In der Pflege rückt neben der Gewinnung neuer Fachkräfte auch zunehmend die Bindung der bereits etablierten Mitarbeitenden in den Fokus. Frank Schubert, Vorstandsvorsitzender des Hospitals zum Heiligen Geist, berichtet im Interview von den geplanten Projekten zur Gesundheitsförderung der Mitarbeitenden, wie die Zukunft in der Pflege aussehen und welche Rolle dabei die Digitalisierung spielen könnte.

TK: Herr Schubert, der Fachkräftemangel ist in der Pflege besonders spürbar. Seit dem 1. November gilt für Hamburger Pflegeheime, die nachweislich eine gute Betreuungsqualität bieten, die Flexibilisierung der Fachkraftquote. Was verbirgt sich dahinter und wie bewerten Sie die Neuregelung?

Frank Schubert: Pflegeeinrichtungen haben jetzt die Möglichkeit, ihre Fachkraftquote auf bis zu 40 Prozent abzusenken. Gleichzeitig sollen weitere 20 Prozent der Mitarbeitenden über die Qualifikation einer zweijährigen Ausbildung zur Gesundheits- und Pflegeassistentin oder -assistenten verfügen. Diese Flexibilisierung gibt den Anbietern in der stationären Pflege mehr Luft zum Atmen. Das Festhalten an der 50 Prozent-Quote hat sich zunehmend als zu starres Korsett für die Träger erwiesen. Es führt in der Praxis immer wieder dazu, dass Pflegeplätze nicht belegt werden, weil es nicht genügend Fachkräfte gibt. Dabei gibt es oftmals sehr erfahrene Pflegehelferinnen und -helfer, die umsichtig und sehr zugewandt die ihnen anvertrauten Bewohnerinnen und Bewohner versorgen. Wir befinden uns in Hamburg in einer Situation, in der einerseits die Nachfrage nach einem Pflegeplatz kontinuierlich steigt und andererseits die Anzahl an verfügbaren Pflegeplätzen sinkt. Von daher ist diese neue Regelung mehr als überfällig und zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.

TK: Wie stellt sich das HzHG für die künftigen Herausforderungen in der Pflege auf?

Schubert: Keine Frage: Die personelle Situation in der Pflege ist äußerst angespannt! Uns als HzHG ist es einerseits wichtig, dass sich neue Mitarbeitende in ihrem neuen Team angenommen und wertgeschätzt fühlen. Wir befinden uns in der glücklichen Situation, dass wir eine eigene Pflegeschule haben und schon seit Jahren in großer Zahl ausbilden - aktuell 103 Auszubildende, 80 Prozent davon aus dem Ausland, für die wir uns unter anderem um bezahlbaren Wohnraum kümmern müssen

Andererseits möchten wir unsere Mitarbeitenden auch langfristig in unserer Stiftung halten. Zielsetzung ist es, die Fluktuation und auch den Krankheitsstand zu reduzieren. Dies geht nur in einer Kultur der Wertschätzung und des Dialogs auf Augenhöhe. Seit zwei Jahren haben wir einen sogenannten Familien- oder auch Springerpool eingerichtet. Dieser soll kontinuierlich ausgebaut werden, um darüber kurzfristige personelle Ausfälle in unseren Häusern besser auffangen zu können. Viele unserer Mitarbeitenden sind schon seit Jahrzehnten bei uns und verfügen über einen hohen Erfahrungsschatz. Mitarbeitende, die in den Ruhestand gehen, sprechen wir deshalb an, ob sie weiterhin bei uns arbeiten möchten. 
 

Frank Schu­bert

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Vorstandsvorsitzender des Hospitals zum Heiligen Geist

Wir erhoffen uns durch die Förderung der Mobilität bei unseren Bewohnern und Bewohnerinnen einen Zugewinn an Wohlbefinden und Lebensqualität. Dieses Projekt hat das Potential, ein Leuchtturm in der Pflegelandschaft zu werden. Frank Schubert, Vorstandvorsitzender des Hospitals zum Heiligen Geist

TK: Welche Projekte sind mit der TK-Förderung in den nächsten drei Jahren geplant?

