Die Zukunft der Pflege ist bundesweit eine der großen Herausforderungen für Gesellschaft und Politik. Die Covid-19-Pandemie hat uns mehr als deutlich gezeigt, wie systemrelevant Pflegeberufe für unsere Gesellschaft sind. Eine Studie der Universität Bremen zeigt, dass die Sterblichkeit bei Pflegebedürftigen signifikant höher ist, als in der Gesamtbevölkerung. Die Pflegebedürftigen zählen zur Risikogruppe, sodass die Pandemie sowohl für sie aber auch für das Pflegepersonal eine Zeit mit noch größeren Herausforderungen und Belastungen darstellt. Das Thema Pflege ist bereits im bremischen Koalitionsvertrag verankert.

Im Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) wird deutlich, dass die Tätigkeiten in der Pflege Körper und Psyche belasten und Pflegekräfte in Bremen überdurchschnittlich lange krank sind. Die TK fordert, die Pandemie als Chance für Pflegeberufe, Pflegebedürftige und pflegende Angehörige wahrzunehmen und den Herausforderungen des demographischen Wandels und des Mangels an Pflegefachkräften entgegenzuwirken. Die TK sieht folgende konkrete Handlungsfelder für Bremen und Bremerhaven:

Attraktivität des Berufsbildes Pflege stärken und das Beschäftigungspotenzial sichern

Pflegekräfte in der Kranken- und Altenpflege bilden im Bundesland Bremen die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen. Die Covid-19-Pandemie zeigt, wie notwendig diese Berufe für unser gesamtgesellschaftliches Wohl sind. Aus Sicht der TK muss diese Zeit als Chance für eine Stärkung des Berufsbildes in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, denn der demographische Wandel fordert gut ausgebildete und motivierte Pflegekräfte in der Kranken- und Altenpflege.

Die Bremer Pflegeinitiative, ein Bündnis aus Vertretern von Politik, Verbänden und Unternehmen, hat es sich zum Ziel gemacht, dem Fachkräftemangel in der Pflege entgegenzuwirken. Die Initiative setzt sich gemeinschaftlich dafür ein, die Pflegelandschaft in Bremen bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. In der Vereinbarung sind zentrale Ziele definiert, die die Attraktivität der Pflegeberufe steigern sollen. Die TK begrüßt die Initiative und fordert weitere Maßnahmen, um das Beschäftigungspotenzial in der Pflege zu sichern.

Die TK schlägt vor, dass notwendige Weichenstellungen bei den heute Pflegenden beginnen sollten. Tarifverträge müssen flächendeckend umgesetzt werden, um mindestens eine Vergütung nach Tarif für alle Pflegefachkräfte zu gewährleisten. Die TK fordert konkurrenzfähige Pflegelöhne, die den Anreiz zur Weiterbildung erhöhen und die Qualität der pflegerischen Versorgung stärken.

Allein eine bessere Vergütung wird das Berufsbild allerdings nicht stärken können, wenn sich nicht zugleich konkrete Arbeitsbedingungen verbessern. Die TK fordert eine moderne Arbeitsorganisation, die mit flexiblen Arbeitszeiten und variablen Tätigkeitsinhalten den jeweiligen Lebensphasen der Pflegenden gerecht wird. Unterstützend hierzu sollte jede Einrichtung konkrete Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention für die Pflegenden und Pflegebedürftigen vorsehen. Die TK engagiert sich unter anderem dabei im Rahmen ihres Modellprojekts PROCARE an mehreren Standorten in Bremen.

Karrierechancen von Pflegeberufen publik machen

Es braucht neue Karrierepfade und Aufgabenfelder, die die berufliche Laufbahn interessanter machen. Mit der generalistischen Pflegeausbildung wurden die verschiedenen Berufszweige der Pflege zu einem Ausbildungsberuf zusammengeführt. Die staatlich anerkannte dreijährige Ausbildung zur Pflegefachfrau, beziehungsweise zum Pflegefachmann, ermöglicht es in allen Bereichen der Pflege tätig zu sein. Darüber hinaus bildet ein Pflegestudium an der Universität oder Hochschule Bremen eine akademische Grundlage für pflegerische Kompetenzen.

