante Aufgaben übernehmen dürfen. Ambulante und stationäre Versorgung müssen zusammen gedacht werden. Wir befürworten deshalb den Ausbau von Krankenhäusern zu Gesundheitszentren. Die Ressourcen zur weitreichenden Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Behandlungsleistungen sind vorhanden. Die Umsetzung und Finanzierung muss durch den Gesetzgeber geregelt werden.

Des Weiteren muss das Leistungsspektrum der Krankenhäuser über die ambulante und stationäre medizinische Patientenbehandlung hinaus unter Berücksichtigung der regionalen Versorgungsbedarfe auch für die krankenhausnahe Anschlussversorgung, insbesondere im Bereich der Kurzzeitpflege, geöffnet werden. 

Von der neuen Landesregierung erwarten wir, dass sie sich auf der Bundesebene für eine gesetzlich geregelte Sicherstellung der Finanzierung zur Öffnung des Leistungsspektrums der Krankenhäuser zugunsten einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung einsetzt. Aus Krankenhausplanung und vertragsärztlicher Bedarfsplanung muss eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung werden.

Dazu brauchen die Länder mehr aktive Mitwirkungsrechte in der vertragsärztlichen Versorgungssteuerung. Sie müssen das Recht erhalten, Krankenhäuser dauerhaft zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung zuzulassen. Und natürlich sollte - auch das ist eine der Lehren aus der Pandemie - die Finanzierung von Vorhalteleistungen für Notfallsituationen perspektivisch stärker von der Finanzierung für die laufende Patientenbehandlung getrennt werden. Dafür werden wir uns als Landesverband der Krankenhausträger in Sachsen-Anhalt einsetzen.    

Zur Person 

Dr. Gösta Heelemann ist seit 2006 Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt. Er ist stellvertretendes Vorstandsmitglied der Deutschen Krankenhausgesellschaft und Mitglied in den DKG-Ausschüssen für Krankenhausfinanzierung, Personalwesen und Organisation sowie in der Satzungskommission und der Kommission für europäisches und internationales Krankenhauswesen.  In der Bundesschiedsstelle nach § 18a Abs. 6 KHG vertritt er als Mitglied die DKG-Bank. Darüber hinaus engagiert er sich in diversen Landesgremien Sachsen-Anhalts.