Wie sehen die Strukturen und Prozesse für eine bessere Patientensicherheit im Jahr 2022 aus? Im Interview erläutert uns der Patientenbeauftragte der TK, Hardy Müller, wie unerwünschte Ereignisse besser verhindert werden können und wie sich die TK in Sachen Patientensicherheit einsetzt.

TK: Was ist das TK-Verständnis von Patientensicherheit?

Hardy Müller: "Wir wollen, dass TK-Versicherte mit Sicherheit gut versorgt werden!" lautet der Slogan, mit dem wir das TK-Leitbild zum Themenfeld Patientensicherheit überschrieben haben. Nach unserem Verständnis gehört zur Patientensicherheit nicht nur die Vermeidung unerwünschter Ereignisse im Rahmen der medizinischen Behandlung. Die Abwesenheit unerwünschter Ereignisse ist ein Ziel. Hinzu kommen Anstrengungen, um das Sicherheitsverhalten generell zu fördern ganz unabhängig vom bereits erreichten Niveau. Es geht darum die Risiken zu beherrschen, Sicherheit als relevantes Ziel in der Gesundheitsversorgung anzuerkennen und konkrete Angebote zur Verbesserung zu unterbreiten. Wenn dann tatsächlich Fehler passieren - und dies wird eben leider immer der Fall sein, da bekanntlich irren menschlich ist - geht es uns darum, aus diesen zu lernen, damit diese Fehler nicht wieder auftreten. Wir als TK streben dabei an, möglichst selbst wenige Fehler zu machen und ziehen es vor, aus den Erfahrungen anderer zu lernen, um von vornherein eigene Fehler zu vermeiden.

Wir gehen davon aus, dass Patientensicherheit eine Gemeinschaftsaufgabe ist und alle Verantwortlichen im Gesundheitswesen gefordert sind. Patientensicherheit lässt sich nur durch konzertierte Aktionen aller - selbstverständlich und maßgeblich unter Einbezug der Versicherten - erreichen. Wir übernehmen und zeigen als TK Verantwortung in diesem Gemeinschaftsprozess. Die Patientensicherheit in eigenen TK-Versorgungsangeboten ist hoch und wir alle arbeiten und sorgen für gute Patientensicherheit.

Hardy Müller

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Beauftragter für Patientensicherheit der Techniker Krankenkasse

TK: Das Engagement in der Patientensicherheit ist vielfältig. An welchen wesentlichen strukturellen Merkmalen und Kennzahlen kann dies gemessen werden?

Müller: Die Ursachen für Fehler sind in der Regel komplex. Zur Fehlervermeidung bedarf es daher komplexer Interventionen. Dazu kommt, dass diese Interventionen selbst in einem komplexen Umfeld - denken Sie beispielsweise nur an ein Krankenhaus - stattfinden. Die Patientensicherheitsforschung benennt diese Herausforderung als "doppelte Komplexität": Wir werden die Sicherheit in der Versorgung nur mit einem Bündel von Maßnahmen gemeinsam verbessern können. Im Kern geht es um die Gestaltung einer Kultur der Sicherheit in der medizinischen Versorgung.

Für einen aussagekräftigen und einfachen Vergleich der Aktivitäten sind Indikatoren notwendig anhand derer die Bevölkerung heute schon das Engagement beim Ausbau der Patientensicherheit einschätzen kann. Wir haben dazu als TK Vorschläge für Struktur- und Prozessmerkmale entwickelt, die wir dieses Jahr bereits zum zweiten Mal im TK-Transparenzbericht öffentlich darstellen. Anhand dieser Kennzahlen lässt sich mit leicht erhebbaren oder bereits vorhandenen Zahlen ein Überblick über die Aktivitäten zum Ausbau der Patientensicherheit beschreiben.

TK: Welche Angebote hält die TK bereits bereit um die Patientensicherheit zu erhöhen und sind bereits weitere Projekte in Planung?

Müller: Die vielfältigen Aktivitäten der TK stellen wir jedes Jahr im Bericht des Beauftragten für Patientensicherheit dar. Eine gewichtige Strategie zum Ausbau der Patientensicherheit stellt die Einbindung und Befähigung der Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen in die Prozesse der Patientensicherheit dar. Im Globalen Aktionsplan Patientensicherheit der WHO stellt dieses Vorgehen eines von sieben Strategien dar.

In diesem Themenfeld der Partizipation haben wir uns als TK für die Beteiligung der Versicherten an sogenannte Melde- und Lernsystemen eingesetzt. Mit Partnern haben wir eine Plattform entwickelt, in der erstmals die Bevölkerung die Möglichkeit bekam über sicherheitsrelevanten Erlebnisse strukturiert zu berichten. Diese Meldungen werden von einem Team von Expertinnen und Experten analysiert und die Ergebnisse dokumentiert. Alle Ergebnisse sind frei zugänglich für alle Interessierten verfügbar. Aus auffälligen Fragestellungen haben wir spezielle Tipps für die Versicherten entwickelt. Dieses System wird ab nächstem Jahr über den Verband der Ersatzkassen (vdek) nun allen Ersatzkassenversicherten angeboten. Wir sehen auch in dieser Entwicklung eine große Bestätigung unseres Ansatzes.

Die Bearbeitung von Behandlungsfehlervorwürfen unserer Versicherten wurde durch Kooperationen mit Fachleuten aus dem klinischen Risikomanagement komplettiert und optimiert. Nach dem erfolgreichen Abschluss eines einjährigen Pilotprojektes ist diese Form eines Fachaustausches zwischen dem kasseninternen Behandlungsfehlermanagement und dem externen klinischen Management nun als Standard etabliert. Ausgewählte Ergebnisse dieser Arbeit veröffentlichen wir als TK-Patientensicherheitsinformationen für den Adressatenkreis der Fachorganisationen. 

Als TK planen wir mit Förderung durch das BMG ein Projekt zur Standardisierung der Meldungen um besser daraus lernen zu können. Außerdem wollen wir neue einfachere Meldemöglichkeiten zum Beispiel über Chat-Roboter und das Angebot von Hotlines für die Beschäftigten im Gesundheitswesen weiter erproben. Die Beschäftigten sind bei Behandlungsfehlern die "zweiten Opfer" (second victims). Der Ausbau der Patientensicherheit dient auch ihnen. Auch hierzu unterbreiten wir Angebote. 

TK: Wie können unerwünschte Ereignisse besser verhindert werden? Wo können Versicherte ihre Erfahrungen mitteilen?

Müller: Ein großer Teil der unerwünschten Ereignisse ist durch bewährte Verfahren vermeidbar. Eine bedeutsame Präventionsquelle stellt der Einbezug von Versicherten und ihren Angehörigen dar. Wir benötigen diesen Einbezug, um zu erkennen, was in der Versorgung schief lief. Patientenberichte sind eine wertvolle und unverzichtbare zusätzliche Informationsquelle. Der Einbezug dient aber auch zur Aktivierung selbst an einer sicheren medizinischen Behandlung aktiv mitzuwirken. Wir haben dazu als TK beispielsweise erstmals für Versicherte ein Berichts- und Lernsystem eingerichtet. Derartige Systeme ergänzen die in allen Krankenhäusern vorhandenen Systeme, liefern neue Daten und geben den Versicherten Beteiligungsmöglichkeiten.

TK-Monitor Pati­en­ten­si­cher­heit 2022

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