Stuttgart, 9. März 2023. In Baden-Württemberg haben sich im vergangenen Jahr 539 Versicherte der Techniker Krankenkasse (TK) wegen des Verdachts auf einen Behandlungsfehler an ihre Kasse gewandt. Nach einem starken Anstieg der Behandlungsfehler in den Jahren 2015 bis 2019 um 93 Prozent blieben die Fallzahlen seit der Corona-Pandemie mit etwa 550 Fällen konstant. Bundesweit registrierte die TK knapp 6.000 Anfragen.

Chirurgie am häufigsten betroffen

"Rund 30 Prozent der Behandlungsfehler ereignen sich den Meldungen der Versicherten zufolge in der Chirurgie", sagte Nadia Mussa, Leiterin der TK-Landesvertretung Baden-Württemberg anlässlich des TK-Frühlingsempfangs in Stuttgart. Die Zahnmedizin stellt rund 19 Prozent der gemeldeten Verdachtsfälle. Danach folgen die Allgemeinmedizin mit 17 Prozent und die Geburtshilfe/Gynäkologie mit neun Prozent. Pflegefehler machen neun Prozent aus, orthopädische Behandlungen und Augenheilkunde jeweils sechs Prozent. 

Qualität im Gesundheitswesen verbessern

Beim Frühlingsempfang der TK-Landesvertretung diskutierten rund 100 Gäste über die Frage, wie die hohe Qualität des Gesundheitswesens weiter verbessert werden kann. Hardy Müller, Beauftragter für Patientensicherheit der TK, schilderte anhand von etlichen Beispielen aus der Praxis, dass derzeit zwar schon viele Anstrengungen unternommen werden, Deutschland im internationalen Vergleich aber nicht an der Spitze steht. Professor Stefan Schmidt vom Universitätsklinikum Freiburg lenkte den Blick auf die Situation von Assistenzärztinnen und -ärzten in Kliniken. Er zeigte, wie mit sogenannten Achtsamkeitsprogrammen deren Arbeitsalltag verbessert werden kann und wie Patientinnen und Patienten davon profitieren können.

Jeder dritte Fall belastbar

Bei beiden Vorträgen wurde deutlich, wie komplex die Abbildung von Qualität im Gesundheitswesen ist. Zahlen zu Behandlungsfehlern können deshalb nur ein Indikator für das tatsächliche Behandlungsgeschehen sein. "Zum einen ist die Dunkelziffer Studien zufolge erheblich. Gleichzeitig erweist sich nur jeder dritte uns gemeldete Behandlungsfehler im Verlauf der Überprüfung als belastbar", betonte Mussa. Der älteste Fall, den die TK derzeit betreue, stamme aus dem Jahr 2008. "Derart lange Verfahren sind kein Einzelfall. Bei Geburtsfehlern beispielsweise dauern die rechtlichen Auseinandersetzungen im Durchschnitt mehr als zehn Jahre", so die Leiterin der TK-Landesvertretung.

TK fordert Härtefallfonds

Die Haftpflichtversicherungen von Ärztinnen und Ärzten zögen die Gerichtsverfahren oft gezielt in die Länge, damit sich die Patientinnen und Patienten unter dem Druck von fehlenden Einnahmen und steigenden Schulden auf außergerichtliche Einigungen mit fragwürdigen Kompromissen einließen. Die TK fordert deshalb schon seit Jahren einen Härtefallfonds von der Bundesregierung zur Unterstützung der Opfer von Behandlungsfehlern. Mussa: "Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung wird die Einführung eines Härtefallfonds angekündigt. Dies sollte nun auch umgesetzt werden."

Hintergrundinformationen

Im Jahr 2021 wurden 532 Entscheidungen gefällt. Dabei wurden 136 Behandlungsfehler bestätigt, das entspricht einem Anteil von 26 Prozent. Die Quote der bestätigten Fälle war mit 24 Prozent im stationären Bereich etwas niedriger als im ambulanten Bereich (Quote: 32 Prozent). Quelle: Tätigkeitsbericht 2021 der Landesärztekammer Baden-Württemberg

Im Jahr 2021 wurden 62 Entscheidungen getroffen. Dabei wurden 27 Behandlungsfehler bestätigt (Quote: 44 Prozent). Quelle: Jahresbericht 2021 der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg.