Heute steigt mit dem Älterwerden die Zahl der eingenommenen Medikamente drastisch an. Dazu gehören die unterschiedlichsten Wirkstoffe, beispielsweise für den Blutdruck, zum Ausgleich von Herzrhythmusstörungen, gegen Schmerzen und vieles mehr. Dieses Phänomen bezeichnet man heute ab fünf Wirkstoffen als "Polypharmazie". 

Stationäre Einweisungen vermeiden

Laut  einer Pressemeldung des Apothekerverbands (ABDA) nehmen ab 65 Jahren 7,6 Millionen Menschen in Deutschland täglich fünf oder mehr Arzneimittel ein. Über 75 Jahren braucht bereits jeder Dritte mehr als acht Medikamente. Kommt neben dem Faktor Alter noch eine chronische Erkrankung wie die KHK hinzu, sind pro Tag mehrere unterschiedlich wirkende Arzneimittel meist nicht zu vermeiden. Diese sogenannte "Mehrfachmedikation" kann zu Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Wirkstoffen führen, aber auch bei der konsequenten Einnahme Probleme bereiten und wird oft unterschätzt. 

Wichtig zu wissen: Laut Studien steigt bei über 65-Jährigen die Zahl der unerwünschten Neben- und Wechselwirkungen linear mit der Anzahl an eingenommenen Medikamenten an. Da verwundert es nicht, dass schätzungsweise 5 bis 10 Prozent aller Krankenhauseinweisungen aufgrund der Nebenwirkungen von Arzneimitteln erfolgen. Mindestens ein Viertel davon könnte nach Ansicht von Experten vermieden werden, denn gerade bei älteren Menschen werden häufig zu viele oder für ältere Menschen ungeeignete Arzneimittel verordnet.  

Trendwende Polypharmazie 

Meist sind die einzelnen Medikamente an sich notwendig und sinnvoll. Kommen aber mehrere Arzneimittel zusammen, kann es zu deutlich mehr Nebenwirkungen, Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Präparaten und teilweise sogar zu einem unkontrollierbaren Einfluss auf den Verlauf der chronischen Erkrankung kommen.  

In den letzten Jahren versuchen Fachgesellschaften bewusst, gegen das Verordnen zu vieler Medikamente vorzugehen. Aber was "zu viel" bedeutet, muss individuell sorgfältig abgewogen und mit den behandelnden Ärzteteams abgesprochen werden. Medikamente in Eigenregie abzusetzen, ist in jedem Fall der falsche Weg.

Wichtig zu wissen: In die Gesamtbetrachtung der eingenommenen Medikamente zählen auch freiverkäufliche, pflanzliche und homöopathische Arzneimittel, die nicht ärztlich verordnet wurden, sowie Nahrungsergänzungsmittel. Es lohnt sich, alle regelmäßig eingenommenen Arzneimittel aufzulisten und sie gemeinsam mit dem Haus- bzw. Facharzt oder in der Apotheke durchzusehen. 

Medikamentenchecks: Eine komplexe Situation leichter machen

Die Behandlung einer Koronaren Herzerkrankung ist selbst für erfahrene Fachärztinnen und Fachärzte nicht immer einfach, vor allem wenn noch weitere Erkrankungen vorliegen oder mehrere Fachpraxen an der Therapie beteiligt sind. Dabei ist für Fachleute oft nicht einfach zu entscheiden, ob die Therapie sich an den Symptomen orientieren sollte oder an möglichen Neben- bzw. Wechselwirkungen. Eine nachlassende Nierenfunktion im Alter kann beispielsweise die Verordnung geeigneter Herzmedikamente erschweren. 

Die Forschung hat klar gezeigt, dass eine sorgfältige, für alle einsehbare Dokumentation der vorliegenden Beschwerden und eingenommenen Arzneimittel sehr gut dabei hilft, unwirksame, aber in der Kombination mit anderen Medikamenten gefährliche, Mittel rasch zu identifizieren. 

Für Ärztinnen und Ärzte: Den Fachleuten stehen für die geeignete Medikamentenauswahl spezielle Listen, digitale Instrumente und Leitlinien zur Verfügung, wie zum Beispiel die PRISCUS (Liste potenziell inadäquater Medikation für ältere Menschen), FORTA (Fit fOR The Aged), MAI (Medication Appropriateness Index) oder die Hausärztliche Leitlinie "Multimedikation". Für einen schnellen Medikamentencheck gibt es mittlerweile Tools zur Online-Prüfung, zum Beispiel bei Epocrates oder Medscape.

Das bedeutet für Sie: 

  • Sprechen Sie offen an, wenn Sie Bedenken haben oder Probleme sehen, viele Medikamente einzunehmen. 
  • Fragen Sie nach einem Medikamentencheck auf Wechsel- und Nebenwirkungen.
  • Nutzen und aktualisieren Sie Ihren Medikamentenplan regelmäßig gemeinsam mit Ihrer betreuenden Praxis. 

Behalten Sie den Überblick 

Ein bei allen Beteiligten hinterlegter, immer wieder aktualisierter Medikamentenplan und Tablettenboxen für den Wochenbedarf zum Einsortieren aller notwendigen Medikamente sorgt für eine bessere Orientierung und erhöht nachweislich die Sicherheit trotz Polypharmazie. Im Medikamentenplan sollten alle einzunehmenden rezeptpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel, ihre Dosierung und Anwendung aufgelistet werden. Sollten Sie noch keinen Medikamentenplan bekommen haben, fragen Sie bei Ihrem Praxisteam oder in Ihrer Apotheke nach. Nehmen Sie Ihren Medikamentenplan zu jedem Termin in der Praxis mit.