Wer gut schläft, lebt glücklicher
Unruhige und aufregende Tage - so wie sie uns derzeit rund um das Coronavirus und die Lage in der Welt beschert sind - lassen uns definitiv schlechter schlafen. Schlafforscher Albrecht Vorster hat ein sehr unterhaltsames Buch darüber geschrieben "Warum wir schlafen". Es ist eine Reise in den (immer noch) eher unbekannten Teil des Lebens.

Herr Vorster, gibt es Tricks, das Gedankenkarussell abzustellen, um besser einzuschlafen?
Im Moment ist es wirklich schwierig abzuschalten, belastende Nachrichten überschlagen sich geradezu, ständig gibt es neue, schlechte News aus der ganzen Welt. Dabei ist es das Wichtigste, in einem entspannten Grundzustand ins Bett zu gehen. Wie man diesen Zustand erreicht, ist jedem selbst überlassen. Das kann ein heißes Bad, autogenes Training, Meditation oder ein gutes Buch sein. Ich empfehle, Handy und Laptop eine Stunde vor dem Einschlafen auszuschalten und damit aufregende Fakten und emotionale Facebook-Unterhaltungen aus dem Schlafzimmer zu verbannen. Schlafen ist aktives Loslassen. Je entspannter wir sind, desto besser, tiefer und glücklicher schlafen wir ein.
Anleitung zum Entspannen finden Sie hier
Viele Menschen schlafen aber schlecht. Wann ist das bedenklich?
Es besteht ein großer Unterschied zwischen bisweilen schlecht schlafen und einer veritablen Schlafstörung. Gelegentlich schlecht zu schlafen auch über zwei Wochen, wegen Stress, Liebeskummer oder Krankheit ist vollkommen normal und nicht behandlungsbedürftig. Bedenklich ist es erst, wenn Menschen länger als einen Monat häufiger als dreimal in der Woche Schlafprobleme haben. Das ist extrem zermürbend. Nicht umsonst zählt Schlafentzug zu den gängigsten Foltermethoden.
Loslassen müsste man können...
Was genau passiert dabei?
Eigentlich holt sich der Körper ausreichend Schlaf, nur ist er oberflächlicher: Wir wachen häufig auf, Sorgen uns und wachen deswegen noch häufiger bewusst auf. Aufwachen an sich ist jedoch normal und ungefährlich. Zum tief schlafen müssen wir loslassen, uns fallen lassen, das lässt sich lernen.
Kann guter Schlaf eine Infektion mit dem Corona Virus beeinflussen?
Die Ansteckungsgefahr wahrscheinlich nicht, möglicherweise aber den Verlauf der Erkrankung. Wir wissen mittlerweile, dass der Schlaf vor und während einer Infektion die Stärke der Immunantwort beeinflusst. Eine amerikanische Forschergruppe fand vor einigen Jahren heraus, dass die Ansteckungswahrscheinlichkeit durch das Rhino-Virus überraschenderweise nicht von der Menge des Schlafes vor der Infektion abhing, jedoch die Stärke der Immunantwort: Während Teilnehmer, die ausreichend Schlaf bekamen, eine Infektion mit einem Rhino-Virus (Erkältungsvirus) oft gar nicht bemerkten, erlebten diejenigen, die unzureichend geschlafen hatten, stärkere Symptome und litten stärker unter der Erkrankung, vermutlich aufgrund einer überschießenden Immunreaktion. Guter Schlaf kann also den Verlauf einer Virusinfektion positiv beeinflussen. Wir am Inselspital in Bern möchten in den kommenden Monaten die Rolle des Schlafes bei einer Covid-19 Infektion genauer untersuchen.
Wie das Immunsystem im Schlaf aufgetankt wird
Albert Einstein soll 14 Stunden pro Tag geschlafen haben. Napoleon brauchte 4 Stunden Schlaf. Was raten Sie?
Es gibt Menschen, die sehr viel Schlaf benötigen, andere kommen mit wenig aus. 90 Prozent der Menschen brauchen zwischen sechs und neun Stunden. Eine generelle Empfehlung lässt sich daraus nicht ableiten, weil das so individuell ausfällt wie bei einem T-Shirt. Den meisten passt die Größe M oder L, einige wenige brauchen S oder XXL.
Was sind die gängigsten Mythen über Schlaf? Vor Mitternacht ist es am besten?
Es ist richtig, dass in den ersten drei Stunden der wichtigste Schlaf stattfindet. Da haben wir den meisten Tiefschlaf, der für die Erholungsfunktion des Körpers zum Beispiel durch die Ausschüttung von Wachstumshormon aber auch für das Immunsystems entscheidend ist. Ob diese ersten drei Stunden vor oder nach Mitternacht stattfinden, ist allerdings völlig gleichgültig.
Wie lassen sich Albträume besiegen?
Albträume sind für die Betroffenen sehr belastend, das spiegelt sich in einer höheren Selbstmordrate. Eine sehr gute Behandlungsmethode bietet die "image rehersal therapy". Dabei schreibt man zunächst den Traum so detailliert wie möglich auf. Danach überlegt man, was einem in der Horrorsituation helfen könnte. Sollte ich zum Beispiel meinen Verfolger ansprechen und ihm eine Blume schenken? Sollte mir jemand zu Hilfe eilen? Man entwirft also eine Lösung für diesen Albtraum, schreibt es auf und liest das über zwei Wochen vor dem Einschlafen mehrmals durch. Was wir häufig lesen, brennt sich ein. Bislang hat sich der Albtraum eingebrannt, was sich durchbrechen lässt, indem wir diese Gedanken bewusst in eine neue Richtung lenken.
Schlafforscher klingt wie ein Traumjob im mehrfachen Sinn. Was träumt man da selbst so?
Ein Schlafforscher träumt nicht anders als jeder andere Mensch auch. Die allermeisten Träume sind sehr banal, wahrscheinlich deswegen erinnert man sich nur an die wenigsten.