Pilze sammeln - Tipps und Tricks vom Experten
Wer mit Vivien Hauser über Pilze spricht, spürt ihre Begeisterung sofort. Ihr Enthusiasmus für die kleinen Schwammerl ist so ansteckend, dass man am liebsten selbst sofort zum Sammeln aufbrechen möchte. Doch dabei gibt es einiges zu beachten. Was genau, das verrät die Pilzsachverständige der deutschen Gesellschaft für Mykologie im Interview.
Liebe Frau Hauser, woher kommt Ihre Faszination für Pilze?
Tatsächlich von meinem Vater. Der hat mich schon als Kind zum Champignonsammeln mitgenommen und dabei habe ich schnell gemerkt: Pilze sind einfach spannende Lebewesen. Es gibt sie nicht nur überall, sondern sie haben darüber hinaus auch eine unglaubliche Formenvielfalt. Ich glaube, ich könnte 300 Jahre alt werden und würde trotzdem noch nicht alles über den Pilzorganismus wissen. Ich bilde mich aber kontinuierlich weiter und bin seit 1998 Pilzsachverständige.
Was ist eine Pilzsachverständige und was fällt in Ihren Aufgabenbereich?
Pilzexperte ist kein geschützter Begriff, so kann sich quasi jeder nennen. Die Bezeichnung Pilzsachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie hingegen ist zertifiziert. Um sich so nennen zu dürfen, muss man eine Prüfung absolvieren. Der Aufgabenbereich ist vielfältig: Zum einen mache ich Speisepilz-Beratung. Wenn also jemand Pilze gesammelt hat, schaue ich mir die Funde genau an und gebe die Pilze im besten Fall zum Essen frei. Darüber hinaus gehört das Kartieren der Pilze für den Naturschutz zu meinen Aufgaben. Das bedeutet Pilzfunde werden erfasst, um die Bestandsentwicklung zu bewerten. Außerdem berate ich in Vergiftungsnotfällen jeglicher Art. Dabei geht es darum, den Pilz schnellstmöglich zu identifizieren, um den Patienten richtig therapieren zu können.
Damit es gar nicht eher zu einer Vergiftung kommen - was muss beim Pilzesammeln beachtet werden?
Anfängern würde ich raten, sich beim Sammeln erst einmal auf zwei bis drei Pilzarten zu beschränken und ihren Fund anschließend einem Pilzsachverständigen vorzulegen. Lieber einmal mehr fragen als zu wenig. Es gibt zwar auch Pilz-Sachbücher oder spezielle Apps, aber auf diese würde ich nicht hundertprozentig vertrauen. Eine Identifizierung nur per Bild klappt nicht. Es gibt viele Merkmale, auf die es zu achten gilt. Hat der Pilz Lamellen, Röhren oder Leisten? In welchem Zustand befindet er sich? Ist er vielleicht schon verdorben oder von Schimmel befallen? Um einen Pilz zu bestimmen, muss man ihn anfassen und an ihm riechen.
Kommen auch Pilzsachverständige an ihre Grenzen?
Das kommt schon vor. Mein Leitspruch lautet: "Ich weiß, dass ich nichts weiß." Es gibt über 8.000 verschiedene Pilze deutschlandweit. Die kann man nicht alle kennen. Jeder, der das Gegenteil behauptet, dem würde ich aus Prinzip nicht vertrauen.
Welche Ausrüstung braucht man zum Pilzesammeln?
Am besten man nimmt einen Korb, ein Messer und einen Pinsel zum Sammeln mit. Pilze dürfen auf keinen Fall in eine Plastiktüte und müssen luftig verpackt werden. Sie bestehen zu 90 Prozent aus Wasser und enthalten Eiweißstrukturen, die Pilze schnell verderblich machen. Deswegen bezeichnet man sie auch als das Fleisch des Waldes. Also: Pilz vorsichtig herausdrehen, etwas säubern und dann locker in den Korb legen.
Den Pilz besser heraushebeln als abschneiden?
Ja. Denn beim Herausdrehen wird der "Fuß" des Fruchtkörpers mit abgetrennt. Hier sitzen wichtige Bestimmungsmerkmale. Natürlich ist es nur möglich, den Pilz herauszuhebeln, wenn er aus dem Boden sprießt. Wächst der beispielsweise auf Holz, hat man eigentlich keine andere Wahl, als ihn mit dem Messer abzutrennen.
Welcher Ort eignet sich am besten zum Sammeln?