Die TK begrüßt die Initiative des Bremer Krankenhausspiegels, der bereits im letzten Jahr eine Stellenbörse für Berufschancen im Krankenhaus eingerichtet hat und unter anderem die Berufsfelder der Pflege mit ihren Weiterbildungsmöglichkeiten vorstellt.

Die Entwicklungspotenziale und Chancen der neuen Pflegeausbildung müssen in Bremen aktiver als bisher publik gemacht werden, um die öffentliche Wahrnehmung des Berufsbildes zu schärfen und die Attraktivität der vielfältigen Karrierechancen aufzuzeigen.  

Telemedizin als Bestandteil der pflegerischen Ausbildung

Bei der telemedizinischen Versorgung werden Pflegekräfte künftig auch eine Schlüsselrolle einnehmen. Denn sie sind es, die digitale Gesundheitsanwendungen an und mit den Patientinnen und Patienten nutzen, sie dabei beraten und betreuen. Deshalb ist eine Modernisierung der Aus- und Weiterbildungsstrukturen in den Pflegeberufen dringend erforderlich. Die eingeleitete Reform der Pflegeberufe legt die grundlegenden Ausbildungsziele für Pflegefachkräfte fest und beauftragt eine Fachkommission mit der Erarbeitung eines Rahmenplans. In der zugehörigen Ausbildungsverordnung wird zudem ein Kompetenzcluster für Pflegefachkräfte entwickelt.

Die TK hält die Aneignung telemedizinischer Kernkompetenzen in der pflegerischen Ausbildung für zwingend notwendig. Dazu sollten Grundlagen des Informationsmanagements sowie praxisorientierte telemedizinische Anwendungen in die Aus- und Weiterbildung integriert werden.

Pflegeberatung besser vernetzen

Nach dem TK-Meinungspuls Pflege würde ungefähr die Hälfte der Befragten Bremer und Bremerinnen beruflich kürzertreten, um eine Angehörige oder einen Angehörigen zu pflegen. Die Bereitschaft eine Angehörige oder einen Angehörigen mit Demenz zu pflegen liegt sogar bei mehr als drei Viertel der Befragten. Angesichts der demographischen Entwicklung wird der Beratungsbedarf der Pflegebedürftigen und den pflegenden Angehörigen weiter wachsen.

Die TK-Pflegeversicherung bietet bereits eine individuelle und kostenfreie Pflegeberatung an. Zusätzlich unterstützen die Pflegestützpunkte Bremen und Bremerhaven Pflegebedürftige und Angehörige mit Informationen zur Finanzierung, Versorgungsmöglichkeiten und Angeboten zur Entlastung pflegender Angehöriger.

Die TK schlägt vor, die bestehenden Beratungsstrukturen in Bremen zu vernetzen und digital zugänglich zu machen. Eine nutzerorientierte Vernetzung schafft wertvolle Synergieeffekte. Mit einer digital gestützten Informationsplattform haben Betroffene die Möglichkeit jederzeit übersichtlich und schnell eine Pflegeberatung zu erhalten. Wichtig ist dabei, dass auch eine modern vernetzte Beratung im Bedarfsfall nicht den direkten Kontakt vor Ort ersetzt. Die TK bekennt sich ausdrücklich zur aufsuchenden Pflegeberatung, die sie auch weiterhin landesweit anbieten wird.

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen mit Smart-Home-Lösungen unterstützen

Mehr als die Hälfte aller Pflegebedürftigen wird bundesweit und so auch in Bremen Zuhause gepflegt. Das funktioniert nicht ohne pflegende Angehörige, die neben höchster Anerkennung auch konkrete Unterstützung verdienen. Pflegebedürftige haben einen Anspruch auf die Versorgung mit technischen Pflegehilfsmitteln, wie etwa Hausnotrufsysteme, und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, wie den barrierefreien Umbau einer Dusche. Diese Maßnahmen erleichtern bereits die häusliche Pflege für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Doch besonders in der eigenen Häuslichkeit bietet der technische Fortschritt mehr Chancen auf Entlastung. So sorgen etwa smarte Technologien für mehr Sicherheit bei Pflegebedürftigen und deren Angehörigen. Dazu gehören etwa Sensoren, die Aktivitäten oder Stürze melden. Leider werden Smart-Home-Lösungen noch nicht in dem Leistungskatalog der Pflegeversicherung berücksichtigt.

