Corona und die Generationen: Wir müssen zusammenhalten
Die Pandemie trifft Jung und Alt besonders hart: Während sich die einen um einen ganzen Lebensabschnitt beraubt fühlen, sitzen die anderen einsam und isoliert zu Hause. Wird die Corona-Krise auch zu einer Generationenkrise? Darüber haben wir Ende 2020 mit der Hamburgerin Christa S. (81) und ihrer Enkelin Lilli R. (20) gesprochen.

Wie geht es Ihnen mit der Corona-Krise?
Christa S.: Im Grunde geht es mir ganz gut, aber natürlich nervt es irgendwann. Vor allem, wenn sich manche nicht an die Regeln halten, und das sind ja leider auch viele Jüngere. Am Anfang hatte ich noch viel Verständnis dafür, schließlich wollen sie ihre Jugend genießen. Immerhin haben wir früher auch viel Quatsch gemacht. Aber mittlerweile denke ich mir: Viele von denen haben doch auch Großeltern oder kranke, gefährdete Verwandte zu Hause - warum nehmen manche so wenig Rücksicht?
Lilli R.: Ich kann mir vorstellen, dass viele jüngere Menschen noch nicht verstehen, was Solidarität wirklich bedeutet. Das kann man dennoch nicht pauschalisieren. Bei meinem Kellner-Job im Café sind mir auch einige Rentner aufgefallen, die nur widerwillig eine Maske tragen wollen. Dafür habe ich auch nur wenig Verständnis. Meine Freunde und ich halten uns dagegen strikt an die Maßnahmen. Wie gesagt: Alles andere fände ich auch unsolidarisch. Alles in allem habe ich mich inzwischen schon an die Maßnahmen der Pandemie gewöhnt. Was mich allerdings verunsichert, dass alles immer noch so unvorhersehbar ist.
Alles in allem habe ich mich inzwischen schon an die Maßnahmen der Pandemie gewöhnt. Was mich allerdings verunsichert, dass alles immer noch so unvorhersehbar ist.
Wie hat sich Ihr Leben durch die Pandemie verändert?
Christa S.: Dass man mit niemanden mehr so wirklich zusammenkommen darf! Ich kann gerade nicht einmal meine Kinder in den Arm nehmen. Trotzdem bin ich sehr dankbar, dass ich noch alleine leben kann und sich meine Töchter und Enkel rührend um mich kümmern. In der Zeit des ersten Lockdowns hat Lilli sogar mehrere Wochen für mich gekocht. Sie war so süß. Jeden Tag hat sie mich angerufen und Bescheid gesagt, dass sie gleich das Essen vorbeibringt. Dann hat sie geklingelt und mir die Töpfe vor die Tür gestellt. Wir haben uns bloß ein "Hallo" zugeworfen und ein paar Sätze gewechselt. Sie stand am Gartentor und ich in der Haustür.
Lilli R.: Ja, ich hatte einfach das Gefühl Verantwortung übernehmen zu müssen und wollte unbedingt helfen. Auch wenn wir uns nicht wirklich nahe sein konnten, haben wir uns bei der Essensübergabe immerhin gesehen. Sogar viel öfters als vorher und ich merke, dass unsere Beziehung dadurch noch inniger geworden ist. Mein eigenes Leben wurde durch Corona aber auch auf den Kopf gestellt: Ich musste ein Praktikum in Berlin abbrechen und bin wieder zu meiner Mutter nach Hamburg gezogen. Jetzt habe ich gerade mein Studium an der Uni Köln angefangen. Natürlich online.
Was glauben Sie: Für wen ist die aktuelle Situation belastender - für die Älteren oder die Jüngeren? Und warum?
Christa S.: Ich denke, es sind die Jüngeren, weil sie auf viel mehr verzichten müssen und so eingeschränkt sind. So wie Lilli können auch viele andere ihr Studium nicht normal beginnen. Sie können weder die Uni besuchen noch andere kennenlernen. Alles, was vor Corona ganz normal war, fällt jetzt flach. Ich glaube, das ist sehr schwer.
Lilli R.: Das stimmt. Für mich ist es schwierig zu verstehen, wie Studieren jetzt überhaupt funktioniert. Natürlich kann ich meine Freunde um Hilfe bitten oder die Fachschaft anrufen, aber das ist einfach nicht das Gleiche. Und natürlich bin ich auch traurig, dass ich keine Orientierungswoche habe, und ich vermisse große Menschenmengen. Manchmal, wenn ich einen Film mit Partyszenen sehe, kommt mir das total surreal vor, wie die Leute feiern. Dass es das wirklich mal gab - so toll! Das fehlt mir wirklich sehr. Trotzdem glaube ich, dass es Ältere im Großen und Ganzen sogar noch schwieriger haben. Viele sind bestimmt jetzt viel allein.
