Die COVID-19-Pandemie hat sich vielfach auf das gesellschaftliche und individuelle Leben ausgewirkt. Eine Gruppe von Betroffenen sind Personen, die nach ihrer häufig auch mild verlaufenden Corona-Infektion andauernde Beschwerden entwickelt haben. Das Krankheitsbild wurde als Long-COVID definiert. Inzwischen ist die Liste der beschriebenen Symptome lang und es gibt Patientinnen und Patienten, die durch diese Symptome schwer beeinträchtigt sind. Die Symptomatik ist dabei so unspezifisch und vielfältig, dass nach aktuellem Wissensstand der therapeutische Ansatz mit einer insgesamt holistischen Therapie mit somatischen und psychosomatischen Ansätzen erfolgversprechend zu sein scheint. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert seit 2021 zehn Projekte zur Erforschung von Long-COVID. 

Prof. Dr. Rafael Miko­la­jczyk

Rafael Mikolajczyk, Leiter des IMEBI an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiter des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik (IMEBI) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 

Im PsyLoCo-Projekt entwickeln Forscherinnen und Forscher eine multimodale Therapie, die insbesondere auf die psychosozialen Bedürfnisse von Long-COVID-Betroffenen abzielt.

Interviews mit Betroffenen

Beteiligt sind die folgenden fünf Universitätsklinika mit ihren jeweiligen psychosomatischen Abteilungen: die Technische Universität München (Dr. Allwang), Magdeburg (Prof. Junne), Ulm (Prof. Gündel), Freiburg (Prof. Lahmann) und Tübingen (Prof. Giel). Aktuell finden Interviews mit Betroffenen statt, um die spezifischen Bedarfe zu erheben. Parallel wird eine (psychotherapeutische) Intervention entwickelt. Im weiteren Verlauf soll die Wirksamkeit der Intervention bei 120 Patientinnen und Patienten in einer randomisierten Studie pilotiert werden. Gleichzeitig soll ein Long-COVID-Register aufgebaut werden - deutschlandweit und offen für alle Patientinnen und Patienten. In dem Register soll Wissen, insbesondere über langanhaltende Beschwerden nach einer SARS-CoV-2 Infektion generiert werden. 

Forschung zu Long-COVID

PsyLoCo greift auf Erkenntnisse aus zwei laufenden Studien zurück: Zum einen der CoKoS-Studie aus Stuttgart, zum anderen der DigiHero-Studie. Die DigiHero-Studie startete Anfang 2021 in Halle (Saale), inzwischen wurde sie auf die meisten Bundesländer ausgeweitet. Bis Anfang August konnten über 60.000 Personen rekrutiert werden, insgesamt sollen 100.000 Menschen eingeschlossen werden. Die DigiHero-Studie ist eine sehr breit angelegte Plattform für allgemeine digitale Gesundheitsforschung, aber da sie in der Pandemie startete, wurden Fragen rund um die Pandemie ebenfalls aufgenommen.

Im PsyLoCo-Projekt entwickeln Forscherinnen und Forscher eine multimodale Therapie, die insbesondere auf die psychosozialen Bedürfnisse von Long-COVID-Betroffenen abzielt. Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk, Leiter des IMEBI an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 

Im Sommer 2021 wurden 903 von den bis dahin rekrutierten 8.000 Teilnehmenden mit Infektionsfällen im Haushalt zu einer Blutentnahme im Studienzentrum eingeladen. Die Ergebnisse der ersten 318 Personen zeigten bei Long-COVID-Betroffenen eine Aktivierung von drei immunologischen Markern, die mit Entzündungsprozessen zusammenhängen. In einem weiteren Studienteil von DigiHero konnte die Forschergruppe um Prof. Mascha Binder vom Uniklinikum Halle außerdem zeigen, dass die immunologische Antwort auf die Booster-Impfung deutlich breiter ausfällt und auch partieller Schutz vor neuen Varianten erzielt werden kann, insbesondere in Bezug auf schwere Krankheitsverläufe.

Symptome nach zwölf Wochen

Außerhalb von Halle wurde nur eine Befragung zu Symptomen von Long-COVID durchgeführt. In 45 Prozent der bisher rekrutierten Haushalte war zumindest eine Person im Verlauf der Pandemie (bekannterweise) infiziert (Stand 15. Juni 2022). Von den 15.331 Personen, die eine bekannte Infektion hatten, klagten 2.748 (18 Prozent) zwölf Wochen nach dem ersten positiven Test noch über Symptome.

Diese Zahl ist niedriger als in frühen Studien zu Long-COVID, was vermutlich auf einen zunehmenden Schutz durch Impfung und einen zuletzt höheren Anteil jüngerer Infizierter zu erklären ist. Bei der Mehrheit der Betroffenen gehen die Long-COVID-Symptome mit der Zeit zurück.

Bestimmung des Antikörper-Niveaus

Es gibt aber auch eine Gruppe von Betroffenen, in der die Beschwerden bleiben. Für Long-COVID nach der Omikron-Variante ist die Beobachtungszeit noch kurz, weitere Ergebnisse werden folgen. Aktuell wird in DigiHero eine Studie zur Übertragung der Omikron-Variante in Haushalten durchgeführt.

Die zentrale Forschungsfrage ist, welche Höhe an Antikörpern notwendig ist, um eine Ansteckung zu vermeiden. Wenn der Immunstatus zu diesem Zeitpunkt bestimmt wird, kann analysiert werden, ob es ein bestimmtes Niveau an Antikörpern gibt, ab dem eine Infektion unwahrscheinlich ist. Im weiteren Verlauf ist denkbar zu prüfen, ob es einen immunologischen Status gibt, der der Entwicklung von Long-COVID-Beschwerden zuvorkommen kann.

Die Mechanismen der Entstehung von Long-COVID-Beschwerden sind bisher unklar. Es deutet sich allerdings an, dass psychosomatische Ansätze zu einer Verbesserung der multiplen Körperbeschwerden sowie insbesondere auch der psychosozialen Belastungen der Betroffenen führen können. Das soll im  PsyLoCo-Projekt überprüft werden. 

Zur Person 

Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk studierte nach seiner Approbation als Arzt die Epidemiologie. Nach mehreren Stationen in der epidemiologischen Forschung übernahm er 2016 die Leitung des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik (IMEBI) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Infektionsepidemiologie und allgemein Methoden der Epidemiologie. Er leitet die DigiHero-Studie und ist in PsyLoCo verantwortlich für die Datenanalyse.