Nachgefragt zur Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung
Interview aus Baden-Württemberg
Erstmals in ihrer 25 Jahre alten Geschichte erhält die soziale Pflegeversicherung einen Bundeszuschuss.

Die TK erwartet, dass zukünftig weitere Mittel nötig sein werden, und möchte die Finanzierung neu gestalten.
TK: Herr Vogt, die Pflegeversicherung erhält vom Bundestag eine Finanzspritze von 1,8 Milliarden Euro. Warum reicht das nicht aus?
Andreas Vogt: Der Zuschuss ist zum jetzigen Zeitpunkt richtig und nötig. Nur so können die durch die Corona-Pandemie gestiegenen Kosten ausgeglichen werden. Allerdings kommt in der Pflege eine grundsätzliche Mehrbelastung auf uns zu: Durch die jüngsten Reformen wurden die Leistungen sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich deutlich ausgeweitet. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt und die Pflegekräfte verdienen eine bessere Entlohnung. Deshalb fordert die TK eine Neuordnung der Pflegefinanzierung und einen dauerhaften Zuschuss aus Steuermitteln.
Andreas Vogt
TK: Wie soll diese Neuordnung aussehen, was wollen Sie konkret ändern?
Vogt: Ziel ist es, die Eigenanteile der Pflegebedürftigen zu stabilisieren, und den Druck von den Beitragszahlern zu nehmen. In Baden-Württemberg war 2019 der so genannte einrichtungseinheitliche Eigenanteil (EEE), den Pflegebedürftige an das Heim entrichten müssen, mit fast 1.000 Euro bundesweit am höchsten. Damit lagen im Ländervergleich auch die monatlichen Gesamtkosten pro Bewohner im oberen Drittel.
Deshalb fordern wir, dass die Leistungsbeträge, die Pflegebedürftige je nach Pflegegrad erhalten, einmalig angehoben und die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige künftig direkt aus dem Bundeshaushalt beglichen werden.
Die Leistungen müssen künftig jährlich angepasst und die Mehrausgaben durch einen dauerhaften Steuerzuschuss ausgeglichen werden.
TK: Damit leistet also jeder Steuerzahler und damit die gesamte Gesellschaft ihren Beitrag. Sehen Sie noch weitere Finanzierungsquellen?
Vogt: Ja, auch ein Finanzausgleich zwischen privater und sozialer Pflegeversicherung würde künftig das Pflegerisiko gerechter verteilen.
Man sollte zudem die Bundesländer gesetzlich dazu verpflichten, die bei ihnen verorteten Investitionskosten auch tatsächlich zu tragen. So könnten Pflegebedürftige und Sozialhilfeträger weiter entlastet werden.
TK: Die Unterfinanzierung der Pflege ist lange bekannt - könnte sich hier durch Corona tatsächlich etwas zum Besseren wenden?
Vogt: Ja, der gesellschaftliche und politische Wille dazu ist da. Allerdings hat die Pandemie nicht nur die Lücken in der Finanzierung aufgezeigt, sondern auch die Notwendigkeit der Digitalisierung von Pflegeheimen deutlich gemacht. Ärztliche Tele-Visiten sind auch im Normalbetrieb sinnvoll. Außerdem muss die digitale Ausstattung der Heime soziale Kontakte zu Angehörigen auch während eines Lockdowns sicherstellen können.