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Herr Müller, in manchen Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen gibt es bereits Beauftragte für Patientensicherheit. Was ist deren Auftrag? 

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Hardy Müller ist seit Februar 2019 Beauftragter für Patientensicherheit der Techniker Krankenkasse.

Hardy Müller: Der Auftrag dieser Kolleginnen und Kollegen besteht darin, das Thema Patientensicherheit auf allen Ebenen voranzutreiben. Dabei geht es immer um vermeidbare Ereignisse, die Patientinnen und Patienten schaden. Also Ereignisse, die wir verhindern können.

Ein Beispiel sind behandlungsassoziierte Infektionen: Eine Patientin oder ein Patient wird im Krankenhaus behandelt und steckt sich dort mit einem Krankenhauskeim an. Wir müssen leider davon ausgehen, dass dadurch jedes Jahr etwa 3.000 Todesfälle verursacht werden, obwohl diese prinzipiell vermeidbar wären. Das Ausmaß ist seit vielen Jahren viel zu hoch.

Patientensicherheitsbeauftragte identifizieren derartige Risiken, bewerten sie und entwickeln vorbeugende Maßnahmen. Zentral ist dabei, aus Fehlern zu lernen, sie zu diskutieren und so eine neue Kultur der Patientensicherheit zu entwickeln. Dieser Kultur-Begriff ist enorm wichtig, denn er bedeutet: Das Ergebnis fällt nicht vom Himmel. Jede und jeder Einzelne muss aktiv an Patientensicherheit mitarbeiten. 

Sie sind Beauftragter für Patientensicherheit einer Krankenkasse. Was ist Ihre Rolle?

Hardy Müller: Die TK engagiert sich seit vielen Jahren im Bereich Patientensicherheit. Meine Aufgabe ist es, die vielen Aktivitäten sichtbar zu machen. Ich pflege außerdem unser Netzwerk und bin erster Ansprechpartner. Denn das Besondere ist ja: Patientensicherheit ist eine integrative Aufgabe und geht nur mit anderen zusammen. Daneben verstehen wir uns auch als Impulsgeber. Wir entwickeln Vorschläge und setzen neue Verfahren um. Im Bericht des TK Beauftragten  stellen wir jedes Jahr unsere Aktivitäten dar. 

Wir wollten zum Beispiel transparent machen, was unsere Versicherten über Patientensicherheit denken. Dafür haben wir den TK-Monitor für Patientensicherheit entwickelt, eine repräsentative Befragung. Sie zeigt: Jede beziehungsweise jeder Vierte vermutet, selbst schon einmal Opfer eines Behandlungsfehlers geworden zu sein. Das finde ich extrem bedeutsam, denn es zeigt, dass Patientensicherheit nicht abstrakt ist. Jede beziehungsweise jeder Vierte kann da aus eigener Erfahrung mitreden. 

Es ist uns zudem wichtig, Versicherte aktiv einzubinden. Es gibt zum Beispiel Berichtssysteme - kurz CIRS genannt von der englischen Bezeichnung Critical Incident Reporting System -, in denen Mitarbeitende im Gesundheitswesen kritische Ereignisse melden können. Wir wollen, dass auch Patientinnen und Patienten ihre Erfahrungen einbringen können. 

Warum hat sich die TK entschlossen, als erste Krankenkasse überhaupt diese Stelle einzurichten?

Hardy Müller: Im Krankenhaus haben wir bis zu 20.000 Todesfälle im Jahr zu beklagen, die auf die Behandlung im Krankenhaus zurückzuführen sind und vermeidbar gewesen wären. Das ist eine viel zu hohe Zahl. Mit der Einrichtung dieser Stelle will die TK zeigen, dass wir die gesundheitspolitischen Forderungen nach dem Einsatz von Beauftragten für Patientensicherheit ernst nehmen.

Wir wollen nicht nur auf andere schauen, sondern selbst aktiv sein. Im Behandlungsfehlermanagement  sind wir für unsere Versicherten da, wenn etwas passiert ist. Und es gibt das Primat der Prävention: Wenn sich etwas vermeiden lässt, sollten wir auch alles dafür tun. Und da können Behandelnde und Krankenhäuser einen Beitrag leisten, genauso wie Krankenkassen, Wissenschaft, Verwaltung und Ministerien. 

Wie sind Sie mit anderen Akteuren im Bereich der Patientensicherheit vernetzt?

Hardy Müller: Die TK ist Gründungsmitglied in der nationalen Plattform für Patientensicherheit, dem Aktionsbündnis Patientensicherheit APS. Unsere Vorstände sind im Beirat, TK-Kolleginnen und Kollegen arbeiten in den Arbeitsgruppen des APS mit und wir beraten das APS.

Zentral sind auch Einzelverträge mit Kliniken, etwa mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), in denen wir Maßnahmen für mehr Patientensicherheit vereinbaren. Dort wollen wir unter anderem die Aufklärung von Versicherten stärken, indem persönliche Entscheidungshilfen angeboten werden. 

Was können wir aus der Corona-Pandemie für die Patientensicherheit lernen?

Hardy Müller: Die Pandemie führt uns Risiken und deren Konsequenzen schmerzhaft vor Augen. Wir lernen, dass ein aktives Risikomanagement wichtig ist. Aktiv sein bedeutet nicht nur, Krisenpläne aufzustellen. Aktiv bedeutet, dass wir diese gezielt trainieren müssen.

Kein Pilot in der Ausbildung fliegt einfach los, sondern er geht erst einmal in den Simulator und übt dort insbesondere kritische Situationen. Dieser Gedanke ist in der Medizin noch nicht selbstverständlich. Wir müssen nicht nur theoretisch wissen, wie wir in einer Krise vorgehen, sondern wir brauchen Notfallpläne, die alle Akteure bei Bedarf souverän umsetzen können. 

Wir lernen außerdem, dass bislang unbekannte oder unterschätzte Ereignisse die Sicherheit gefährden. Darum geht es zum Beispiel auch bei den CIRS-Berichtssystemen im Gesundheitswesen - sie können mögliche neue Risiken aufdecken. Darum engagieren wir uns hier auch so stark. 

Corona-Warn-Apps, digitaler Impfpass, elektronische Patientenakte - sehen Sie in der Digitalisierung im Gesundheitswesen Chancen für die Patientensicherheit?

Hardy Müller: Digitalisierung ist definitiv eine große Chance. Bleiben wir gleich beim Beispiel elektronische Patientenakte (ePA) : Aktuell liegen viele Gesundheitsinformationen verstreut in den Arztpraxen. Wir können belegen, dass Informationsdefizite oft zu Behandlungsfehlern führen. Die ePA führt Informationen zusammen und stellt sie allen Behandelnden zur Verfügung. Sie ist damit ein unverzichtbares digitales Medium für mehr Patientensicherheit. 

Wir sehen aber auch, dass neue Technologien Herausforderungen bergen. Auf der einen Seite gewinnen wir neue Daten, auf der anderen Seite müssen wir sie auch sinnvoll auswerten. Zudem müssen die digitalen Kompetenzen vorhanden sein. Wir brauchen nicht nur Internet und Smartphone.

Patientinnen, Patienten und Behandelnde müssen damit auch richtig umgehen können. Als Krankenkasse setzen wir uns dafür ein, die digitale Gesundheitskompetenz unserer Versicherten zu fördern, zum Beispiel mit vielfältigen Online-Angeboten .

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Müller.