Onkologische Diagnostik und Therapie
Interview aus Saarland
Interview mit Prof. Dr. med. Michael Clemens, ehemaliger Leiter Onkologisches Zentrum am CaritasKlinikum Saarbrücken, Chefarzt der Klinik für Hämatologie und Onkologie.

TK: Herr Prof. Dr. Clemens, auf was sollte ein Krebspatient oder auch der überweisende Arzt achten, wenn eine stationäre Behandlung der Erkrankung notwendig ist?
Prof. Dr. med. Michael Clemens: Onkologische Patienten sollten darauf achten, dass die Diagnostik und Therapie in einer Institution durchgeführt wird, in der man sich ständig um Tumorpatienten kümmert. Neben der Expertise zur Betreuung von Krebspatienten ist die ganzheitliche Versorgung auf sozialmedizinischem und psychoonkologischem Gebiet notwendig. Die Onkolotsen unterstützen die Patienten bei allen Fragen des krankheitsbezogenen Alltags in der Klinik.
Weiterhin muss ein schmerztherapeutischer und palliativmedizinischer Bereich vorgehalten werden. Die Diagnose einer Tumorerkrankung führt nicht nur zu therapeutischen Konsequenzen gegen die Tumorerkrankung, sondern zieht auch tiefgreifende soziale und psychische Probleme nach sich, die in einem ganzheitlichen Konzept einbezogen sein müssen.
TK: Was sind die besonderen Merkmale einer onkologischen Behandlung im CaritasKlinikum Saarbrücken, welche Vorteile hat ein Patient hier und wie beurteilen diese ihren Aufenthalt in Ihrem Haus?
Prof. Dr. med. Clemens: Die bestehende enge Kooperation zwischen den verschiedenen Bereichen (zum Beispiel von Onkologie, Radioonkologie, Chirurgie und Gastroenterologie und Radiologie) ist ein Garant dafür, dass alle Gesichtspunkte bei der Planung der Diagnostik und Therapie berücksichtigt werden können.
Da das CaritasKlinikum Saarbrücken ein durch die Deutsche Krebsgesellschaft zertifiziertes Haus ist, wird garantiert, dass alle Patienten Zugang zu den Bereichen haben, die neben der optimalen medizinischen Versorgung für eine ganzheitliche Betreuung notwendig sind (Sozialdienst, Psychoonkologie, Onkolotsen, Schmerztherapie, Palliativmedizin). Diese Situation gibt es im Saarland so in keiner weiteren Institution, was durch die Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft dokumentiert ist.
TK: Der Zentrumsgedanke - das heißt die Zusammenführung von komplexen Behandlungen an dafür speziell qualifizierten Einheiten wird in Ihrem Haus ja intensiv gelebt und hat im Sinne der Behandlungsqualität sicherlich einen positiven Einfluss. Im Gegensatz dazu zeichnet sich die saarländische Kliniklandschaft immer noch durch zahlreiche kleine "Maximalversorger" aus. Wie kann ein Nebeneinander von kleinen und großen Krankenhäusern zukünftig funktionieren?
Prof. Dr. med. Clemens: Durch einen regen und ständigen Kontakt mit den kleineren Krankenhäusern des Saarlandes werden in der Regel diejenigen Patientinnen und Patienten weiter geleitet, die in einem Zentrum mit entsprechender Expertise behandelt werden sollten. Es gibt Krankheitsbilder, bei denen die Diagnostik und Therapie durchaus in kleineren Krankenhäusern durchgeführt werden können.
Immer dann, wenn mehrere Fachgebiete gefragt sind - medizinische Onkologie, Strahlentherapie, Gastroenterologie, Chirurgie, Radiologie usw.- sollte ein Transfer in ein Zentrum vorgenommen werden. Die interdisziplinären Tumorkonferenzen sind dann bei uns die alle Informationen zusammenführenden Veranstaltungen, wo die Expertise der unterschiedlichen Fachgebiete eingebracht wird.
Nur interdisziplinär kann man den richtigen diagnostischen und therapeutischen Weg für den Krebspatienten finden. Weiterhin ist zu beachten, dass es wichtig ist, bei oft komplizierten operativen und nicht-operativen Therapieverfahren eine entsprechend hohe Fallzahl pro Jahr zu behandeln. Erfahrung macht den Meister!
TK: Die in Deutschland relativ starke Trennung zwischen ambulantem und stationärem medizinischem Bereich wird zur Zeit intensiv diskutiert. Was unternimmt das Onkologische Zentrum um diese Grenze zumindest durchlässiger zu machen und welche Vorteile hat das für Ihre Patienten?
Prof. Dr. med. Clemens: Wir haben im CaritasKlinikum Saarbrücken die Möglichkeiten, die Brücke zwischen der stationären und der ambulanten Behandlung von Tumorpatienten zu schlagen. Wir betreiben im ambulanten Bereich ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), behandeln Krebspatienten im Rahmen des §116b SGB V und der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) sowie in der Ermächtigungsambulanz. Damit können wir zwischen dem stationären und ambulanten Bereich für alle Patienten einen nahtlosen Übergang gewährleisten.
TK: Auch die Notwendigkeit der stärkeren Digitalisierung im Gesundheitswesen ist in aller Munde. Wo sehen Sie die Chancen einer flächendeckenden Nutzung elektronischer Möglichkeiten in der Medizin und nutzen Sie bereits welche?
Prof. Dr. med. Michael Clemens: Als zertifiziertes Onkologisches Zentrum sind wir verpflichtet, eine genaue Tumordokumentation zu erstellen, die verschiedenen Zwecken dient. Einerseits wird sie verwendet, um eng mit dem Saarländischen Krebsregister kooperieren zu können. Andererseits dient die Dokumentation dazu, bei den Zertifizierungen genau von der Deutschen Krebsgesellschaft überwacht werden zu können.
Die Zertifizierung und die damit verbundene Tumordokumentation bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ohne großen Aufwand ein Vergleich mit anderen Zentren Deutschlands hergestellt werden kann. Es findet ein sog. Benchmarking statt, d.h. dass unsere Behandlungsergebnisse mit den besten deutschen Zentren verglichen werden. Wenn es bei uns qualitative Probleme gäbe, würden diese rasch identifiziert werden und müssten wir diese beseitigen, um weiterhin zertifiziert sein zu können. Unsere Daten gehen in Datenbanken der Deutschen Krebsgesellschaft ein und könnten natürlich auch allen behandelnden Ärzten des einzelnen Patienten unter Berücksichtigung des Datenschutzes in entsprechenden Portalen zur Verfügung gestellt werden.
TK: Herzlichen Dank für das Interview!
Zur Person
Professor Dr. med. Michael R. Clemens studierte und promovierte an der Medizinischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen. Nach der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin folgte im Jahr 1986 seine Habilitation. Anschließend folgten unter anderem Tätigkeiten als Oberarzt und Leitender Oberarzt an der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik Tübingen, Vorsitzender der Arzneimittelkommission des Universitätsklinikums Tübingen und Chefarzt der Inneren Medizin I im Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen Trier.
Von April 2015 bis Ende 2021 war Prof. Dr. Clemens Chefarzt an der Klinik für Hämatologie und Onkologie am CaritasKlinikum St. Theresia in Saarbrücken.