Ein Beispiel für die Unterstützung der Eigenständigkeit im Alter mit Hilfe digitaler Lösungen und künstlicher Intelligenz ist das Pilotprojekt "Sicher Zuhause" der TK und Philips. Im Rahmen dessen erhalten teilnehmende TK-Versicherte ein innovatives Hausnotrufsystem mit einem Funksender mit integriertem Sturzsensor. Der ist zusätzlich mit einer auf künstlicher Intelligenz basierten Risikobewertung ausgestattet. Anders als die seit Jahren bekannten Hausnotrufsysteme erkennt "Sicher Zuhause" Stürze und löst automatisch einen Notruf aus. Darüber hinaus werden über die selbstlernende Technologie auf Basis dieser Daten Prognosen errechnet, um Krankenhauseinweisungen aufgrund von Stürzen zu vermeiden. Die TK ist auch aktiv an der wissenschaftlichen Auswertung der neuen Versorgungsform beteiligt.

Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) forscht in Bremen an Technologien zur Unterstützung in der Pflege. Hier wird ein Pflegebett mit robotischer Unterstützung entwickelt, um Pflegekräfte und pflegende Angehörige beim Transfer der Patientinnen und Patienten aus dem Bett zu entlasten und die Autonomie der Pflegebedürftigen zu verbessern.

Außerdem forscht das DFKI mit dem Bremen Ambient Assisted Living Lab (BAALL) - einer komplett eingerichteten Wohnung, die sich den individuellen Bedürfnissen von Pflegebedürftigen anpassen kann. Mit bestimmten Anwendungen, wie automatische Höheneinstellungen und mobilen Unterstützungssystemen, wird in diesem Raum an der Alltagstauglichkeit der Systeme geforscht. Die TK begrüßt diese Forschung und fordert weitere Potenziale der Digitalisierung auszuschöpfen.

Die TK setzt sich dafür ein, dass der Leistungskatalog der Pflegeversicherung entsprechend um Smart-Home-Lösungen erweitert wird. Die Leistungen für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen sollten im Bereich der technischen Hilfen im Haushalt auch für technische Assistenz- und Überwachungssysteme eingesetzt werden dürfen. Dafür braucht es eine klare Definition der Qualitätsstandards und Zulassungsverfahren für solche Anwendungen durch den Gesetzgeber oder die Selbstverwaltung. Gerade im Start-up Bereich gibt es zahlreiche Ansätze, wie Sensorik, Sprachassistenz und künstliche Intelligenz die zu smarten Lösungen für Patientinnen, Patienten und Angehörige verknüpft werden könnten. Smart-Home-Lösungen sollten eingesetzt werden, um den Versorgungsalltag der pflegendenden Angehörigen zu unterstützen und Pflegebedürftigen einen längeren Verbleib in ihrem gewohnten Umfeld zu ermöglichen. Als Pflegekasse kann die TK diese Lösungen nur in dem Rahmen vorantreiben, den die Politik vorgibt.

Digitale Chancen für eine transparente Pflegeplatzsuche nutzen

Die meisten Menschen wollen im Alter so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden betreut werden. Doch wie verhalten sich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, wenn eine pflegerische Notlage eintritt und die Pflege in der eigenen Häuslichkeit vorrübergehend nicht mehr möglich ist? Aufgrund der steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen stellt diese Situation bundesweit und so auch im Land Bremen ein Versorgungsproblem dar, da es besonders an Kurzzeitpflegeplätzen mangelt. Die wenigen freien Plätze, die zur Verfügung stehen sind für die Versicherten nicht transparent, sodass sie viele Telefonate führen müssen, um einen Pflegeplatz zu finden.  

