Mehr als 20.000 vermeidbare Todesfälle im Jahr führen Fachleute auf mangelnde Patientensicherheit im deutschen Gesundheitswesen zurück. Die Sterbefälle aufgrund von Infektionen in Krankenhäusern zählen sie dabei nicht einmal mit. Akteure im Gesundheitswesen blenden Unsicherheit oft aus - besonders, wenn sie sich darauf berufen, regelkonform zu handeln. Doch die Pandemie legt Schwachstellen in der Versorgung schonungslos offen. 

Mit dem TK-Monitor untersucht die TK, wie Menschen in Deutschland das Thema Patientensicherheit in der Pandemie erleben. Die Befragung ergab unter anderem, dass mehr als die Hälfte der Befragten glauben, dass sie selbst einmal durch einen Fehler in der Behandlung zu Schaden kommen könnten. 75 Prozent der Befragten wollen sich daher selbst aktiv einbringen, um Fehler bei der Behandlung zu verhindern.

Das Klinikpersonal arbeitet am Limit 

Schon vor der Pandemie fehlten 4.700 Pflegekräfte auf deutschen Intensivstationen. Sogar positiv getestetes Personal half im ersten Halbjahr 2020 mit, Menschen in Pflegeheimen und Krankenhäusern zu versorgen. Oft sagten Patientinnen und Patienten Termine ab - aus Rücksicht oder aus Sorge, sich in Kliniken anzustecken. Dabei können die Gesundheitsämter rund 89 Prozent der Infektionsfälle keinem bestimmten Ansteckungsort zuordnen. Im Frühjahr 2020 meldeten sich allein 16 Prozent weniger Menschen mit Herzinfarkt in Krankenhäusern als im Vorjahr. Doch Notfälle dulden keinen Aufschub: Jede und jeder hat das Recht auf eine medizinische Grundversorgung.

Kommunikationsprobleme helfen dem Virus

Unsicherheit entsteht, wenn das Gesundheitsamt erst Tage später über einen positiven Covid-19-Test informiert. Oder wenn das Krankenhauspersonal nicht erfährt, dass im Pflegeheim einer neu aufgenommenen Patientin oder eines neu aufgenommenen Patienten Covid-19-Fälle betreut werden. Zu Beginn der Pandemie scheiterten oft Absprachen zwischen Einrichtungen des Gesundheitswesens oder Stationen eines Klinikums. Denn die Verantwortlichen einer Organisation kennen die Aufgaben ihres Gegenübers häufig nicht. Riskant ist auch, wenn Sie selbst als Patientin oder Patient Verstöße gegen Sicherheitsregeln nicht ansprechen - in überfüllten Testzentren zum Beispiel. Ein solches Speak-up fällt aber nicht immer leicht. 

Mit Innovationen aus der Krise lernen

Wer lernen will, braucht Feedback. Deswegen hat die TK mit der Plattform CIRS Health Care ein neues Angebot entwickelt. Mit dem bundesweit verfügbaren Berichtssystem können Sie helfen, Abläufe in Kliniken oder Arztpraxen sicherer zu gestalten. Wenn Sie anonym Feedback auf der Website der CIRS Health Care geben, werten Fachleute Ihren Fallbericht aus und können so Präventionsmaßnahmen entwickeln. Außerdem finden Sie auf der Homepage Tipps, um sicher durch die Pandemie zu kommen. 

Ein positiver Nebeneffekt des strengen Corona-Managements: Dass Abstands- und Hygieneregeln wirken, zeigt sich daran, dass die Grippewelle in der Saison 2020/21 ausfiel. Seit Beginn der Grippeüberwachung 1992 wurde ein solches Phänomen noch nicht beobachtet. Auf einem ähnlichen Tiefstand sind die Fallzahlen bei Erkältungen und Magen-Darm-Infektionen. 

Das Virus verändert die Kommunikation

Die Anzahl der Videosprechstunden mit Vertragsärztinnen und  -ärzten stieg von März bis Ende Juni 2020 auf mehr als 1,2 Millionen - im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es nur 583. Eine komplett digitalisierte Behandlung samt E-Rezept und Attest ermöglicht Ihnen auch die TK-Doc-App .

Eine digitale Plattform gibt seit April 2020 einen Echtzeit-Überblick über freie Intensivbetten sowie behandelte Covid-19-Patientinnen und Patienten in 1.300 deutschen Krankenhäusern. Dank des sogenannten DiVI-Intensivregisters kann sich medizinisches Personal absprechen und Ressourcen koordinieren. Auch Behörden, Ministerien und Krisenstäbe können die Daten nutzen. 

Kliniken vernetzen sich in intensivmedizinisch digital-gestützten Versorgungszentren - den sogenannten IDV-Zentren . Spezialkliniken mit besonderer Expertise in der Behandlung von Covid-19-Fällen werden digital aufgerüstet. Dabei beraten Medizinerinnen und Mediziner das Fachpersonal anderer Kliniken per Video-Call. 

Für die Gesundheitsämter bedeutet die Digitalisierung einen erheblichen Aufwand. Doch die Software SORMAS hilft nun, Infektionsketten nachzuverfolgen. 

In Deutschland mangelt es besonders an Pflegekräften. Technologische Innovationen können jedoch helfen, zu kooperieren, Ressourcen zu koordinieren und Infektionsketten zu unterbrechen. Nicht erst ein Virus, sondern die Akteure des Gesundheitswesens selbst sollten frühzeitig Schwachstellen in der Patientensicherheit aufdecken. Dazu können auch Sie als Patient:in beitragen: Nutzen Sie das Berichtssystem CIRS Health Care, dann können Fachleute aus Ihrer Erfahrung lernen.