Behandlungsfehler: Patientinnen und Patienten aus Hessen melden 517 Verdachtsfälle
Pressemitteilung aus Hessen
Frankfurt am Main, 10. März 2023. 517 Patienten aus Hessen haben der Techniker Krankenkasse (TK) im vergangenen Jahr einen Verdacht auf einen Behandlungsfehler gemeldet. Die meisten Verdachtsfälle betreffen den chirurgischen Bereich (178 Fälle) sowie die Fachrichtungen Zahnmedizin (99), Allgemeinmedizin (70), Geburtshilfe (45) und Orthopädie (19). Die Statistik der TK dürfte lediglich einen kleineren Ausschnitt des Geschehens abbilden: Wissenschaftliche Studien gehen von einer hohen Dunkelziffer und für jeden festgestellten Behandlungsfehler von rund 30 weiteren unentdeckten Fällen aus. Bei den Fällen, die der TK gemeldet werden, lässt sich im Lauf der Überprüfung nur etwa jeder dritte Fall erhärten. Bundesweit wurden der TK im vergangenen Jahr knapp 6.000 Verdachtsfälle gemeldet.
Fehler können weitreichende Folgen haben
Überall, wo Menschen arbeiten, können Fehler passieren, doch gerade im Gesundheitswesen können Fehler und kritische Ereignisse weitreichende Folgen haben. Schwere Behandlungsfehler können bei Betroffenen eine Berufsunfähigkeit nach sich ziehen, die sie in ihrer finanziellen Existenz bedroht. Zusätzlich belastend sind die meist zeitaufwendigen, komplexen und schwierigen juristischen Verfahren, in denen die Vorwürfe geklärt werden. Häufig müssen Patientinnen und Patienten mehrere Jahre warten, bis klar ist, ob sich der Behandlungsfehler nachweisen lässt und sie Schadenersatz erhalten. Bei chirurgischen Behandlungsfehlern kämpfen Patientinnen und Patienten im Durchschnitt etwa fünf Jahre für ihr Recht, bei Geburtsfehlern sogar zehn Jahre. Der älteste Fall, den die TK derzeit begleitet, stammt aus dem Jahr 2008.
Härtefallfonds schaffen
"Aus unserer Sicht sollten die Verfahren viel schneller abgewickelt und die Patientinnen und Patienten frühzeitig entschädigt werden. Nach einer körperlichen Schädigung sind die Betroffenen und ihre Angehörigen zunächst einmal damit beschäftigt, die gesundheitlichen, psychischen und finanziellen Folgen zu bewältigen. Oft haben sie nur noch geringe Ressourcen und teilweise auch nicht die finanziellen Mittel, um einen Behandlungsfehler juristisch nachzuverfolgen", sagt Dr. Barbara Voß, Leiterin der TK-Landesvertretung in Hessen. Die TK fordert daher schon seit Jahren einen Härtefallfonds zur Unterstützung der Opfer von Behandlungsfehlern. Dass die Bundesregierung jetzt einen solchen Fonds schaffen will, der den wirtschaftlichen Druck für Betroffene mildern und Leid reduzieren kann, ist aus Sicht der Kasse ein richtiger Schritt.
Aus Fehlern lernen
Zudem sollte in unserem Gesundheitswesen auch eine Fehlerkultur gelebt werden, die es ermöglicht, über Fehler zu reden und aus Fehlern zu lernen. Hilfreich wäre aus Sicht der TK ein Register, in dem alle Behandlungsfehler und kritische Ereignisse verpflichtend erfasst werden. "Werden aus jedem einzelnen Vorfall Schlussfolgerungen für die künftige Arbeit gezogen, können Arbeitsabläufe und -prozesse sicherer gestaltet und die Patientinnen und Patienten besser versorgt werden", so Voß.
Unterstützung für Versicherte
Die TK unterstützt Patientinnen und Patienten, die einen Behandlungsfehler vermuten, mit einer Beratungshotline (Telefon 040 - 46 06 61 21 40), einem Online-Lotsen unter www.tk.de (Suchbegriff 132622) und einer Beratungsbroschüre (Suchbegriff 821320). Die Erfolgschancen sind umso besser, je genauer der Krankheitsverlauf dokumentiert wird.
Betroffenen empfiehlt die TK, im Verdachtsfall zeitnah ein Gedächtnisprotokoll des Behandlungsablaufs und der beteiligten Ärztinnen und Ärzte bzw. Pflegerinnen und Pfleger zu erstellen und sich im nächsten Schritt an ihre Krankenkasse zu wenden. Erhärtet sich der Verdacht, kann die TK medizinische Gutachten erstellen lassen, die für die Versicherten in der Regel kostenfrei sind. Patientinnen und Patienten können die Gutachten auch für ihre eigenen Schadensersatz-Verhandlungen mit der Ärztin oder dem Arzt, dem Krankenhaus, der zuständigen Haftpflichtversicherung oder vor Gericht nutzen.