Da die allermeisten Pilze in einer Lebensgemeinschaft mit Bäumen leben, ist ein Wald schon mal eine gute Anlaufstelle. Aber nicht zu unterschätzen sind Parkanlagen. Auf den großen Grünflächen oder neben den vereinzelten Bäumen kann man ebenfalls fündig werden.
Haben Sie einen Lieblingspilz - wenn ja, welchen und warum?
Der Hexenröhrling, weil sein Fleisch sehr fest ist. Aus der wissenschaftlichen Sicht interessiert mich vor allem die Gruppe der Champignons. Denn was viele nicht wissen: Es gibt nicht nur DEN Champignon, sondern über 60 unterschiedliche Arten.
Wie essen Sie Pilze am liebsten?
Ich mag sie am liebsten pur. Also einfach schön putzen, klein schneiden und in etwas Butter gut durchbraten. Alle Pilze, außer der Steinpilz oder Zuchtchampignons, müssen vorm Verzehr einmal zu 75 Grad erhitzt werden, damit sie gut verträglich sind. Wer darauf bei der Zubereitung nicht achtet, muss tatsächlich mit Vergiftungserscheinungen wie Erbrechen rechnen. Übrigens: Wenn ein Pilz giftig ist, kann man ihn durch starkes Erhitzen nicht essbar machen. Giftig ist giftig - ob roh oder durchgebraten.
Wie werden Pilze gesäubert?
Am besten mit einer kleinen Bürste oder einem Pinsel. Mit Wasser sollte man Pilze nur waschen, wenn sie anders nicht sauber zu bekommen sind. Das passiert beispielweise manchmal bei sandigen Pfifferlingen. Wenn diese so stark verdreckt sind, kann man sie auch zügig mit Wasser abwaschen. Anschließend sollten die Pilze aber gut abtropfen, dann auf einem Küchentuch gelegt werden und mindestens drei Stunden lang trocknen.
Wie sollten Pilze aufbewahrt werden und wie lange halten sie?
Sie sollten kühl gelagert werden. Mein Tipp: Die Pilze in ein Küchentuch einschlagen und in das Gemüsefach des Kühlschrankes legen. Waldpilze sollten innerhalb 24 Stunden verarbeitet werden, da sie zügig verderben. Wenn Sie das zeitlich nicht schaffen, braten oder kochen Sie die Pilze einmal gut durch. Dann sind sie für weitere 24 Stunden im Kühlschrank haltbar. Pilze dürfen aufgewärmt werden, sie müssen dabei aber gut erhitzt werden.
Haben Sie weitere Tipps für Anfänger?
Scheuen Sie sich niemals, einen Pilzsachverständigen um Rat zu fragen. Wir haben zur Pilzsaison immer viele Vergiftungsfälle, zum Teil sogar mit Todesfolge. Das ist vermeidbar! Achten Sie außerdem darauf, wo Sie sammeln. In einem Naturschutzgebiet dürfen beispielsweise keine Pilze entwendet werden. Aber auch sonst gilt: Nehmen Sie nicht jeden Pilz mit. Vor allem, wenn der Fruchtkörper noch sehr klein und jung ist, sollte der Pilz unbedingt stehen gelassen werden. Nicht nur der Natur zu liebe, sondern auch, weil bei jungen Fruchtkörpern wichtige Bestimmungsmerkmale fehlen, was zu tödlich endenden Verwechslungen führen kann.
Welche Vergiftungserscheinungen sollten Sammler unbedingt ernst nehmen?
Die Vergiftungserscheinungen können sehr unterschiedlich ausfallen. Generell gilt: Jegliches Gefühl von Unwohlsein sowie Erbrechen oder Durchfall nach einer Pilzmahlzeit sollten ernst genommen werden. Manchmal treten die ersten Anzeichen für eine Vergiftung eine Viertelstunde nach dem Essen auf, manchmal aber auch erst nach 48 Stunden oder sogar erst nach drei Wochen.
Was ist dann zu tun?
Ruhig bleiben, im besten Fall die Pilzreste einpacken und ab zum Arzt. Wenn einem sehr elend zumute ist: einen Notarzt rufen.
Gibt es eigentlich einen Anfängerpilz ohne Verwechslungsgefahr?
Einen Pilz, den man wirklich sehr gut bestimmen kann, ist ein fertig ausgebildeter Riesenbovist. Er hat weder einen Hut noch einen Stiel und sieht in etwa so aus wie ein Handball. Bei Riesenbovisten ist der Name Programm: Sie können tatsächlich mehrere Kilo schwer werden und haben nicht selten einen Durchmesser von bis zu 60 Zentimetern.