Apropos allein - wie gehen Sie mit Einsamkeit um?
Christa S.: Ich komme sehr gut alleine zu recht und würde mich sogar als Einzelgänger bezeichnen. Das ist mein Naturell und jetzt mein Glück.
Lilly R.: Darüber bin ich sehr froh, denn ich habe viel an meine Oma gedacht und hatte Angst, dass sie einsam ist. Da ich mit meiner Mutter zusammenwohne, fühle ich mich nur selten allein. Trotzdem vermisse ich es, mehrere Freunde zu treffen. Alle Veranstaltungen finden jetzt nur noch per Videoanruf statt.
Wie beschäftigen Sie sich während des Lockdowns? Und welche technischen Möglichkeiten nutzen Sie, um Kontakt mit Ihren Liebsten zu halten?
Christa S.: Ich lese viel und schaue Nachrichten. Außerdem versuche ich dreimal am Tag kurze Runden spazieren zu gehen. Das ist in meinem Alter besonders wichtig, damit sich die Muskeln nicht abbauen. Außerdem tut es gut rauszukommen, frische Luft zu schnappen und auch mal etwas anderes zu sehen. Den Kontakt zu meiner Familie und Freunden halte ich per Telefon. Zwar wollten mir meine Enkel das Internet erklären, aber dafür fehlt mir leider das technische Verständnis.
Lilli R.: Mein Studium hat ja zum Glück begonnen und gibt meinem Tag Struktur. Ansonsten habe ich zwei Freundinnen, mit denen ich mich immer treffe. Wir haben die Regel, dass nur wir drei uns miteinander verabreden dürfen, damit sich keiner ansteckt. Ich habe nämlich nicht nur Angst davor, meine Oma anzustecken, sondern auch meine Mutter. Ansonsten gehe ich viel spazieren und habe ein paar Verabredungen über Zoom.
Wie groß ist die Angst vor dem Virus selbst?
Lilli R.: Ich bin zwar jung und gesund, aber ich habe trotzdem Angst vor dem Virus. Vor allem vor den Spätfolgen, über die man bisher so wenig weiß. Aber was mir noch mehr Sorge bereitet, ist der Gedanke, dass meine Oma oder meine Mama krank werden.
Christa S.: Ich bin 81 Jahre alt und blicke auf ein schönes Leben zurück. Deswegen habe ich auch nicht so viel Angst. Trotzdem muss ich vorsichtig sein, denn ich habe seit 30 Jahren Diabetes und somit kommen bei mir gleich mehrere Risikofaktoren zusammen. Etwas, das mir mehr Angst macht als das Virus selbst, ist der Gedanke, an ein Beatmungsgerät angeschlossen zu werden. Das möchte ich auf keinen Fall.
Glauben Sie, dass wir etwas aus der Krise lernen können?
Ich glaube, die Menschheit hat jetzt eine große Chance. Und sie entscheidet, in welche Richtung es geht. Entweder es gibt nachher noch mehr Egoisten oder es entsteht ein wunderbares Gemeinschaftsgefühl, indem man sich gegenseitig hilft und unterstützt.
Christa S.: Ich glaube, die Menschheit hat jetzt eine große Chance. Und sie entscheidet, in welche Richtung es geht. Entweder es gibt nachher noch mehr Egoisten oder es entsteht ein wunderbares Gemeinschaftsgefühl, indem man sich gegenseitig hilft und unterstützt.
Lilli R.: Ich finde man merkt bereits jetzt, dass die Krise zusammengeschweißt hat. Nicht nur als Familie, sondern auch als Gesellschaft. Viele Menschen haben ein größeres Empfinden für Solidarität bekommen. Die Krise trifft uns alle gleichermaßen, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Wir müssen da jetzt zusammen durch! Worin ich außerdem eine Chance sehe, ist die Digitalisierung. Allein die Online-Seminare der Universitäten treiben ja einen totalen Wandel an, in dem bestimmt noch viele Möglichkeiten stecken.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Lilli R.: Ich wünsche mir, dass die Leute begreifen, dass das Ganze viel schneller überstanden ist, wenn wir uns alle an die Maßnahmen halten und einfach mal zuhause bleiben.
Christa S.: Das wird uns garantiert noch lange begleiten, trotzdem habe ich die Hoffnung, dass es schnell besser wird. Und bis es soweit ist, versuche ich, mich nicht in die Krise hineinzusteigern. Man kann ein Ende nicht herbeizaubern. Da gehe ich doch lieber noch eine Extra-Runde spazieren, dann fühle ich mich wieder viel besser.