Blutzuckerziele im Alter prüfen
Wer an Typ-2-Diabetes erkrankt ist, entwickelt mit den Jahren und besonders im höheren Alter teilweise gefährliche Unterzuckerungen. Ein häufiger Grund dafür kann laut "Diabetes Update 2022" eine zu ehrgeizige Diabetes-Therapie sein. Im Alter sollte deshalb vorbeugend der Blutzucker-Zielwert regelmäßig überprüft und die Therapie angepasst werden.
Fakten und Zahlen aus dem Diabetes Update 2022 zeigen eindrucksvoll, dass der Langzeitwert HbA1c als Ziel für die blutzuckersenkende Therapie bei älteren Menschen mit Typ-2-Diabetes oft zu niedrig angesetzt ist. Von daher verwundert es nicht, dass in Deutschland Unterzuckerungen die zweithäufigste Ursache sind, wenn ältere Menschen aufgrund von Arzneimittel in die Notfall-Ambulanz kommen.
Wichtig zu wissen: In vielen Fällen fehlen bei älteren Menschen die klassischen Symptome für eine Unterzuckerung. Die Beschwerden äußern sich häufig in mentalen Problemen und werden von Angehörigen und Pflegenden irrtümlich mit einer Demenz verwechselt.
Faktor Alter wird unterschätzt
Mit den Jahren setzt die ausgleichende Gegenregulation des Körpers erst bei sehr niedrigen Blutzucker-Werten ein und die Menge an ausgeschütteten Hormonen zur Stabilisierung des Blutzuckers nimmt ab. Laut Experten verkleinert sich im Alter dadurch das Zeitfenster, in dem der Betroffene die Unterzuckerung wahrnimmt, aber noch reagieren kann. Aus diesem Grund sollten ältere Menschen mit Diabetes eine andere Therapie bekommen als Jüngere, so empfehlen es die ärztlichen Fachgesellschaften.
Das bedeutet für Sie: Gemeinsam mit dem behandelnden Diabetes-Team sollte der Zielwert für den Blutzucker individuell festgelegt und regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Wachsam immer wieder den Zielwert und das Ausmaß der Blutzuckersenkung infrage zu stellen, gehört zu den wichtigsten Empfehlungen für ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes und ihre Angehörigen. Schon ein zusätzlich eingenommenes Medikament wie Cortison oder eine akute Erkrankung wie eine Grippe kann die Anpassung der Therapie erforderlich machen. Gerade für Hochbetagte sind die Lebensqualität und das Vermeiden von Unterzuckerungen wichtiger als ein besonders niedriger HbA1c-Wert.
Alt & Fit? Wer keine zusätzlichen Erkrankungen hat, wenig Medikamente gleichzeitig einnimmt und insgesamt fit ist, bei dem kann auch im Alter ein HbA1c-Zielwert von unter 6,5 Prozent (48 mmol/mol) wie in jüngeren Jahren sinnvoll sein.
Alt & multimorbide und pflegebedürftig? Ist die Lebenserwartung gering oder kommen andere schwere Krankheiten hinzu bzw. ist ein selbstständiges Leben nicht möglich, kann der HbA1c-Zielwert bei bis zu 8,5 Prozent liegen.
Ärztlich geprüft: Die richtigen Blutzucker-Ziele im Alter
Alle Fachgesellschaften, die sich mit der Behandlung von Diabetes im Alter beschäftigen, haben sich nach sorgfältiger Prüfung von Studien auf gemeinsame Empfehlungen für ältere Menschen geeinigt. Damit der Blutzucker-Spiegel optimal und nicht zu stark gesenkt wird, müssen zusätzlich zu den Wünschen der Betroffenen folgende Faktoren berücksichtigt werden:
- Lebenserwartung
- zusätzliche Erkrankungen
- Mehrfachmedikation (Wechsel- und Nebenwirkungen)
- körperliche und geistige Fähigkeiten
- Belastung durch die jeweilige Therapie
Wissenswertes: Diagnostik & Therapie im Alter
Fakten zur Diagnostik: Grundsätzlich gelten zur Erstdiagnostik dieselben Werte wie bei jüngeren Menschen.
Die folgenden Blutwerte sollten auch bei einem bestehenden Diabetes regelmäßig bestimmt werden, wenn zum Beispiel Medikamente eingenommen werden, die den Blutzucker erhöhen.
- Nüchtern-Plasma-Glukose ≥ 126 mg/dl (7,0 mmol/l)
- Zufalls-Plasma-Glukose ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l) mit Diabetes-typischen Symptomen
- HbA1c ≥ 6,5% (48 mmol/mol)
Fakten zur Therapie
Die aktuelle Leitlinie rät dazu, die Vor- und Nachteile einer Insulin-Therapie bei älteren Menschen mit Typ-2-Diabetes sorgfältig abzuwägen. Kombinationen von mehr als 2 oralen Antidiabetika seien nicht sinnvoll.
- Metformin: Das orale Antidiabetikum gilt als Mittel der 1. Wahl im Alter.
- DPP-4-Inhibitoren: Diese Antidiabetika werden als sehr vorteilhaft eingestuft, da sie gewichtsneutral sind und auch bei Nierenschwäche eingesetzt werden können.
- GLP-1-Analoga: Selbst bei Nichtansprechen auf Insulin können diese Medikamente mit einem geringen Risiko für Unterzuckerungen eingesetzt werden.
- SGLT-2-Hemmer: Dapagliflozin wird ab 75 Jahren, Empagliflozin ab 85 Jahren nicht mehr empfohlen. Der Vorteil dieser Antidiabetika besteht darin, dass sie selbst keine Unterzuckerungen verursachen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermindern.
Wichtig zu wissen
Damit Sie auch das letzte Lebensdrittel möglichst genießen können, gibt es nicht den einen für alle "richtigen" Weg. Entscheidend für den Erfolg bleibt Ihre aktive Mithilfe, ein gesunder Lebensstil und die regelmäßige Überprüfung der individuellen Therapie-Ziele.