Schubert: Dank der Unterstützung durch die TK werden wir in den kommenden Jahren die Mobilität unserer Bewohnerinnen und Bewohner systematisch fördern und die für sie jeweils richtige Unterstützungsmethode finden. Dafür erheben wir in einem ersten Schritt den Gesundheitsstatus aller bei uns lebenden Bewohnerinnen und Bewohner und erstellen auf dieser Grundlage einen individuellen Maßnahmenkatalog. Gleichzeitig unterstützen wir durch die Analyse arbeitsbedingter Belastungen und körperlicher Überlastungen sowie den gezielten Einsatz von Pflegehilfsmitteln die physische Gesundheit unserer Mitarbeitenden in der Pflege. 

Hierfür bilden wir gemeinsam mit unserem Partner Arjo insgesamt 30 eigene Mitarbeitende zu sogenannten Bewegungs- bzw. Move Coaches aus. Diese agieren dann als Multiplikatoren für die Kolleginnen und Kollegen in den eigenen Teams. Es wird spannend zu beobachten sein, inwieweit sich dadurch mittel- und langfristig Muskel- oder Skeletterkrankungen bei unseren Mitarbeitenden reduzieren. Gerade diese Erkrankungen führen in den pflegerischen Berufen oftmals zu langfristigen Ausfällen. Weiterhin erhoffen wir uns durch die Förderung der Mobilität bei unseren Bewohnern und Bewohnerinnen einen Zugewinn an Wohlbefinden und Lebensqualität. Dieses Projekt hat das Potential, ein Leuchtturm in der Pflegelandschaft zu werden.

TK: Welche Ideen haben Sie, damit sich auch künftig Menschen für den Pflegeberuf begeistern können und welche Rolle kann die Digitalisierung dabei einnehmen? 

Schubert: Zunächst einmal ist es wichtig, dass die von der ehemaligen Ampel-Koalition angedachten Reformen in der neuen Legislaturperiode wieder aufgegriffen werden. Hierzu zählen beispielsweise das vorgesehene Pflegekompetenzgesetz, welches eine Ausweitung der Entscheidungskompetenzen von Pflegefachkräften vorsieht, sowie ein bundeseinheitliches Assistenzgesetz. 

Darüber hinaus sehe ich in der Digitalisierung große Chancen für die Pflege: Sie bietet das Potential, unsere Mitarbeitenden unter anderem bei der Dokumentation zu entlasten. Der Einsatz von KI könnte die Pflegekräfte unterstützen, indem sie beispielsweise Risikofaktoren frühzeitig erkennt. . Auch Robotik wird nach und nach Einzug in die Pflege halten, zum Beispiel zur Unterstützung beim Heben und Lagern von pflegebedürftigen Menschen. Sie wird aber die menschliche Zuwendung nach meinem Verständnis nicht ersetzen. 

Alle Diskussionen über die Pflege kreisen vorrangig um die Mangelsituation und was alles schwierig ist. Dabei ist dieser Beruf zutiefst sinnstiftend, erfüllend und krisenfest, und auch die Bezahlung hat sich in den vergangenen Jahren spürbar verbessert. Aus meiner Sicht ist es wichtig, in unserer Gesellschaft das Mindset über die Pflege zu verändern. Der Beruf ist sehr anspruchs- und verantwortungsvoll. Es ist an der Zeit, den Mitarbeitenden und ihren Tätigkeiten auch den gebührenden Respekt und die Wertschätzung entgegenzubringen.

Hintergrund

Die Techniker unterstützt stationäre, teilstationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen sowie Krankenhäuser dabei, gesundheitsfördernde Strukturen nachhaltig im Pflegealltag zu etablieren. Dabei stehen die Beschäftigten sowie die Pflegebedürftigen im Fokus. Seit September 2024 erhält das Hospital zum Heiligen Geist eine auf drei Jahre befristete Förderung von der TK. Mehr Informationen zum Thema " Gesunde Pflege " gibt es im TK-Portal "Lebenswelten".