Die TK hat im Rahmen einer Projektpatenschaft mit der Universität Bremen genau an dieser Lösung in Form eines digitalen Assistenten gearbeitet, der die Pflegeplatzsuche unterstützen soll. Mithilfe eines Chat-Bots könnten Pflegebedürftige eine Liste mit geeigneten Pflegeplätzen erhalten, zudem könnten allgemeine Informationen rund um das Thema Pflege abgerufen werden. Eine Initiative der Behörde für Soziales, Jugend, Integration und Sport arbeitet an einer ähnlichen Lösung zur Sicherung von Pflegenotfällen. Mit einer Pflegedatenbank soll eine fachgerechte pflegerische Versorgung in Pflegenotsituationen und am Wochenende gewährleistet sein. Der Hamburger Pflegekompass und der Heimfinder aus Nordrhein-Westfalen können hierfür als Vorreitermodelle verwendet werden.

Eine Datenbank für die digitale Pflegeplatzsuche ist aus Sicht der TK sehr zu begrüßen. Darüber hinaus muss eine Plattform entstehen, die eine uneingeschränkte und transparente Erreichbarkeit bietet. Die TK fordert deshalb eine digitale Anlaufstelle für Pflegeplatzsuchende mit einer zusätzlichen Beratungsmöglichkeit durch Künstliche Intelligenz. Die TK testet diese Form der Kommunikation bereits in Form des Dialog-Bots, der verschiedene Anliegen von Versicherten beantworten kann.  

Alltag von Pflegekräften und Pflegebedürftigen durch die Telematik erleichtern

Die Pandemie macht deutlich, wie bedeutend die Digitalisierung für unser Gesundheitssystem und die Versorgung ist. Die Telematik ist dabei ein wichtiger Fortschritt ins digitale Zeitalter des Gesundheitswesens, sie ermöglicht eine ortsunabhängige Kontrolle und Therapie. Die TK sieht für Bremen im Ausbau der Telematik in Pflegeheimen Chancen, die medizinische Versorgung der Pflegeheimbewohner weiter zu verbessern und Pflegekräfte zu unterstützen. Die TK begrüßt die Einbindung von Pflegeeinrichtungen in die Telematik-Infrastruktur durch das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG). Dies ist ein entscheidender Schritt in der digitalen Vernetzung. Auch im direkten Kontakt zwischen Arzt und Patient birgt die Telematik große Vorteile. Die TK bietet ihren Versicherten bereits eine Fernbehandlung per Videotelefonie an. Die Versicherten können über die App "TK-Doc" niedergelassene Medizinerinnen und Mediziner kontaktieren und sich ärztlich behandeln lassen. Bei Bedarf können Ärztinnen und Ärzte die Medikamente oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen direkt ausstellen.

Mit dem TK-Projekt "TeleVerah" haben Hausärztinnen und Hausärzte zusätzlich die Möglichkeit eine moderne, tele-medizinische Behandlung durchzuführen. Nichtärztliche Praxisassistentinnen (NäPA) erhalten für ihre Hausbesuche einen "TeleRucksack" mit einem Tablet-PC und daran gekoppelten Diagnosegeräten (z. B. Blutdruckmessgerät, 3-Kanal-EKG, Waage, Blutzuckermessgerät). Über eine gesicherte Datenverbindung werden dann Diagnosedaten direkt in die Praxissoftware übertragen. Möglich sind auch Sprach- und Videotelefonie. Somit kann eine Sprechstunde in der eigenen Häuslichkeit umgesetzt werden. Diese ersten Erfahrungen in der Fernbehandlung zeigen, wie stark die Digitalisierung das Leben für Patientinnen und Patienten und Ärztinnen und Ärzte erleichtern kann.

Pflegebedürftige sollten in Zeiten der Pandemie und darüber hinaus keine Hausarztpraxen oder Facharztpraxen für Routineuntersuchungen aufsuchen müssen. Mit der elektronischen Visite können Arztpraxen, Pflegekräfte und Pflegebedürftige entlastet und geschützt werden, die Video-Sprechstunde bringt allen Beteiligten erhebliche Vorteile in der Arbeitsorganisation und Vernetzung.