Neues zur Herzinfarktdiagnostik
Oft macht sich ein Herzinfarkt durch klassische Symptome wie Brustschmerzen bemerkbar, aber nicht immer. Gleiches gilt nach neuesten Erkenntnissen für die Routinediagnostik. Frauen, aber auch Männer, können trotz unauffälligen Befunds in der Herzkatheter-Untersuchung einen Infarkt erlitten haben. In diesem Fall raten Fachleute, sich bei anhaltenden Beschwerden wieder in der Klinik vorzustellen.
Erkrankungen der Herzkranzgefäße können im fortgeschrittenen Stadium Durchblutungsstörungen verursachen. Dies kann besonders unter Belastung zu einer schlechten Sauerstoffversorgung - genannt "Angina pectoris" - oder zu einem Herzinfarkt führen. Die Beschwerden können in beiden Fällen relativ ähnlich sein. Daher bezeichnen Fachleute heute beide Erkrankungen als "Akutes Koronarsyndrom".
Aber anders als bei der Angina pectoris verschließen sich bei einem Herzinfarkt ein oder mehrere Koronargefäße. Der betroffene Teil des Herzmuskels wird nicht mehr durchblutet und das Gewebe stirbt ab. Trotz der Unterschiede gelten beide als Notfall, bei dem jede Sekunde zählt.
Infarkt trotz unauffälliger Koronar-Angiographie
Bei einem akuten Koronarsyndrom wird neben EKG und Blutwerten meist auch ein Herzkatheter-Untersuchung mit Darstellung der Herzkranzgefäße durchgeführt (Koronar-Angiographie). Mit Hilfe von Röntgenkontrastmittel zeigt sich, wo Engstellen oder sogar Gefäßverschlüsse vorliegen. Die Chancen stehen gut, einen Herzinfarkt ohne bleibende Schäden zu überstehen, wenn das verschlossene Gefäß innerhalb von zwei Stunden nach Beginn der Beschwerden wieder geöffnet wird.
Bei einer Koronaren Herzerkrankung ist es nicht immer ganz einfach zu beurteilen, ob tatsächlich ein Infarkt vorliegt oder nicht. Manchmal sind plötzliche Verkrampfungen der Gefäße (Koronarspasmen) der Auslöser für die Beschwerden, also kein Infarkt. Nach der HARP-Studie kann aber selbst dann ein Infarkt die Ursache für die Beschwerden sein, wenn sich in der klassischen Koronar-Angiographie keine größeren Engstellen zeigen.
HARP-Studie
Die Studie an der Grossman School of Medicine in New York wertete die Daten von 300 Frauen an 16 Zentren in den USA aus. In die Studie eingeschlossen wurden nur Frauen, bei denen sich im EKG kein klassischer Herzinfarkt (ST-Hebungsinfarkt) zeigte. Bei 170 Frauen fand sich in der Koronar-Angiographie keine einzige Engstelle, bei der mehr als 50 Prozent des Gefäßes verschlossen war. Diese Frauen erhielten als zusätzliche Diagnostik eine optische Kohärenztomografie (OCT) und ein MRT des Herzens.
Ergebnis: Die HARP-Studie zeigte, dass eine intensivere Diagnostik als sonst üblich in diesem Fall sinnvoll war. Denn bei 46 Prozent der untersuchten Frauen lag trotz unauffälliger Angiographie trotzdem ein Infarkt vor.
Im Zweifel nachfragen
Stand der Verdacht auf einen Herzinfarkt im Raum, aber weder der EKG-Befund noch die Gefäßdarstellung zeigen die typischen Infarktzeichen, ist möglicherweise eine zusätzliche Diagnostik sinnvoll. Betroffen sind vor allem Frauen, aber auch Männer mit einem so genannten "Nicht-ST-Hebungsinfarkt" mit leichtem Troponin-Anstieg im Blut, einem zuverlässigen Marker für Herzinfarkt. In diesem Fall raten die Experten der HARP-Studie ihren Kolleginnen und Kollegen, eine ausführlichere Diagnostik in Erwägung zu ziehen.
Das können Sie selbst tun: Betroffene bzw. ihre Angehörigen sollten im Zweifel nachfragen, wenn sich die Ärzte gegen eine Infarkttherapie entscheiden und Entwarnung geben. Wer nicht stationär aufgenommen wird, sollte bei erneuten, herzinfarkttypischen und untypischen Beschwerden, sofort den Notarzt rufen und nicht abwarten, ob sich die Symptome bessern.
Verkrampfungen der Herzgefäße
Männer unter 65 und Frauen aller Altersstufen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit für so genannte "Koronarspasmen". Dabei verkrampfen sich plötzlich einzelne Herzgefäße und es gelangt nicht mehr genügend Sauerstoff zum Herzen. Bei Koronarspasmen liegt vorübergehend eine Engstelle vor, die zu infarkttypischen Beschwerden führen kann. Koronarspasmen gelten aber als funktionelle Herzerkrankung und sind kein Herzinfarkt. Im Unterschied zur Angina pectoris treten diese Symptome bevorzugt in Ruhe auf und bessern sich durch bestimmte Medikamente (Kalziumantagonisten).