Zukunft der Pflegeversicherung
Interview aus Rheinland-Pfalz
Patrick Kunz, sozialpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Freien Wähler, beantwortet unsere Fragen zur Zukunft der Pflegeversicherung.

TK: Die Soziale Pflegeversicherung (SPV) wies zuletzt ein Finanzdefizit von 2,2 Milliarden Euro aus. Bundesgesundheitsminister Lauterbach kündigte bis Juli 2023 ein Reformgesetz an, dass die Finanzierung der SPV wieder stabilisieren soll. Um Beitragssatzsteigerungen käme man aber nicht umhin, warnte der Minister bereits. Wäre nicht die Erhöhung des Steuerzuschusses für die Pflegeversicherung als verlässliche Finanzierung sinnvoller, als die Lohnnebenkosten der Bürgerinnen und Bürger weiter in die Höhe zu treiben?
Patrick Kunz: Es ist zunächst zu begrüßen, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zum einen den Beitragssatz bis zum 1. Juli dieses Jahres stabilisieren und zum anderen die Eigenanteile in der Pflege reduzieren möchte. Bei der Frage, ob die Erhöhung des Steuerzuschusses für die soziale Pflegeversicherung oder die Erhöhung der Lohnnebenkosten sinnvoller ist, müssen zunächst viele Faktoren berücksichtigt werden. Beide Optionen haben Vor- und Nachteile, die von unterschiedlichen Faktoren wie Wirtschaftslage, sozialen Bedürfnissen, politischen Prioritäten und vielen weiteren Faktoren abhängen. Hier ist es wichtig, eine umfassende Analyse durchzuführen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen, welche Option am besten geeignet ist, um die Pflegeversicherung langfristig und verlässlich zu finanzieren.
Patrick Kunz MdL
TK: Ein Aspekt der Strukturreform im Sommer soll auch die Umsetzung der vom Bundesverfassungsgerichts verlangten Staffelung des Beitragssatzes nach Kinderzahl sein. Wie sehen Sie dieses Urteil? Man kann ja auch kinderlose Menschen nicht über Gebühr strapazieren?
Kunz: Wir lehnen es grundsätzlich ab, dass eine Personengruppe aufgrund ihres Lebensstandes benachteiligt wird. Familien mit Kindern brauchen aus unserer Sicht eine Entlastung, damit das Kinderkriegen auch attraktiv ist. Die Mehrbelastungen von kinderlosen Familien darf aber deshalb kein Grundsatz sein. Von daher muss auch kinderlosen Familien ein attraktives Angebot gemacht werden, damit beide Parteien nicht gegeneinander ausgespielt werden. Denn nicht jede kinderlose Familie ist gewollt kinderlos.
TK: Nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen (Vdek) beträgt die finanzielle Belastung von Pflegebedürftigen in der stationären Pflege seit dem 1. Januar 2023 im Schnitt 2.499 Euro pro Monat. Hiervon beziffert sich der Investitionskostenanteil allein auf 457 Euro. Die TK fordert, dass die Bundesländer Heimbewohner nachhaltig entlasten sollten, indem sie die Investitionskosten der Heime übernehmen. Wie sehen Sie diese Position?
Kunz: Ich bin der Meinung, dass die Krankenkassen ihren eigenen Anteil der Pflegekosten den Menschen bezahlen, die im Ehrenamt andere pflegen. Der entrichtete Anteil der Krankenkassen dient hierfür als Abfederung, das sich aus dem Erwerbsdefizit ergibt. Wir müssen dafür sorgen, dass ein Einbruch der Sozialabgaben verhindert wird und dennoch die Möglichkeit seine Angehörigen zu Hause zu betreuen geschaffen ist, anstelle sie in einem Altenheim unterbringen zu müssen.
TK: Landespflegekammerpräsident Dr. Markus Mai betonte jüngst, dass die "Ökonomisierung" in der Altenpflege "Gift" sei. Auch er forderte eine Anhebung der Steuermittel. Sind Ihrer Meinung nach "Share-Holder-Values" mit sozialer Verantwortung in Einklang zu bringen?
Kunz: Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, ob der "Shareholder Value" - also die Maximierung des Unternehmensgewinns und des Aktienkurswertes im Interesse der Aktionäre - mit sozialer Verantwortung in Einklang zu bringen ist. Bei uns von den FREIEN WÄHLERN sollte es statt "Profit vor dem Menschen" lieber "Mensch vor Profit" heißen. Dazu kommt: Ohne Profit kein Mensch.
TK: Bereits im Frühjahr will Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Digitalisierungsstrategie fürs Gesundheitswesen und die Pflege vorstellen. Die TK ist der Ansicht, dass die Pflege Teil der Digitalstrategie sein muss, um eine wesentliche Entlastung in diesem Bereich herzustellen, z.B. durch Heimplatzfindung per App. Wie sehen Sie das?
Kunz: Es ist von unserer Seite her zu begrüßen, dass die Pflege ein Teil der Digitalstrategie des Bundesgesundheitsministers sein sollte. Besonders die Pflegeplatzsuche via App halten wir für äußerst sinnvoll. Mithilfe solcher Apps soll die Suche nach einem geeigneten Pflegeplatz erleichtert werden. Um dem Wunsch der Menschen nach möglichst umfangreichen, unabhängigen Informationen und größtmöglicher Transparenz entgegenzukommen, befürworten wir die Einführung einer App, in der unabhängig von den Pflegekassen die Prüfergebnisse der Beratungs- und Prüfbehörde zentral zugänglich sind. Wenn Menschen schnell und einfach auf transparente Daten zugreifen können, eröffnet sich dadurch die Möglichkeit Einrichtungen miteinander vergleichen und eine geeignete Einrichtung finden zu können.
TK: Die Kommunen sollen bei der Sicherstellung der Pflegestrukturplanung bei der Umsetzung eine Schlüsselrolle erhalten, so will das Land die Kommunen dabei unterstützen, einen landeseinheitlichen "Musterpflegestrukturplan" zu erstellen. Können Sie ausführen, was damit gemeint ist und welches Ziel hiermit verfolgt wird?
Kunz: Unsere Politik stellt den Menschen und sein Wohl in den Mittelpunkt. Durch unsere starke kommunale Verwurzelung begrüßen wir, dass die Kommunen bei der Umsetzung eine Eigenverantwortung erhalten sollen. Zum einen ist es uns FREIEN WÄHLERN wichtig, dass die Kommunen eine Schlüsselrolle erhalten. Zum anderen sollte hier jedoch eine ausreichende Finanzierung vorhanden sein, um die dauerhafte Mehrbelastung der Kommunen nicht noch weiter zu verschärfen. Die Landesregierung darf hier gerne den Löwenanteil übernehmen.