TK: Die Soziale Pflegeversicherung (SPV) wies zuletzt ein Finanzdefizit von 2,2 Milliarden Euro aus. Bundesgesundheitsminister Lauterbach kündigte bis Juli 2023 ein Reformgesetz an, dass die Finanzierung der SPV wieder stabilisieren soll. Um Beitragssatzsteigerungen käme man aber nicht umhin, warnte der Minister bereits. Wäre nicht die Erhöhung des Steuerzuschusses für die Pflegeversicherung als verlässliche Finanzierung sinnvoller, als die Lohnnebenkosten der Bürgerinnen und Bürger weiter in die Höhe zu treiben?

Steven Wink: Eine bessere Pflegefinanzierung, wie diese künftig dann auch aussehen mag, ist unumgänglich als Investition in unsere Gesellschaft. Dazu gehört der Einsatz höherer Steuermittel wie auch die Anpassung der Leistungen an die Bedürfnisse der Betroffenen. Wir Freien Demokraten wollen dabei eine nachhaltige und generationsgerechte Finanzierungsform, welche auch private und betriebliche Vorsorge beinhalten kann. Es ist auch nicht generationsgerecht allein auf die Lösung die Erhöhung der Sozialabgaben für künftige Generationen zu setzen.

Steven Wink MdL

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Gesundheits- und wirtschaftspolitischer Sprecher, FDP 

TK: Ein Aspekt der Strukturreform im Sommer soll auch die Umsetzung der vom Bundesverfassungsgerichts verlangten Staffelung des Beitragssatzes nach Kinderzahl sein. Wie sehen Sie dieses Urteil? Man kann ja auch kinderlose Menschen nicht über Gebühr strapazieren?

Wink: Abgesehen davon, dass die Pflege solider finanziert werden muss, ist das Urteil realitätsnah. Dabei stellt sich die Frage ob wirklich die Beiträge im Gesamten erhöht werden müssen oder ob man durch Bundeszuschüsse die kinderreichen Familien unterstützen muss oder kann. Dieses Urteil ist daher nachzuvollziehen, da kinderreiche Familien wesentlich höhere Lebenshaltungskosten zu tragen haben. Dabei stellt sich die gesellschaftspolitische Frage, wie Familien im Allgemeinen entlastet werden können oder wie es politisch geregelt werden kann, dass Kinder kein Armutsrisiko darstellen.

TK: Nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen (Vdek) beträgt die finanzielle Belastung von Pflegebedürftigen in der stationären Pflege seit dem 1. Januar 2023 im Schnitt 2.499 Euro pro Monat. Hiervon beziffert sich der Investitionskostenanteil allein auf 457 Euro. Die TK fordert, dass die Bundesländer Heimbewohner nachhaltig entlasten sollten, indem sie die Investitionskosten der Heime übernehmen. Wie sehen Sie diese Position?

Wink: Wir sind der Ansicht, dass über die Reform der Pflegefinanzierung, eventuell auch über private Zusatzvorsorge, die Investitionsanteile bzw. die sogenannte Pflegelücke schließen muss. Hierzu bedarf es mutiger Reformen der Finanzierungsströme. Eine komplette Übernahme könnte auch die Generationsgerechtigkeit, in Bezug auf Steuererhöhungen in einer alternten Gesellschaft, verletzen. Dennoch ist die Debatte über diese Art der Finanzierung und Entlastung ergebnisoffen zu diskutieren und zu bewerten. Der Bund ist hierbei aber nicht vollumfänglich außen vor zu lassen. Es bedarf einheitlicher Finanzierungs- und Entlastungsprogramme für die betroffenen Patienten aber auch für künftige Generationen.

TK: Landespflegekammerpräsident Dr. Markus Mai betonte jüngst, dass die "Ökonomisierung" in der Altenpflege "Gift" sei. Auch er forderte eine Anhebung der Steuermittel. Sind Ihrer Meinung nach "Share-Holder-Values" mit sozialer Verantwortung in Einklang zu bringen?

Wink: Wir sind der Meinung, dass auch private Anbieter ein gerechtes Angebot erstellen können. Dabei müssen aber die Vorgaben und Parameter so klar definiert sein, dass nicht rein ökonomische Aspekte die Pflege dominieren. Dabei muss die Gesundheit im Ganzen wieder in den Fokus rücken und nicht als reine Ökonomie betrachtet werden. Dies gilt gleichermaßen für Kliniken.  Die Steuerzuschussdebatte bleibt davon unberührt.

TK: Bereits im Frühjahr will Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Digitalisierungsstrategie fürs Gesundheitswesen und die Pflege vorstellen. Die TK ist der Ansicht, dass die Pflege Teil der Digitalstrategie sein muss, um eine wesentliche Entlastung in diesem Bereich herzustellen, z.B. durch Heimplatzfindung per App. Wie sehen Sie das?

Wink: Wir unterstützen absolut die Digitalisierung auch im Pflegebereich. Diese dient der Unterstützung der Pflege. Dabei setzen wir auf digitale Anwendungen aber auch auf elektronische Patientenkurven bis zur automatisierten Medikamentenausgabe. Dazu haben auch wir einen Haushaltstitel im Doppelhaushalt 23/24 gefordert und mit der Koalition umgesetzt. Die Digitalisierung kann als Chance für die Pflege, die Mitarbeitenden und die Patienten gesehen werden und dabei den Alltag zu erleichtern und Risiken zu vermeiden.

TK: Die Kommunen sollen bei der Sicherstellung der Pflegestrukturplanung bei der Umsetzung eine Schlüsselrolle erhalten, so will das Land die Kommunen dabei unterstützen, einen landeseinheitlichen "Musterpflegestrukturplan" zu erstellen. Können Sie ausführen, was damit gemeint ist und welches Ziel hiermit verfolgt wird?

Wink: Den Pflegestrukturplan verstehen wir so, dass er die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen berücksichtigen. Hierbei soll diese Hilfe abgestimmt, gemeinsam verzahnt und flächendeckend sein. Des Weiteren bedarf es einer ganzheitlichen Beratung, auch in Bezug auf die Prävention und Rehabilitation. In Rheinland-Pfalz haben wir hierzu schon Projekte wie die Gemeindeschwester+ oder die Pflegestützpunkte. Wichtig wird es sein auch die pflegenden Angehörigen darin einzubinden und zu hören.